Gründe
I. Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt der Fertigstellung eines Gebäudes.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, begann im Jahr 1989 (Datum der Baugenehmigung: ) mit der Errichtung eines Bürogebäudes. Dieses Gebäude wurde nach Fertigstellung von ihr selbst zu gewerblichen Zwecken genutzt; die übrigen Teile des Gebäudes wurden mit Wirkung zum vermietet. Am führte die zuständige Behörde eine Bauzustandsbesichtigung durch, die nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zu folgendem Ergebnis führte:
Das Treppenhaus des Gebäudes war bis Ende 1989 nicht fertig gestellt. Die Wände des Treppenhauses waren nicht feuerbeständig; sie waren lediglich als baurechtlich unzulässige Ständerwände und nicht als Brandschutzwände vorhanden. Außerdem war das Treppenhaus feuergefährdet, da eine feuerhemmende Tür fehlte. Die Handläufe waren unzureichend, und der Belag der Treppenstufen war nicht fertig gestellt. Dem Hauseingang fehlten eine Pflasterung sowie Stufen- und Podestbeläge. Schließlich waren im gesamten Gebäude Wand- und Deckendurchbrüche vorhanden. Aufgrund dieser Beanstandungen konnte in 1989 eine Benutzung des Gebäudes nicht zugelassen werden.
Die Klägerin gab in ihrer Steuererklärung für 1989 an, das Gebäude sei in diesem Jahr fertig gestellt worden. Sie machte Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend, die sich infolge eines Verlustrücktrags auf die Körperschaftsteuer für das Streitjahr (1988) auswirkten. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ließ die AfA unberücksichtigt, da er annahm, das Gebäude sei im Jahr 1989 nicht fertig gestellt worden. Die hiergegen gerichtete Klage hat das FG abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und einen Verfahrensmangel geltend. Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor:
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Eine solche ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann gegeben, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung einer Frage abhängt, die über den konkreten Einzelfall hinaus im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 7, m.w.N.). Daran fehlt es, wenn das Urteil des FG mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung übereinstimmt und keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Überprüfung dieser Rechtsprechung geboten erscheinen lassen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 9, m.w.N.). Das ist die im Streitfall bestehende Situation:
a) Die Klägerin sieht eine klärungsbedürftige Rechtsfrage darin, ob ein Gebäude auch dann i.S. des § 7 Abs. 5 EStG fertig gestellt sein kann, wenn es nach den einschlägigen bauordnungsrechtlichen Vorschriften noch nicht genutzt werden darf. Diese Frage ist indessen durch die Rechtsprechung des BFH —und zwar in bejahendem Sinne— geklärt. So hat der BFH wiederholt entschieden, dass sowohl bei Wohnungen als auch bei gewerblich genutzten Räumen die behördliche Schlussabnahme nicht Voraussetzung der Bezugsfertigkeit und damit der Fertigstellung ist (Urteile vom III R 56/69, BFHE 100, 9, BStBl II 1970, 769; vom III R 89/85, BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906). Ebenso ist die baubehördliche Genehmigung nicht entscheidend (BFH in BFHE 100, 9, BStBl II 1970, 769, 771), und selbst ein behördlich angeordnetes Nutzungsverbot ist kein zwingendes Hindernis, sondern nur ein —allerdings starkes— Indiz gegen die Annahme der Bezugsfertigkeit (BFH in BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906, 907). Die genannte Rechtsprechung betrifft zwar unmittelbar die Hypothekengewinnabgabe und die Investitionszulage; jedoch ist nicht klärungsbedürftig, dass der Begriff ”Fertigstellung” im Einkommensteuerrecht nach denselben Grundsätzen wie in jenen Rechtsgebieten auszulegen ist (vgl. z.B. , BFHE 115, 449, BStBl II 1975, 659, 660; , BFH/NV 1998, 698; Blümich/Brandis, Einkommensteuergesetz, § 7 Rz. 62). Abgesehen davon könnte, wenn für die Einkommensteuer in diesem Punkt abweichende Regeln gelten würden, hieraus allenfalls eine Bindung an die bauordnungsrechtliche Beurteilung und damit ein für die Klägerin ungünstiges Ergebnis folgen.
