BVerwG Beschluss v. - 9 BN 1/16

Übernachtungsteuer; Überprüfbarkeit des Übernachtungsanlasses

Gesetze: Art 105 Abs 2a GG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 9 A 7.14 Urteil

Gründe

1Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

21. Keiner der von der Beschwerde als klärungsbedürftig bezeichneten Fragen kommt eine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

3a) Die Frage,

ob alleine der Belastungsgrund und die Erhebungstechnik als ausschließliche Kriterien bei der Frage der Gleichartigkeit einer gemeindlichen Aufwandsteuer mit der bundesgesetzlich geregelten Umsatzsteuer von entscheidender Bedeutung sind,

ist schon nicht entscheidungserheblich, da das Oberverwaltungsgericht - anders als die Frage unterstellt - nicht von ausschließlichen Kriterien ausgegangen ist. Im Übrigen ist die Frage aber auch nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sie sich ohne weiteres aufgrund der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lässt. Wie die Beschwerde selbst erkennt, ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Gleichartigkeit mit einer bundesrechtlich geregelten Steuer anhand eines Vergleichs von Steuergegenstand, Steuermaßstab, Art der Erhebungstechnik und der wirtschaftlichen Auswirkungen festzustellen ist ( 9 CN 1.11 - BVerwGE 143, 301 Rn. 22). Die verschiedenen Merkmale sind bei der Bestimmung der Gleichartigkeit zu vergleichen und zu gewichten. Daraus folgt, dass eine Gleichartigkeit nicht schon dann anzunehmen ist, wenn nur einzelne Merkmale des herkömmlichen Gleichartigkeitsbegriffs erfüllt sind, diese aber in der Gewichtung hinter die anderen nicht erfüllten Merkmale zurücktreten ( a.a.O. Rn. 25; ebenso - BFHE 250, 427 Rn. 25). Von dieser Rechtsprechung ist das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich ausgegangen.

4b) Die weitere Frage,

ob dem Steuerschuldner einer indirekten Steuer auf entgeltliche, privat veranlasste Übernachtungen (auch) die private Veranlassung zugerechnet werden kann, wenn und solange der Steuerschuldner keine rechtliche Handhabe hat, den konkreten Anlass der Übernachtung zu überprüfen,

führt ebenfalls nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass sich die Bestimmung von Beherbergungsbetreibern zu Steuerschuldnern aus dem Zur-Verfügung-Stellen von entgeltlichen Übernachtungsmöglichkeiten für private Zwecke rechtfertige. Damit leisteten sie einen entscheidenden Beitrag zur Erfüllung des steuerbegründenden Tatbestandes. Der Steuerschuldner müsse nicht zu sämtlichen Tatbestandsmerkmalen des Steuertatbestandes die gleiche Nähe aufweisen. Das Oberverwaltungsgericht hat zudem darauf hingewiesen, dass der Beherbergungsbetreiber regelmäßig in Erfahrung bringen könne, ob es sich um eine privat bedingte - und damit steuerpflichtige - Übernachtung handele.

5Zu der Frage, wer zum Steuerschuldner einer kommunalen Übernachtungsteuer bestimmt werden darf, hat der Senat bereits entschieden, dass sich die Antwort darauf nach der einfachrechtlichen Ausgestaltung durch den Landesgesetzgeber richtet (BVerwG, Beschlüsse vom - 9 B 8.14 - juris Rn. 3, 5, 7 und vom - 9 BN 3.15 - juris Rn. 9). Einen revisionsrechtlich erforderlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde im Kontext der Zurechenbarkeit auch nicht im Hinblick auf die Abwälzbarkeit der Übernachtungsteuer auf den Beherbergungsgast auf, weil für den Beherbergungsbetreiber keine rechtlich gesicherte Handhabe existiere, den subjektiven Anlass einer jeden Übernachtung zu erforschen und zutreffend zu ermitteln. Denn die Grundsätze der Abwälzbarkeit sind in der Rechtsprechung ebenfalls geklärt (vgl. nur - BVerfGE 123, 1 <22 f.>; 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367 Rn. 28; Beschluss vom - 9 B 80.11 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 54 Rn. 7). Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwieweit die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Abwälzbarkeit weiteren Klärungsbedarf erzeugen.

