StuB Nr. 13 vom Seite 1

Neues Erbschaftsteuergesetz – gerade noch vor Toresschluss (?)

Dr. Andreas Rohde | DHPG Bonn

Bis Ende Juni sollte der Gesetzgeber nach der Vorgabe des BVerfG ein neues, verfassungsgemäßes Gesetz verabschieden. So steht es im Urteil vom . Seinerzeit schien die Frist hinreichend lang, zumal immer wieder verkündet wurde, das Gesetz werde schnell und nur punktuell geändert. Gelungen ist das nicht, und zwar weder in zeitlicher noch in inhaltlicher Hinsicht.

Der Bundestag hat am 24. 6., also innerhalb der gesetzten Frist, dem Gesetz zugestimmt, der Bundesrat soll dieses jedoch erst am 8. 7. tun (und damit am Erscheinungstag dieser Ausgabe). Die Zustimmung des Bundesrats ist fraglich. Nach dem Wortlaut soll das Gesetz rückwirkend zum in Kraft treten, um ein Besteuerungsvakuum zu vermeiden. Offen ist, ob diese (echte) Rückwirkung zulässig ist. In den vergangenen Wochen herrschte zudem insbesondere zwischen dem BMF und der Beraterschaft Uneinigkeit darüber, was passiert, wenn der Gesetzgeber nicht bis zum 30. 6. ein neues Gesetz verabschiedet. Während die Finanzverwaltung die Auffassung vertritt, aus der Entscheidung des BVerfG gehe hervor, dass das alte Recht weiter gelte, geht die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum davon aus, dass das Erbschaftsteuergesetz am 1. 7. außer Kraft tritt.

Selbst wenn die Gesetzesrückwirkung für aktiv vorgenommene Gestaltungen ab dem bis zur Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wegen mangelnden Vertrauensschutzes zulässig sein sollte, könnte dies für Sterbefälle im Übergangszeitraum anders sein. Hier wird abzuwarten sein, wie die Rechtsprechung mit entsprechenden Verfahren umgeht.

Inhaltlich haben sich im Vergleich zu den letzten Entwürfen noch wenige Änderungen ergeben. So sinkt die Grenze für die Anwendung des Lohnsummenkriteriums nicht auf drei, sondern auf fünf Mitarbeiter ab. Geblieben ist die wohl umstrittenste Neuregelung für die Behandlung von Großunternehmen. Hier gilt eine (nach wie vor zu niedrig angesetzte) erwerberbezogene, verfassungsrechtlich bedenkliche Freigrenze von 26 Mio €. Bei diesen Unternehmen soll entweder eine Bedürfnisprüfung unter (systemwidriger) Einbeziehung des Privatvermögens oder ein Abschmelzmodell zur Anwendung kommen. Kurz vor Schluss ins Gesetz gekommen ist die überfällige Änderung bei der Unternehmensbewertung. Das vereinfachte Bewertungsverfahren hat wegen des niedrigen Zinsniveaus zu erheblich überhöhten Unternehmenswerten geführt.

Das Gesetzgebungsverfahren unter Überstrapazierung der vom BVerfG gesetzten Frist ist kein Ruhmesblatt. Auch inhaltlich bleibt es trotz einiger Korrekturen zugunsten der übertragenen Unternehmen dabei, dass wohl wiederum keine Rechtssicherheit bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des neuen Gesetzes erreicht wird. Gesprochen wird schon von einem „Ritt auf der Rasierklinge der Verfassungswidrigkeit“. Für alle Beteiligten ist dieser (Dauer-)Zustand unerträglich, aber wohl nur durch eine strukturelle Änderung der Gesetzessystematik änderbar.

Andreas Rohde

Fundstelle(n):
StuB 13/2016 Seite 1
EAAAF-76833