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Grundlagen - Stand: 26.03.2020

Jahresabschlussanalyse 11: Zusammenfassendes Bonitätsurteil, Rating

Prof. Dr. Mathias Graumann

In zwölf Grundlagen-Beiträgen werden anhand eines durchgängigen Fallbeispiels Ideen, Methoden, praktische Umsetzung sowie die besonders wichtige Interpretation der Kennzahlen praxisnah erläutert.

1. Rating-Begriff und Rating-Ziele

915Der Rating-Begriff leitet sich aus dem englischen Verb „to rate“ ab und bedeutet „einschätzen“ oder „bewerten“. Ratings sind demnach Instrumente, die der Klassifizierung von juristischen Personen (z. B. Unternehmen) oder natürlichen Personen (z. B. Privathaushalten) in eine bestimmte Rangordnung anhand bestimmter Merkmalsausprägungen dienen. Relevante Merkmale stellen vor dem Hintergrund des Erkenntnisziels „Bonität“ bzw. „Kreditwürdigkeit“ vor allem die Finanz- und Erfolgslage auf Basis quantitativer und qualitativer Unternehmensbeurteilungen dar.

916Der Begriff „Rating“ bezeichnet sowohl das Verfahren als auch das Bewertungsergebnis. Letz­teres verdichtet die Vielfalt der für die Einschätzung der Bonität eines Schuldners notwendigen Aspekte zu einer einzigen integrierenden Kennzahl, dem Rating-Symbol.


Tabelle in neuem Fenster öffnen

ABB. 121: Rating-Klassen

Moody`s
Standard
& Poors
(S&P)
Bonitätseinstufung
Idealisierte Ausfallquote in % (S&P)
Aaa
AAA
Sehr gut:
Höchste Bonität, praktisch kein Ausfallrisiko
0,01
Aa1
Aa2
Aa3
AA+
AA
AA−
Sehr gut bis gut:
Hohe Zahlungswahrscheinlichkeit, geringes Insolvenzrisiko
0,02
0,03
0,04
A1
A2
A3
A+
A
A−
Gut bis befriedigend:
Angemessene Deckung von Zins und Tilgung, aber auch Vorhandensein von Risikoelementen, die sich bei einer Veränderung der wirtschaftlichen Lage negativ auswirken können
0,05
0,07
0,09
Baa1
Baa2
Baa3
BBB+
BBB
BBB−
Befriedigend:
Angemessene Deckung von Zins und Tilgung, aber auch spekulative Elemente oder mangelnder Schutz gegen wirtschaftliche Veränderung
0,13
0,22
0,39
Ba1
Ba2
Ba3
BB+
BB
BB−
Ausreichend:
Mäßige Deckung von Zins und Tilgung, auch in gutem wirtschaftlichen Umfeld
0,67
1,17
2,03
B1
B2
B3
B+
B
B−
Mangelhaft:
Geringe Sicherung von Zins und Tilgung, hohes Risiko, Zahlungsausfall möglich
3,51
6,08
10,54
Caa
(1-3)
Ca
CCC (+/-)
CC
C
Ungenügend:
Niedrigste Qualität, geringster Anlegerschutz, akute Gefahr eines Zahlungsverzugs oder -ausfalls
18,27
C
SD/D
Zahlungsunfähig

917Das Rating soll ermöglichen, Sachverhalte oder Objekte durch ein einziges Symbol darzustellen und zu kommunizieren, sodass die Rating-Ergebnisse interpretierbar sowie untereinander vergleichbar werden und eine Orientierungsgröße für Investoren, Banken und Unternehmen bilden. Im Hinblick auf die Vielzahl verfügbarer Informationen erfüllt das Rating somit insbesondere eine Verdichtungsfunktion. Ziele des Ratings sind mithin

  • die Bestimmung von Schuldnerbonitäten und Ausfallwahrscheinlichkeiten,

  • die Kategorisierung und Minimierung von Risiken, insbesondere der Kreditrisiken,

  • der Aufbau von Datenhistorien und die Analyse von Änderungsprozessen (upgrade, down­grade) in Bezug auf die Bonitäten (sog. Migrationsmodelle).

918Das Ziel des Ratings im Sinne einer Bonitätsanalyse besteht also darin, alle bedeutenden Leistungs- und Funktionsbereiche des Unternehmens im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage und deren voraussichtliche Entwicklung zu analysieren, um jene betrieblichen Risiken aufzudecken, die die Bonität beeinträchtigen können.

919In moderne Rating-Verfahren fließen sowohl qualitative als auch quantitative Aspekte ein. Traditionelle Rating-Verfahren sind dagegen stark jahresabschlussorientiert und beziehen die Qualität des Managements nicht in die Beurteilung ein.

920In Abhängigkeit von der Institution, die das Rating durchführt, werden unterschieden:

  • Externe Ratings werden auf Initiative des analysierten (zu „ratenden“) Unternehmens durch eine externe Instanz (die Rating-Agentur) erstellt. Aufgrund der Spezialisierung der Rating-Agenturen kommen nicht nur komplizierte mathematisch-statistische Verfahren zur Anwendung, es ist auch die Ermittlung von Branchenvergleichswerten oder Benchmarks möglich. Individuell gewachsene Anschauungen über Unternehmensinterna fehlen jedoch zumeist.

  • Interne Ratings werden von der kreditgebenden Institution selbst durchgeführt. Diese sind zwar statistisch weniger fundiert, es werden jedoch profunde individuelle Kenntnisse des Kreditgebers über den Kreditnehmer in das Bonitätsurteil einbezogen.

921In den USA ist aufgrund der hohen Bedeutung der Kapitalakquisition an Wertpapiermärkten das externe Rating weit verbreitet. Die prominentesten Rating-Agenturen sind Standard & Poor's, Moody's Investors Service sowie Fitch Ratings. In Deutschland überwiegt bislang die Finanzierung mit Fremdkapital durch Kreditinstitute (Hausbankenprinzip). Auch aufgrund der mit einem externen Rating verbundenen hohen Kosten wird das Rating zumeist durch die kreditgebende Bank durchgeführt, also im Wege eines internen Ratings.

Hinweis:

In Zusammenhang mit der „Basel II-Problematik“ (vgl. hierzu die grundlegenden Ausführungen in Kapitel I) kommt dem Rating eine zentrale Bedeutung zu. Wie ausgeführt wurde, bleiben das externe und das interne Rating gleichberechtigt nebeneinander zulässig.

922Die externen Ratings der Agenturen werden dabei von den Kreditinstituten der Unternehmen häufig als Benchmarks zu ihren eigenen, internen Ratings verwendet und erfüllen somit eine Doppelsicherungsfunktion.

923Ratings werden überblickend unter Anwendung folgender Methoden vorgenommen:

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