NWB-EV Nr. 1 vom Seite 1

Testier(un)fähigkeit und der Fall Cornelius Gurlitt

Beate A. Blechschmidt | Verantw. Redakteurin | nwb-ev-redaktion@nwb.de

Der Fall des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt ging durch die Presse. Sie erinnern sich bestimmt: Bei einer Routinekontrolle im Jahr 2010 fiel Gurlitt den Zollfahndern in einem Zug von Zürich nach München auf. Zwar hatte er beim Grenzübertritt lediglich 9.000 Euro dabei, 10.000 Euro sind erlaubt – der Verdacht eines Steuervergehens blieb jedoch bestehen und die Beamten recherchierten weiter. Wenige Monate später fanden die Fahnder bei Gurlitt insgesamt knapp 1.500 bisher verschollene Gemälde von Meistern der klassischen Moderne. Die Bilder wurden beschlagnahmt. Etwa 680 Werke stehen bzw. standen im Verdacht, Nazi-Raubkunst zu sein. Wie viel die Sammlung wert ist, ist letztlich noch immer ungeklärt. Denn die Frage des Werts der Sammlung hängt maßgeblich davon ab, wie viele Werke tatsächlich Raubkunst sind – möglich ist ein Wert im dreistelligen Millionenbetrag oder, so schätzte das Kunstmuseum 2016 den Wert, nach Abzug der raubkunstverdächtigten Bilder (jedoch inklusive Immobilien, Wertschriften und Gold, die ebenfalls zum Erbe gehören) von (lediglich) 7,6 Millionen Franken.

Nach dem Tode Gurlitts im Jahr 2014 begann ein erbitterter Streit ums Erbe. Denn Gurlitt hatte in seinem Testament entschieden, dass die Sammlung an das Kunstmuseum Bern übergeben werden sollte. Gurlitts Cousine ging hiergegen vor und gab an, dass dieser nicht in der geistigen Verfassung gewesen sei, ein rechtsgültiges Testament zu verfassen. Dass Gurlitt bei der Unterzeichnung des Testaments nicht testierfähig war, zu dem Ergebnis kommen zwei von ihr beauftragte Gutachten. Ein drittes ebenfalls von ihr beauftragtes Gutachten äußert massive Kritik am Gerichtsgutachten. Mitte Dezember hat jetzt das Oberlandesgericht München schlussendlich entschieden: Gurlitt war testierfähig, sein Testament ist somit gültig. Die Kunstsammlung geht nach Bern.

Selbstverständlich liegt in den meisten Fällen weder ein solch großes Medieninteresse vor noch geht es um derart hohe Beträge. Die Kernfrage der Testierfähigkeit bleibt jedoch immer die gleiche. Und – wie auch der Fall Gurlitt eindrücklich zeigt – einen Nachweis der Testier(un)fähigkeit zu führen, ist kompliziert und langwierig. Und in einigen Fällen bleiben trotz allem Zweifel zurück.

Die Herausforderungen für die notarielle und anwaltliche Beratungspraxis beim Thema Testierfähigkeit schildern in ihrem ab der . Sie zeigen auf, wie das „althergebrachte“ Argument des „lichten Intervalls“ und die pauschalen Hinweise des Notars über das Vorliegen der Testierfähigkeit einzuordnen sind. zeigt ab der die Kriterien für den Nachweis der Testierunfähigkeit auf, beschreibt Symptome und stellt Beurteilungskriterien vor.

Beste Grüße

Beate Blechschmidt

Fundstelle(n):
NWB-EV 1/2017 Seite 1
NWB RAAAF-89278