6c) Die Frage,

ob der Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Steuerlast der Erhebung einer indirekten Steuer auf entgeltliche private Übernachtungen entgegensteht, wenn und solange der Steuerschuldner keine Handhabe hat, die Richtigkeit der steuerbegründenden Angaben des Übernachtungsgasts zu überprüfen,

zeigt ebenfalls keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Das Oberverwaltungsgericht hat der Übernachtungsteuersatzung (ÜSS) für das Revisionsgericht bindend entnommen, dass die Satzung den Steuergegenstand (Übernachtungen zu rein privaten Zwecken), die Bemessungsgrundlage, den Steuersatz sowie die Fälligkeit der Steuer in den §§ 1, 3, 4 und 8 ÜSS hinreichend bestimmt regelt und sich daraus hinreichend deutlich ergibt, dass der Beherbergungsunternehmer auf der Grundlage der Erklärungen seiner Gäste feststellen kann, ob eine steuerpflichtige (private) Übernachtung oder eine steuerfreie (berufsbedingte) Übernachtung vorliegt. Er hat damit nicht revisibles Landesrecht ausgelegt. Die Beschwerde legt nicht dar (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), auch nicht mit dem Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom - 19 K 2159/11 -, dass darüber hinaus der vorliegende Rechtsstreit Gelegenheit geben könnte, in einem Revisionsverfahren Fragen des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) von grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Für den Bereich des Steuerrechts gilt der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG ergebende allgemeine Grundsatz, dass abgabebegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Abgabenpflichtige die auf ihn entfallende Abgabe - in gewissem Umfang - vorausberechnen kann ( 2 BvL 1, 4, 6, 16, 18/99, 1/01 - BVerfGE 108, 186 <234 f.> m.w.N.). Die Beschwerde lässt nicht erkennen, inwieweit gerade die Auslegung des bundesrechtlichen Maßstabs des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG ihrerseits Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Vielmehr erschöpft sich die Beschwerde in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels in Angriffen gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch das Oberverwaltungsgericht, wenn sie meint, dass die steuerpflichtigen Beherbergungsunternehmen ihre Steuerlast deshalb nicht voraussehen könnten, weil im Einzelfall die Antragsgegnerin die vorgelegten Nachweise im Zuge der Nachprüfung nach § 7 Abs. 2 ÜSS nicht anerkennen und so ungeachtet eines tatsächlich zwingend beruflichen Übernachtungsanlasses von einer Steuerbarkeit des Übernachtungsanlasses ausgehen könnte.

7d) Gleiches gilt für die Frage,

ob der rechtsstaatliche Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit einer Besteuerung der Erhebung einer indirekten Steuer auf entgeltliche private Übernachtungen entgegensteht, wenn und solange der Steuerschuldner keine rechtliche Handhabe hat, die Richtigkeit der Angaben des (intendierten) Steuerträgers zu überprüfen.

8Das Oberverwaltungsgericht ist von der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ausgegangen. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ist zwar ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG verankert; die Beschwerde legt aber nicht dar, inwieweit hier eine weitere grundsätzliche Klärung erfolgen soll. Zwar trifft es zu, dass eine Rechtsnorm nur angewendet werden kann, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Voraussetzungen, an die die Rechtsnorm bestimmte Rechtsfolgen knüpft, vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu der Übernachtungsteuersatzung die notwendigen Regelungen entnommen und darüber hinaus angenommen, dass es nicht unangemessen ist, dem Betreiber des Beherbergungsbetriebes als Steuerschuldner bestimmte Mitwirkungspflichten aufzuerlegen, die auch die Erhebung bestimmter Nachweise über die Beruflichkeit der Übernachtung einschließen. Die Beschwerde lässt nicht erkennen, inwieweit weiterer bundesrechtlicher Klärungsbedarf besteht. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Urteile des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom - 19 K 2159/11 - und des Oberverwaltungsgerichts Münster vom - 14 A 316/13 - (DVBl. 2014, 249) behauptet, es gehe tatsächlich nicht um die Mitwirkungspflichten des Gastes, sondern vielmehr um eine sachlich nicht gerechtfertigte Umkehr der formellen bzw. materiellen Beweislast bzw. der Feststellungslast zu Ungunsten des Steuerschuldners, ist dies lediglich ein Angriff auf die Würdigung durch das Oberverwaltungsgericht.

9e) Ebenso wenig revisionsrechtlich klärungsbedürftig ist die Frage,

ob ein strukturelles Erhebungsdefizit bzw. ein hieraus abzuleitender Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG der Erhebung einer indirekten Steuer auf entgeltliche private Übernachtungen entgegensteht, wenn und solange der Steuerschuldner keine rechtliche Handhabe hat, die Richtigkeit der Angaben des (intendierten) Steuerträgers zu überprüfen.

