Adaption und Pflichtanwendung der ISA?
Mit Inkrafttreten des AReG und des APAReG sowie mit unmittelbarer Geltung der sog. EU-PIE-VO ist die jüngste EU-Reform der Abschlussprüfung seit dem abgeschlossen und wirksam. Die Regelungen verlangen von den Mitgliedstaaten u. a., dass Abschlussprüfungen unter Beachtung der von der Kommission nach dem sog. Komitologieverfahren angenommenen internationalen Prüfungsstandards (ISA) durchgeführt werden. Diese Verpflichtung ist nicht neu. Sie galt bereits in der Vorgängerfassung der Abschlussprüferrichtlinie aus Mai 2006 (nach Entwurf im September 2003) und wurde im Rahmen der Richtlinien-Neufassung nur überprüft. Aufgrund dessen hat der deutsche Gesetzgeber die verpflichtende Anwendung der ISA bei Abschlussprüfungen bereits im Jahr 2009 mit dem BilMoG in das HGB aufgenommen, dort in § 317 Abs. 5.
Materiell greift diese Verpflichtung allerdings erst dann, wenn die ISA von der EU-Kommission in dem auch von den IFRS bekannten Adaptionsverfahren zur Anwendung freigegeben werden. Das gilt sowohl für derzeit geltende, als auch für künftige neue ISA.
Dieser Adaptionsprozess ist bisher zumindest nicht abgeschlossen worden. Fraglich ist, wann damit gerechnet werden kann. Das IDW hat unlängst mitgeteilt, dass es derzeit keinen konkreten Zeitplan dafür gebe. Das mag überraschen. Hat die EU nach dem mittlerweile über zehnjährigen Diskussionsprozess zur Pflichtanwendung der ISA das Interesse daran verloren? Sicher nicht. Der Grund wird ein anderer sein. Im April 2015 veröffentlichte die Federation of European Accountants (FEE) ihre aktualisierte Untersuchung „Overview of ISA Adaption in the European Union“ (abrufbar unter http://go.nwb.de/s6dbj). Darin stellt die FEE fest: Von den 28 Mitgliedstaaten wenden 25 die ISA bereits ohne Adaption durch die EU an. Drei Mitgliedstaaten sehen davon ab. Das sind neben Deutschland noch Frankreich und Portugal. Deutschland und Frankreich haben die ISA allerdings so in ihre nationalen Prüfungsstandards transformiert, dass zu den ISA keine wesentlichen Abweichungen bestehen.
Im Ergebnis ist damit also die Anwendung der ISA bei Pflichtprüfungen in der EU auch ohne Adaption faktischer Grundsatz. Was wird dann mit einer förmlichen Adaption gegenüber der bisherigen Transformation durch das IDW erreicht? Sie bringt natürlich Rechtssicherheit. Auch entbindet sie das IDW insoweit von der bisherigen Transformation in die IDW PS. So kommen die ISA zeitnäher und auch einheitlicher zur Anwendung als über den Transformationsprozess. Zudem ist bei einer Adaption der ISA durch die EU eher gewährleistet, dass diese Standards in den Mitgliedstaaten auch künftig so akzeptiert werden, wie es derzeit der Fall ist.
Ihr Hauptziel, die Anwendung einheitlicher und qualitativ hochwertiger Prüfungsstandards EU-weit, hat die EU faktisch indes derzeit bereits erreicht. Daher wird die Adaption der ISA auf ihrer Prioritätenliste nicht (mehr) ganz weit oben stehen. Es sprechen wie gesagt gute Gründe dafür, die Adaption der ISA in Zukunft vorzunehmen. Wann das sein wird, ist für den deutschen Berufsstand letztlich unerheblich. Über die stete Transformation der ISA in die IDW PS sollte der Berufsstand auf die ISA vorbereitet, ja mittlerweile sogar mit ihnen vertraut sein. Wesentliche Abweichungen bestehen derzeit (wieder) beim Bestätigungsvermerk. Dazu sind indes neue Prüfungsstandards in Vorbereitung.
Holger Philipps
Fundstelle(n):
WP Praxis 10/2016 Seite 1
UAAAF-81202