Rechtliches Gehör: Nichtzulassungsbeschwerde bei unterlassener Rüge einer im Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts enthaltenen Gehörsverletzung
Leitsatz
Eine Revision ist nicht wegen eines Gehörsverstoßes zuzulassen, wenn es der Beschwerdeführer versäumt hat, den Verstoß im Rahmen der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme auf einen Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts zu rügen.
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 295 ZPO, § 522 Abs 2 S 2 ZPO
Instanzenzug: OLG Celle Az: 3 U 75/14vorgehend Az: 20 O 14/12
Gründe
1Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 3, § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
21. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf eine Verletzung seines Verfahrensgrundrechts aus § 103 Abs. 1 GG.
3a) Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht, so dass nicht zweifelhaft ist, dass sie auf eine Verfassungsbeschwerde hin der Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegen würde. Für die Zulassung wegen eines Rechtsfehlers sind deshalb die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Erfolg einer Verfassungsbeschwerde führen würden (, BGHZ 154, 288, 296 f; Beschluss vom - IX ZB 225/09, ZInsO 2010, 1156 Rn. 6).
4b) Soweit der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe in seinem Hinweisbeschluss sein Vorbringen übergangen, wonach es sich bei den Äußerungen der Steuerberater L. und M. zu der Wertentwicklung und der gewinnbringenden Wiederverkäuflichkeit des Anlageobjekts nicht um eine unverbindliche Prognose oder bloß werbende Anpreisung ohne verbindlichen Gehalt, sondern um eine verbindliche Zusicherung mit einem für die Anlageentscheidung verbindlichen Inhalt gehandelt habe, steht der Geltendmachung eines Gehörsverstoßes der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorwurfs, das Berufungsgericht habe eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen, indem es darauf verzichtet habe, die vom Kläger als Zeugin benannte Ehefrau zur Abgabe einer verbindlichen Zusicherung durch die Steuerberater zu hören. Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern ( aaO Rn. 7; BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; stRspr; vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., Vor § 128 Rn. 8a). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat ( aaO; BFH/NV 1993, 34; 1993, 422, 423; , WV Rn. 23 mwN; Zöller/Greger, § 295 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 295 Rn. 37; Prütting/Gehrlein/Deppenkemper, ZPO, 7. Aufl. § 295 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl. § 522 Rn. 87).
5Die Möglichkeit, auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Stellung zu nehmen, dient nach allgemeiner Auffassung dem Zweck, dem Berufungsführer das rechtliche Gehör zu gewähren (Hk-ZPO/Wöstmann, 6. Aufl., § 522 Rn. 14 f; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 4. Aufl., § 522 Rn. 28; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 22. Aufl., § 522 Rn. 60; Wieczorek/Schütze/Gerken, aaO; Zöller/Heßler, aaO § 522 Rn. 34). Diesem soll Gelegenheit gegeben werden, sich zu der vom Berufungsgericht beabsichtigten Zurückweisung seines Rechtsmittels zu äußern. Dieser Zweck der Vorschrift würde verfehlt, wenn man dem Berufungskläger die Wahl ließe, ob er eine Gehörsverletzung im Hinweisbeschluss innerhalb der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme oder erst in einem sich anschließenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren rügt. Dies würde der mit der Einführung des § 522 ZPO bezweckten Beschleunigung des Verfahrens zuwiderlaufen und die rechtskräftige Erledigung der Streitigkeit zulasten der in erster Instanz obsiegenden Partei verzögern (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 96 f).
6c) Im Streitfall hatte der Kläger nach Zustellung des Hinweisbeschlusses vom am bis zum Erlass des Zurückweisungsbeschlusses am mehr als zwei Wochen Zeit, um die vermeintlichen Gehörsverletzungen zu rügen. Von der ihm eingeräumten Stellungnahmefrist von zwei Wochen hat er keinen Gebrauch gemacht. Die Geltendmachung von Gehörsverstößen, auf denen die Zurückweisung der Berufung beruhen soll, im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren scheidet damit aus.
72. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Kayser Vill Lohmann
Pape Schoppmeyer
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:170316BIXZR211.14.0
Fundstelle(n):
NJW 2016 S. 9 Nr. 19
NJW-RR 2016 S. 699 Nr. 11
WM 2016 S. 2146 Nr. 44
ZIP 2016 S. 1360 Nr. 28
YAAAF-71965