Umfang der gerichtlichen Überprüfung der mündlichen Steuerberaterprüfung
Nachholung der Begründung der Prüfungsentscheidung im Überdenkungsverfahren
Maßgeblichkeit der Stimme des Prüfungsvorsitzenden für die Notengebung bei Stimmengleichheit der Prüfer
Leitsatz
1. Hat der Prüfer seine Beurteilung der Leistung des Prüflings in der mündlichen Prüfung im Zeitpunkt der Vornahme der Bewertung
der Prüfungsleistung nicht ausreichend begründet, so kann er seine Begründung im Überdenkungsverfahren und darüber hinaus
noch bis zum Abschluss des finanzgerichtlichen Rechtsschutzverfahrens ergänzen oder nachholen (vgl. ; ).
2. Die angefochtene Prüfungsentscheidung der mündlichen Steuerberaterprüfung kann gerichtlich nur begrenzt überprüft werden,
wobei zwischen Fachfragen und prüfungsspezifischen Wertungen zu unterscheiden ist. Während fachlich-wissenschaftliche Wertungen
(d. h. Fachfragen) nach den Beurteilungskriterien „richtig”, „falsch” oder „vertretbar” überprüfbar und damit justiziabel
sind, beruhen prüfungsspezifische Wertungen auf der eigenen Prüfungserfahrung des jeweiligen Prüfers und der unwiederholbaren
Prüfungssituation und sind Ausdruck des prüferischen Bewertungsspielraums. Mithin sind prüfungsspezifische Wertungen im gerichtlichen
Verfahren nicht rekonstruierbar und entziehen sich einer justiziellen Nachprüfung.
3. Wenn der Prüfling darauf abstellt, dass er für seinen Kurzvortrag den ihm eingeräumten Zeitrahmen von zehn Minuten optimal
ausgeschöpft habe, etliche Kriterien seines Vortrages, wie Aufbau des Themas, Darstellung, Auftreten und Körpersprache ausweislich
der Stellungnahmen der Prüfer im Überdenkungsverfahren jedoch bei der Leistungsbewertung unberücksichtigt geblieben seien,
trägt er insoweit keine Umstände vor, die einen Bewertungsfehler der Prüfer schlüssig begründen würden.
4. Die Stellungnahmen im Überdenkungsverfahren dienen dazu, die Überprüfung der bisherigen Leistungsbewertung durch die Prüfer
zu erläutern. Dies kann im Einzelfall den Prüfer dazu veranlassen, der naturgemäß positiven Darstellung der Prüfungsleistung
durch den Prüfling auch die vom Prüfer als Leistungsmängel erkannten Gesichtspunkte entgegen zu setzen, um die Prüfungsentscheidung
zu verdeutlichen. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, die Prüfer hätten grundsätzlich nur die Mängel der
Leistung berücksichtigt.
5. Im Verfahren der gerichtlichen Überprüfung von Prüfungsleistungen ist nicht maßgeblich, ob anstatt der getroffenen Bewertung
eine andere, für den Prüfling günstigere gleichermaßen vertretbar gewesen wäre. Nur eine fehlerhafte Ausübung des Beurteilungsspielraums
durch die Prüfer ist seitens des Senats überprüfbar.
6. Haben die sechs Prüfer in einem bestimmten Prüfungsabschnitt der mündlichen Prüfung jeweils zur Hälfte für eine bestimmte
Note bzw. für eine um 0,5 schlechtere Noten gestimmt, darf hieraus nicht das arithmetische Mittel gebildet werden, sondern
ist nach § 10 Abs. 2 Satz 2 DVStB die Stimme des Prüfungsvorsitzenden entscheidend.
7. Aus dem Umstand, dass den Prüfern die schriftlichen Vornoten und das Nichtbestehen in zwei früheren Steuerberaterprüfungen
bekannt sind, kann nicht auf eine Voreingenommenheit der Prüfer geschlossen werden.
Fundstelle(n): DStR 2016 S. 1631 Nr. 28 DStRE 2017 S. 254 Nr. 4 EFG 2016 S. 769 Nr. 9 GAAAF-71744
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