b) Der Streitfall wirft, was die Frage nach der Fertigstellung eines Gebäudes angeht, auch ansonsten keine grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen auf. Vielmehr ist durch die ständige Rechtsprechung des BFH geklärt, dass ein Gebäude dann fertig gestellt ist, wenn es nach Abschluss der wesentlichen Bauarbeiten für den vorgesehenen Zweck nutzbar ist (Senatsurteil vom I R 27/77, BFHE 130, 24, BStBl II 1980, 365, 367; BFH in BFHE 115, 449, BStBl II 1975, 659, 660, und in BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906). Die Benutzbarkeit ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu beurteilen (BFH in BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906), wobei entscheidend ist, von welchem Zeitpunkt an die Benutzung des Gebäudes zumutbar ist (BFH in BFHE 100, 9, BStBl II 1970, 769). Die tatsächliche Nutzung begründet allenfalls eine widerlegbare Vermutung der Bezugsfertigkeit, weshalb ein nach der Verkehrsanschauung noch nicht benutzbares Gebäude nicht allein durch eine vorzeitige Aufnahme der Nutzung bezugsfertig wird (BFH in BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906, 907). Dies alles ist nicht mehr klärungsbedürftig. Die konkrete Beurteilung des nach diesen Regeln zu bestimmenden Fertigstellungszeitpunkts ist schließlich Tatfrage (BFH in BFHE 100, 9, BStBl II 1970, 769, 771, und in BFHE 130, 24, BStBl II 1980, 365, 367) und deshalb in einem Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar (, BFH/NV 1995, 590).
Im Streitfall hat das FG aus den von der Baubehörde getroffenen Feststellungen geschlossen, dass das in Rede stehende Gebäude Ende 1989 noch nicht bezugsfertig war. Diese Folgerung ist denkgesetzlich möglich und wäre deshalb in einem Revisionsverfahren bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie wird in hinreichender Weise von der Überlegung getragen, dass das Treppenhaus des Gebäudes sich in einem bauordnungswidrigen und feuergefährlichen Zustand befand und dass es deshalb nach der Verkehrsauffassung nicht zumutbar war, die nur über das Treppenhaus erreichbaren Räume zu beziehen und zu benutzen. Dass die Klägerin und die —offenbar mit ihr verbundene— Mieterin gleichwohl bereits die Nutzung aufgenommen haben, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Ebenso kommt es nicht darauf an, welche Aufwendungen noch erforderlich waren, um eine Benutzbarkeit des Treppenhauses und damit der betreffenden Räume herzustellen (vgl. BFH in BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906, 907, m.w.N.). Vor diesem Hintergrund wird das Urteil des FG bereits durch die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse getragen, so dass der vom FG erwähnte Gedanke der ”Einheit der Rechtsordnung” nur ergänzende Funktion hat. Die Bedeutung dieses Gedankens ist deshalb, selbst wenn man sie als klärungsbedürftig ansehen wollte (vgl. hierzu aber auch BFH in BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906, 907), im Streitfall nicht klärungsfähig.
2. Das Urteil des FG weicht nicht von denjenigen Entscheidungen des BFH (BFH in BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906; Urteil vom X R 77/87, BFHE 158, 51, BStBl II 1991, 132) ab, die die Klägerin als Divergenzentscheidungen benannt hat. Hinsichtlich des erstgenannten BFH-Urteils gilt dies schon deshalb, weil dort ebenfalls auf die nach der Verkehrsauffassung zu bestimmende objektive Fertigstellung abgestellt und dabei insbesondere die baurechtliche Situation in die Betrachtung einbezogen worden ist. Die von der Klägerin in Anspruch genommene andere Entscheidung betrifft nicht die hier entscheidungserhebliche Problematik:
Der BFH hat dort entschieden, dass eine AfA nach § 7 Abs. 5 EStG nicht immer erst dann zu gewähren sei, wenn das einheitlich geplante Gebäude insgesamt fertig gestellt ist. Es könne vielmehr ausreichen, dass ein in einem eigenständigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehender Teil des Gebäudes abgeschlossen erstellt ist und genutzt wird. Das bedeutet indessen nicht, dass eine AfA auf das Gebäude immer schon dann zu gewähren ist, wenn tatsächlich irgendeine Nutzung einzelner Gebäudeteile stattfindet. Vorausgesetzt ist vielmehr eine ”abgeschlossene Erstellung” des betreffenden Gebäudeteils, was bedeutet, dass zumindest dieser Teil ”fertig gestellt” im Sinne von ”bezugsfertig” sein muss. Gerade daran fehlt es aber nach den Feststellungen des FG im Streitfall, weshalb die genannte Entscheidung hier nicht einschlägig ist. Demgemäß kann sie der Zulassung einer Divergenzrevision ebenfalls nicht zugrunde gelegt werden.
3. Den geltend gemachten Verfahrensmangel hat die Klägerin nicht in der gebotenen Form bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Sie hat zwar gerügt, dass das FG es unterlassen habe, über den Zustand der Aufzugsanlage in dem fraglichen Gebäude Beweis zu erheben. Doch hat sie nicht geltend gemacht, im erstinstanzlichen Verfahren auf eine entsprechende Beweiserhebung hingewirkt zu haben (vgl. hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 40). Ebenso hat sie keine hinreichenden Ausführungen dazu gemacht, weshalb das FG die vermisste Beweisaufnahme von Amts wegen hätte durchführen müssen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 40). Von einer weiteren Begründung zu diesem Punkt wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 947 Nr. 8
WAAAA-65320