Die Neuordnung des Investmentsteuerrechts – ein Reformerfolg?
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
nach einem langen Reformprozess ist am das Investmensteuerreformgesetz im Bundesgesetzblatt (BGBl 2016 I S. 1730 ff.) verkündet worden.
In Kraft treten wird die Reform erst zum , denn es handelt sich nicht um irgendeine kleine Reparaturmaßnahme, sondern um eine grundlegende Neukonzeption der Fondsbesteuerung, deren Umsetzung erheblichen Aufwand verursacht. Galt in der Vergangenheit das Grundprinzip der Gleichbehandlung von Direktanleger und Fondsanleger, werden Fondserträge in Zukunft einer Pauschalbesteuerung unterworfen. Nach Vermögenszusammensetzung des Fonds gestaffelte Teilfreistellungen sollen die Belastung zwar so austarieren, dass wesentliche Unterschiede gegenüber der Direktanlage vermieden werden, dennoch kommt es in der Tendenz zukünftig zu einer höheren Steuerlast als im geltenden Recht. Dies gilt insbesondere für Kleinanleger mit niedrigem individuellen Steuersatz. Abgemildert wird der Systemwechsel, indem es für sog. Spezialfonds, an denen sich maximal 100 (institutionelle) Anleger beteiligen dürfen, bei einer semi-transparenten Besteuerung bleibt. Allein diese Zweiteilung der Fondsbesteuerung wirft erhebliche Zweifel auf, ob die intendierte Vereinfachung erreicht wird. Diese war neben dem Bestreben, die europarechtswidrige Benachteiligung ausländischer Fonds auszuräumen, Hauptmotivation der Reform. Zugleich könnten hieraus neue europarechtliche Risiken resultieren, weil die Besserstellung einer einzelnen Fondskategorie als unerlaubte Beihilfe verstanden werden könnte.
Die Reform hat mit der „cum-cum“-Gesetzgebung einen zweiten Teil, der rückwirkend zum in Kraft gesetzt wurde. Kernbestandteil der Regelung ist eine 45-tägige Mindesthaltedauer als Voraussetzung für die Anrechnung der auf Dividenden lastenden Kapitalertragsteuer. Dass der Gesetzgeber erst relativ spät auf das Dividendenstripping reagiert, bei dem durch kurzfristige Übertragung an anrechnungsberechtigte Anteilseigner eine Erstattung von Kapitalertragsteuer erreicht wird, die ansonsten insbesondere bei beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Anlegern definitiv würde, ist erstaunlich, weil es sich hierbei um ein lange bekanntes Phänomen handelt. Ob die Maßnahme nun auf einmal derart dringlich ist, dass es einer rückwirkenden Anwendung des neuen § 36 Abs. 2a EStG bedarf, lässt sich bezweifeln, ist aber insbesondere im Hinblick auf die Ankündigung eines solchen Schritts von der Rechtsprechung des BVerfG gedeckt.
Ein dritter Reformbaustein, in dem es analog zur Steuerpflicht der Streubesitzdividenden nach § 8b Abs. 4 KStG um die Einführung einer Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen von weniger als 10 % ging, ist nicht verabschiedet worden. Zu Recht hat man diese Maßnahme ausgesetzt. Zwar führt die Ungleichbehandlung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen zu Verzerrungen und eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten. Indes war bereits der erste Schritt der Inkaufnahme einer nunmehr ungeminderten Doppelbelastung von Streubesitzdividenden ein nicht zu rechtfertigender Bruch mit dem 2001 eingeführten System der Beteiligungsertragsbefreiung. Richtig wäre es, diesen Fehler zurückzudrehen, statt ihn zu verdoppeln. Es geht also keineswegs nur darum, eine geeignete – beihilferechtsfeste – Ausnahme für Start-ups und sog. Business Angels zu finden, sondern die ursprüngliche Steuerfreiheit insgesamt, d. h. auch für Dividenden, und zwar unter europarechtskonformer Einbeziehung beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner, wiederherzustellen.
Herzliche Grüße
Ihre
Johanna Hey
Fundstelle(n):
SteuerStud 10/2016 Seite 585
NWB PAAAF-81970