Der Klang von „Steueroptimierung“
[i]Abschied von einem wohlklingenden BegriffDas Wort Steueroptimierung hatte einmal einen guten Klang. Wer mochte nicht optimieren, was gut schien? Erst recht, was im Argen lag oder im Vergleich als nicht günstig genug galt? Allerdings hat der Begriff durch die Entwicklungen der letzten Jahre den Wohlklang verloren. Wer heute noch offen für die Beratung bei der Steueroptimierung wirbt, macht sich eher verdächtig. Ganz unüblich ist der Ausdruck indes noch nicht. Es könnte die Macht der Gewohnheit sein.
[i]Kampf gegen Steueroptimierung und Steuergestaltungen findet auch sprachlichen AusdruckDie Steuerbehörden und Parlamente vieler Staaten und Organisationen schreiben sich heute die Bekämpfung von „Steuergestaltungen“ – eigentlich nur ein anderes Wort für dasselbe Anliegen – auf die Fahnen; ganz so, wie man früher Pocken und Polio bekämpft hat. Deren weltweite Ausrottung ist auch noch nicht zu 100 % gelungen. Aber gleich, ob Kinderlähmung oder Steueroptimierung, die Akteure bekunden Entschlossenheit und Zuversicht, dass ihr Kampf gewonnen wird.
[i]Die EU will selbst Akteur im Kampf gegen Steuervermeidung seinNeben der OECD machen auch die Organe der EU keinen Hehl aus ihrer steuerlichen Agenda. Die Vorschläge der Kommission für eine Anti-Steuervermeidungsrichtlinie hat der Rat der EU im Juli angenommen. Sie ist nicht nur ein Schritt zur Umsetzung der BEPS-Empfehlungen der OECD. Sie dürfte eines der bedeutendsten Harmonisierungsprojekte der Unternehmensbesteuerung der EU-Mitgliedstaaten überhaupt sein – wenn auch nicht ohne Risiken, wie Müller/Wohlhöfler ab zeigen. Das weitere steuerliche Programm des Rates der EU für die zweite Jahreshälfte 2016 umreißen Cloer/Gerlach ab .
[i]Entscheidungen mit unerwünschten Effekten oder mit abgeschwächter WirkungWie schnell nicht nur zwischenstaatliche, sondern auch rein nationale Diskriminierungsverbote auf internationale Steuersachverhalte übergreifen können, macht die Urteilsbesprechung zum französischen Schachtelprivileg von Schmidt/Schruoffeneger ab deutlich. Und wie klar Gesetze den wünschenswerten Effekt teilweise verfehlen, illustriert Zielinski ab anhand der Änderungen am US-amerikanischen Foreign Investment in Real Property Tax Act, von dem längst nicht alle ausländischen Anleger profitieren dürften.
[i]Optimierung hat aber auch gestalterische KraftBeleg dafür, dass es fast überall auf der Welt weiterhin vielfältige steuerliche Fördermöglichkeiten gibt und man die Chancen abwägen muss, ist der Beitrag von Ley/Richter/Evertz zu den Steuerreformen in Singapur ab . Er zeigt nicht zuletzt exemplarisch den Anspruch der Staaten, nicht nur Steuern einzunehmen, sondern Menschen und Unternehmen zugleich zum Wohle des Gemeinwesens insgesamt zu unterstützen. So verstanden, ist Steueroptimierung unverändert ein wundervoller Begriff!
Ich wünsche Ihnen viele hilfreiche Erkenntnisse
Nils Henrik Feddersen
Fundstelle(n):
IWB 18 / 2016 Seite 1
JAAAF-82529