„Brexit“ – Großbritannien verlässt die EU
Das Volk hat entschieden, der Austritt Großbritanniens aus der EU scheint besiegelt. Sollte der „Brexit“ tatsächlich umgesetzt werden, folgen daraus zahlreiche Änderungen rechtlicher und steuerlicher Natur sowohl für Personen und Unternehmen in Großbritannien als auch für Personen und Unternehmen aus der EU, die Sachverhalte mit Bezug zu Großbritannien verwirklichen. Eine Einschätzung der konkreten Folgen ist derzeit nicht möglich, weil diese erst als Ergebnisse der Austrittsverhandlungen benannt werden können.
Dr. Katrin Dorn und Sophie Schwarz zeigen in ihrem Beitrag aus der NWB 29/2016 S. 2182 einzelne Beispiele auf und geben einen Überblick über die denkbaren rechtlichen und steuerrechtlichen Auswirkungen des „Brexits“, von denen hier bereits einige kurz vorgestellt werden sollen. Des Weiteren gibt Dr. Christian Rosner in seinem Aufsatz aus NWB 30/2016 S. 2251 „Brexit – fünf Fragen und Antworten zu den Auswirkungen auf die englische Limited in Deutschland“ Hinweise für die derzeit rund 9.000 englischen Limiteds, die mit Verwaltungssitz in Deutschland operieren (beide Aufsätze sind im Volltext in der Datenbank für Sie kostenlos abrufbar unter der NWB DokID NWB WAAAF-77462 bzw. NWB VAAAF-78203).
Mögliche rechtliche Auswirkungen
Im Grundsatz dürfte der „Brexit“ dazu führen, dass das Unionsrecht nicht mehr auf Sachverhalte in Großbritannien bzw. Sachverhalte mit britischer Beteiligung in EU-Staaten Anwendung findet. Daraus folgen zahlreiche Unsicherheiten, wie beispielsweise beim grenzüberschreitenden Personaleinsatz oder im Gesellschaftsrecht (Stichwort: Sitztheorie).
Mögliche steuerliche Auswirkungen
Allein aufgrund der fehlenden Mitgliedschaft in der EU werden sich zahlreiche Änderungen im Hinblick auf die Anwendung steuerlicher Normen des deutschen Steuerrechts ergeben, sofern diese Sonderregelungen für EU-Sachverhalte enthalten, wie z. B. Steuervergünstigungen dank fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht von EU- und EWR-Familienangehörigen oder die Anwendbarkeit der Mutter-Tochter-Richtlinie.
In der Umsatzsteuer dürften die Folgen abschätzbar sein. Hier wird Großbritannien unweigerlich als Drittstaat qualifiziert werden, wodurch es künftig nicht mehr zum Zollgebiet der EU gehören wird und nicht mehr an die harmonisierenden Regelungen der MwStSystRL gebunden ist. Die unmittelbaren Auswirkungen werden insbesondere für den Handel mit Waren und Dienstleistungen zwischen Unternehmen deutlich:
Einst steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 6a UStG werden nun zu Ausfuhrlieferungen nach § 6 UStG. Für diese gilt zwar auch die Umsatzsteuerbefreiung, zugleich treten aber strengere Nachweispflichten in Kraft.
Lieferungen von Großbritannien nach Deutschland gelten künftig nicht mehr als steuerfreie innergemeinschaftliche Erwerbe i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG, sondern müssen als Einfuhren deklariert und entsprechend mit Einfuhrumsatzsteuer und Zöllen belegt werden, sofern keine Befreiungsvorschrift greift.
Die Vereinfachungsregelung des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts gem. § 25b UStG greift nicht mehr bei Beteiligung Großbritanniens.
In verschiedenen Konstellationen könnte sich für britische Unternehmer die Pflicht zur umsatzsteuerlichen Registrierung in Deutschland ergeben, ebenso wie für deutsche Unternehmer die Registrierungspflicht in Großbritannien.
Die Unternehmereigenschaft eines in Großbritannien ansässigen Unternehmers kann nach dem „Brexit“ nicht mehr anhand der europäischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer überprüft werden. Hierfür wird künftig die Einholung anderer Nachweise, wie einer Bescheinigung der britischen Behörde, notwendig sein.
Fundstelle(n):
StuB 15/2016 Seite 3
XAAAF-79274