BFH Beschluss v. - V B 176/99

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, lieferte in den Streitjahren 1988 bis 1990 Armbanduhren im Wert von ... DM (1988), ... DM (1989) und ... DM (1990) über K bzw. B —letzterer nach Angaben der Klägerin identisch mit K— nach USA bzw. Hongkong. Die Uhren wurden bei der Klägerin bar bezahlt, abgeholt und von K bzw. B ins Außengebiet befördert. In den Zollbelegen waren als Abnehmer K bzw. B genannt. Die Klägerin behandelte die Lieferungen als steuerfreie Ausfuhrlieferungen.

Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Auffassung, Abnehmer der Lieferungen sei K/B, der aber kein ausländischer Abnehmer sei. Die Voraussetzungen für die Beurteilung als steuerfreie Ausfuhrlieferungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) lägen deshalb nicht vor. Dementsprechend änderte er die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.

Die Klägerin brachte hiergegen vor, K habe im Namen und für Rechnung der in Hongkong ansässigen Firma NT gehandelt. Zum Beweis hierfür legte sie eine Abnahmebestätigung vom vor. Selbst wenn man die Auffassung des FA teile, verbleibe es bei der Beurteilung als Ausfuhrlieferung, denn K habe als sog. resident alien in Los Angeles/USA einen Wohnsitz gehabt.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin trage die Feststellungslast für das Vorliegen einer Ausfuhrlieferung. Sie habe nicht nachgewiesen, dass sie die Uhren an einen ausländischen Abnehmer geliefert habe. Abnehmer sei, wie sich aus allen während der Streitjahre erstellten Unterlagen ergebe, nicht NT, sondern K/B gewesen. Dies habe auch der Inhaber von NT, (C), bei seiner ersten Aussage als Zeuge im April 1990 bestätigt. Die später erstellten Unterlagen sowie die Bestätigung von C, wonach K/B Angestellter von NT gewesen sei, dienten ersichtlich dem Ziel, den deutschen Geschäftspartnern zu helfen. C habe im Übrigen schon bei seiner ersten Aussage deutlich gemacht, dass er seinen Geschäftspartnern wegen deren Steuerprobleme helfen wolle.

K sei inländischer Abnehmer, denn die Klägerin habe keinen Nachweis dafür gebracht, dass K einen Wohnsitz in Los Angeles gehabt habe. Die angegebene Adresse sei lediglich ein Briefkasten, den K 1987 mit Angabe seiner Heimatadresse gemietet habe. Auch die vom FA vorgelegten Beweismittel bestätigten, dass K den Wohnsitz 1988 und 1989 in Frankfurt gehabt habe. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Verhältnisse 1990 geändert haben könnten, seien nicht ersichtlich.

Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), Abweichung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muss gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdeschrift dargelegt werden.

In der von der Klägerin angestrebten Revision sind keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu entscheiden. Die Klägerin sieht sinngemäß als klärungsbedürftig an, ob über formell ordnungsgemäße Belege und buchmäßige Nachweise hinaus noch weitere und ggf. welche Nachweise für die Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen gefordert werden können und ob Lieferungen, die tatsächlich ins Ausland gelangt sind, allein deshalb besteuert werden dürfen, weil eine bestimmte Form des Nachweises nicht erbracht worden sei.

Die bezeichneten Rechtsfragen beantworten sich aus dem Gesetz und der hierzu ergangenen Rechtsprechung.

a) Eine steuerfreie Ausfuhrlieferung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG liegt nur dann vor, wenn feststeht, dass der Abnehmer ein außengebietlicher Abnehmer ist (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—, z.B. Urteil vom XI R 70/93, BFHE 176, 494, BStBl II 1995, 515; , BFH/NV 1995, 1104).

