BBK Nr. 19 vom Seite 913

Gelebte Dialektik – das Kassengesetz in der Beratung

Christoph Linkemann | verantw. Redakteur | bbk-redaktion@nwb.de

Die [i]Rätke, Gesetz zum Schutz vor Kassenmanipulationen - Kritische Anmerkungen zum Referentenentwurf, BBK 10/2016 S. 497 NWB IAAAF-73320 Lektüre von Parlamentsprotokollen zu Steuergesetzen ist selten erbaulich und steht nur dann im Mittelpunkt des Interesses, wenn es um Regeln mit größter Breitenwirkung geht. Die Details schaffen es nur selten ins Plenum. Eine Ausnahme hiervon bilden die Beratungen des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen, dessen erste Lesung im Bundestag am stattfand. Ein Entwurf, der nicht weniger leisten soll, als ein eklatantes steuerliches Vollzugsdefizit zu bekämpfen. Den Entwurf hat BBK-Herausgeber Bernd Rätke in dieser Zeitschrift analysiert, und Jens Reckendorf schilderte, wie schwierig die Situation ist für Unternehmer mit Barumsätzen.

In [i]Reckendorf, Das Spannungsfeld von Registrierkassen und Betriebsprüfungen - Handlungsempfehlungen für eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem Prüfer, BBK 10/2016 S. 479 NWB SAAAF-73321 den zu Protokoll gegebenen Reden (Anlage 12 zur 190. Sitzung, S. 18936 ff.) findet sich die ganze Bandbreite der bisherigen Diskussion, wobei der Graben auch durch die Bundesregierung verläuft. Zwar eint die Redner der Wunsch, Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen. Allerdings halten nur der CDU-Abgeordnete Feiler und der Parlamentarische Staatssekretär im BMF Meister den Entwurf für tauglich. Der SPD-Abgeordnete Schwarz zitiert durchaus genüsslich den Finanzausschuss des Bundesrats, der den Entwurf recht harsch verrissen hat, als „ungeeignet“, „nicht wirksam“, voller „konzeptioneller Mängel“ und „unrealistisch“. Diese Beurteilung ist nicht nur politisches Geplänkel, denn die Länder wollen sicherlich kein untaugliches Gesetz vollziehen, soweit Steuerhinterziehung effektiv bekämpft werden soll. Schwarz spricht von einem Placebo-Gesetz, weil ein taugliches Sicherheitskonzept eine Beleg- und Kassenpflicht erfordert. Die gesamte Diskussion fasst der Abgeordnete Gambke von Bündnis 90/Die Grünen sehr schön zusammen, der vehement dafür plädiert, auch das bisher von der Bundesregierung strikt abgelehnte INSIKA-Konzept zu berücksichtigen – immerhin das einzige sofort verfügbare Konzept, das geeignet ist, den Zielkonflikt von Sicherheit und Belastung für die Unternehmer zu bewältigen, und das Finanzverwaltung, Hersteller und Physikalisch-Technische Bundesanstalt zu diesem Zweck entwickelt haben. Grotesk ist die Formulierung von Staatssekretär Meister, wenn er hofft, dass man sich „in den parlamentarischen Beratungen nicht über einzelne technische Verfahren“ auseinandersetzt, um „zu bewerten, welches vielleicht besser ist als das andere“. Die technische Tauglichkeit und ein hinreichendes Sicherheitsniveau bei möglichst geringer Belastung der Unternehmer dürften doch wohl der einzige Maßstab sein – gerade und vor allem in den parlamentarischen Beratungen.

Beste Grüße

Christoph Linkemann

Fundstelle(n):
BBK 2016 Seite 913
IAAAF-82953