10Das Oberverwaltungsgericht hat die Möglichkeit eines strukturellen Erhebungsdefizits verneint unter Hinweis darauf, dass falsche Angaben der Übernachtungsgäste wegen der geringen Belastung i.H.v. 5 % tendenziell unwahrscheinlich seien. Darüber hinaus spreche die Bußgeldregelung des § 11 Abs. 2 Satz 1 lit. a) ÜSS, die für denjenigen gelte, der einen in tatsächlicher Hinsicht unrichtigen Beleg ausstelle, für eine im Regelfall wahrheitsgerechte Besteuerung. Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf, denn die Grundsätze zur von Art. 3 Abs. 1 GG geforderten Belastungsgleichheit beim Vollzug der Steuergesetze sind durch die Rechtsprechung geklärt.

11Der sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Grundsatz der Lastengleichheit fordert im Steuerrecht, dass ein Steuergesetz Steuerschuldner rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet ( - NJW 2015, 303 Rn. 123; Beschluss vom - 1 BvR 2880/11 - KommJur 2015, 258 Rn. 40). Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen ( - BVerfGE 110, 94 <112 f.>). Nach diesem Gebot tatsächlich gleicher Steuerbelastung durch gleichen Gesetzesvollzug begründet eine in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers fallende strukturell gegenläufige Erhebungsregel im Zusammenwirken mit der zu vollziehenden materiellen Steuernorm deren Verfassungswidrigkeit. Strukturell gegenläufig wirken sich Erhebungsregelungen gegenüber einem Besteuerungstatbestand aus, wenn sie dazu führen, dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann. Die Frage, ob der Gesetzgeber von ihm erstrebte Ziele faktisch erreicht, ist rechtsstaatlich allein noch nicht entscheidend. Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkommen können und sich tatsächlich ereignen, führen allein noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm. Verfassungsrechtlich verboten ist jedoch ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung dieses Befehls angelegten Erhebungsregeln. Zur Gleichheitswidrigkeit führt nicht ohne weiteres die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, wohl aber das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts ( a.a.O. S. 113; - BFHE 250, 427 Rn. 41 f.). Die Beschwerde erschöpft sich vor diesem Hintergrund in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels in Angriffen gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch das Oberverwaltungsgericht.

12f) Die Frage,

ob der örtlich bedingte Wirkungskreis einer kommunalen Verbrauch- und Aufwandsteuer auch dann noch gewahrt wird, wenn die Abgabe nicht nur ausschließlich an die tatsächliche Inanspruchnahme einer entgeltlichen privaten Übernachtung anknüpft und zudem Handlungs- und Mitwirkungspflichten Dritter auch außerhalb der Gemeindegrenzen der Abgabengläubigerin vorsieht,

führt ebenfalls nicht auf eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage, weil der Begriff der kommunalen Verbrauch- und Aufwandsteuer in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist. Der örtlich bedingte Wirkungskreis einer kommunalen Verbrauch- und Aufwandsteuer bedarf eines besonderen örtlichen Anknüpfungsmomentes ( - BVerfGE 16, 306 <324 ff.>), dessen Bestimmung von der jeweiligen Eigenart der einzelnen Steuer abhängt, nämlich inwieweit sie auf die Belegenheit einer Sache oder einen Vorgang im Gemeindegebiet abstellt und wegen der Begrenzung ihrer unmittelbaren Wirkungen auf das Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle führen kann. Dabei muss sich die örtliche Radizierung aus der normativen Gestaltung des Steuertatbestandes selbst ergeben (BVerfG, Beschlüsse vom a.a.O. <327> und vom - 2 BvR 1275/79 - BVerfGE 65, 325 <349>. Von diesen Voraussetzungen ist das Oberverwaltungsgericht ausgegangen, wenn es feststellt, dass die Übernachtungsteuer nur auf dem Gebiet der Antragsgegnerin erhoben wird (UA S. 12). Mittelbare Auswirkungen einer Steuer außerhalb des Gemeindegebiets berühren ihre örtliche Radizierung nicht (vgl. etwa für die Pferdesteuer 9 BN 2.15 - KommJur 2015, 415 Rn. 10 und zur Hundesteuer 9 B 41.12 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 13 Rn. 7).

132. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:131016B9BN1.16.0

Fundstelle(n):
AAAAF-86790