Ein außengebietlicher Abnehmer ist ein Abnehmer, der seinen Wohnort oder Sitz im Außengebiet hat (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Wohnort ist der Ort, an dem der Abnehmer für längere Zeit seine Wohnung genommen hat und der nicht nur aufgrund subjektiver Willensentscheidung, sondern auch bei objektiver Betrachtung als der örtliche Mittelpunkt seines Lebens anzusehen ist (dazu BFH-Urteile in BFHE 176, 494, BStBl II 1995, 515, und vom V R 90/89, BFH/NV 1993, 631). Die Voraussetzungen dafür, dass es sich um einen außengebietlichen Abnehmer handelt, muss der Unternehmer nach § 6 Abs. 4 UStG nachweisen. Hierzu hat er regelmäßig den Namen und die Anschrift des Abnehmers aufzuzeichnen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1980UStDV—). Im Übrigen gelten für den Nachweis, dass der Abnehmer ein außengebietlicher Abnehmer ist, die allgemeinen Beweisregeln und -grundsätze. Der Beweis kann beispielsweise dadurch geführt werden, dass eine zu den Büchern genommene Abschrift oder Kopie des Reisepasses, des Personalausweises oder jeden sonstigen Dokuments, das in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) als Identitätsnachweis anerkannt ist, vorgelegt wird (vgl. Art. 15 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG in der heute geltenden Fassung); auch können die wichtigen Fakten, die für die Beurteilung des Wohnorts von Bedeutung sind, auf der Rechnungsdurchschrift vermerkt werden. Die notwendigen Beweise können bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG erbracht werden (, BFHE 130, 118, BStBl II 1980, 415, unter I. 4.). Gelingt es dem Steuerpflichtigen aber nicht, etwaige Zweifel auszuräumen, trägt er —neben der formellen— auch die materielle Beweislast. Sind die Tatsachen, die zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des außengebietlichen Abnehmers erforderlich sind, nicht erweisbar oder reichen die nachgewiesenen Tatsachen zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht aus, trägt der Unternehmer das Risiko der nicht geglückten Aufklärung; die Steuerfreiheit kommt nicht in Betracht.

b) Nicht klärungsbedürftig ist auch die Frage ”ob es Sinn und Zweck des Umsatzsteuergesetzes ist, auch Lieferungen an den Endverbraucher im Ausland zu besteuern, weil eine bestimmte Form des Nachweises nicht erbracht ist”. Nicht jede Lieferung an den Endverbraucher in das Ausland ist steuerfrei, sondern nur eine Ausfuhrlieferung, die die Tatbestandsmerkmale des § 4 Nr. 1, § 6 UStG erfüllt.

2. Soweit die Klägerin vorträgt, das FG weiche vom Urteil des BFH in BFHE 176, 494, BStBl II 1995, 515 ab, ist die Abweichung nicht ordnungsgemäß dargelegt, denn die Klägerin stellt nicht einander widersprechende Rechtssätze des FG-Urteils einerseits und des zitierten BFH-Urteils andererseits gegenüber. Sie rügt vielmehr der Sache nach, das FG habe das Urteil fehlerhaft angewendet, wenn es die ID-Card nicht habe als Nachweis genügen lassen. Im Übrigen geht das FG in Übereinstimmung mit dem zitierten Urteil bei seiner Entscheidung davon aus, daß nur bei inhaltlich zutreffenden Nachweisen die Steuerbefreiung gewährt werden darf und verbleibende Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit vorgelegter Belege zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen.

3. Auch die Rügen von Verfahrensfehlern führen nicht zur Zulassung der Revision.

a) In diesem Zusammenhang rügt die Klägerin einen Verstoß gegen Denkgesetze. Dabei handelt es sich jedoch um einen materiellen Rechtsfehler (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 29, m.w.N.).

b) Das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags kann einen Verfahrensmangel darstellen. Wird jedoch ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verzichtet werden kann, so setzt die zulässige Rüge des Verfahrensverstoßes die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, dass der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet hat. Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 124/94, BFH/NV 1995, 238, m.w.N., und vom I B 20/93, BFH/NV 1994, 605). Entsprechende Ausführungen fehlen in den Schriftsätzen. Auch lässt sich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung nicht entnehmen, dass die Klägerin die unterlassene Zeugeneinvernahme gerügt hat. Hinzu kommt, dass ein Steuerpflichtiger, der vor dem FG einen Sachverhalt geltend macht, der sich auf Vorgänge außerhalb der Bundesrepublik bezieht, dem FG die erforderlichen Beweismittel präsentieren muss (vgl. , BFH/NV 1988, 12; , BFH/NV 1994, 449). Die Rüge, das FG habe seine Aufklärungspflicht verletzt, geht deshalb fehl, wenn ein im Ausland ansässiger Zeuge nicht in die Sitzung bestellt worden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 133/94, BFH/NV 1995, 954, und vom I B 8, 9/96, BFH/NV 1997, 580).

Im Übrigen sind nach § 6 Abs. 4 UStG Beleg- und Buchnachweis materiell-rechtliche Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer Ausfuhrlieferung (§ 6 Abs. 1 UStG). Die Steuerbefreiungsvoraussetzungen können nur durch Urkunden, aber nicht durch Zeugenaussagen nachgewiesen werden (vgl. z.B. , BFH/NV 1988, 125).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1370 Nr. 11
CAAAA-65746