PiR Nr. 10 vom Seite 1

Bilanzpolitik zwischen Sachverhaltsgestaltung und Ermessensausübung

WP/StB Dr. Norbert Lüdenbach | Herausgeber | pir-redaktion@nwb.de

Überall wo – im großen Stil und mit großer Mannschaft – bilanziert wird, wird auch Bilanzpolitik betrieben, sei es stichtags- bzw. ereignisvorgelagert durch Sachverhaltsgestaltung oder stichtagsnachgelagert durch Ausschöpfung von Ermessensspielräumen bei der Bilanzierung dem Grunde oder der Höhe nach. In unterschiedlicher Weise steht das Thema Bilanzpolitik auch im Mittelpunkt der drei Hauptbeiträge dieses Hefts.

Der sachverhaltsgestaltenden Bilanzpolitik widmet sich der von Georg Anders zur „Bilanzoptimierung bei Desinvestitionen“. Er zeigt auf, wie sich im Spannungsfeld von IFRS 10, IFRS 5 und weiteren Vorschriften unterschiedliche Bilanz- und GuV-Bilder ergeben, je nachdem, ob eine Desinvestition etwa als share oder asset deal durchgeführt wird. Beispiele aus der Praxis – Metro, Bayer, TUI, Vattenfall usw. – konkretisieren die Bedeutung der gewählten Gestaltung.

Stichtagsnachgelagerter Bilanzpolitik wendet sich Hermann Kleinmanns in seinem über die „Zeitwertbilanzierung bei Immobilienunternehmen“ zu. Die mangelnde Normierung und Standardisierung von Bewertungsmethoden sowie die großen Ermessensspielräume bei der Auswahl der Bewertungsparameter führen nicht nur zu wenig verlässlichen, sondern auch zu wenig vergleichbaren fair values. Auch dieser Beitrag belässt es nicht bei abstrakten Aussagen, sondern belegt die bilanzpolitischen Spielräume durch konkrete Zahlen, etwa den empirisch fundierten Vergleich von zeitnahen Transaktionspreisen zu bilanzierten fair values für verschiedene europäische Länder.

Dass sich mit fast jeder Neuregelung neue Ermessensspielräume ergeben, nicht nur bei der Bewertung, sondern auch bei der Festlegung einer konkreten Bilanzierungsmethode (im Englischen zutreffender als accounting policy bezeichnet), ist naturgemäß auch dem IASB bewusst. Er bemüht sich daher redlich um die Schließung von faktischen oder expliziten Regelungslücken. Matthias Albrecht „Änderungsvorschläge an IFRS 3 und IFRS 11“ vor, die in ED 2016/1 enthalten sind. In Bezug auf IFRS 3 geht es dabei darum, den Fall eines Unternehmenserwerbs besser als bisher von dem Erwerb einer sonstigen Sachgesamtheit abzugrenzen, da beide Fälle ganz unterschiedlichen Regelungen unterliegen. Im Hinblick auf IFRS 11 stellt sich die Frage, wie die Erlangung der Kontrolle über eine gemeinschaftliche Tätigkeit (joint operation) als spezieller Fall der Aufwärtskonsolidierung zu behandeln ist. Die bisher zu beobachtende „diversity in practice“ soll der ED beseitigen, indem er bei Business-Qualität des Erwerbsobjekts die analoge Anwendung von IFRS 3 vorschreibt.

Beste Grüße

Norbert Lüdenbach

Fundstelle(n):
PiR 10/2016 Seite 1
NWB IAAAF-83361