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Grundlagen - Stand: 03.12.2023

Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden wegen rückwirkender Ereignisse

Alexander v. Wedelstädt

I. Definition

Steuerbescheide und ihnen gleichgestellte Bescheide wie Feststellungs-, Steuermess- und Kindergeldbescheide sind nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).

Die Vorschrift trägt der Situation Rechnung, dass einer Steuerfestsetzung zunächst ein Sachverhalt zugrunde gelegt wird, der durch ein späteres rückwirkendes Ereignis derart beeinflusst wird, dass seine steuerrechtliche Wertung sich gegenüber der in der Steuerfestsetzung eingenommenen nachträglich verändert.

  • Die Steuerfestsetzung war in diesen Fällen zunächst rechtmäßig, ist aber durch das rückwirkende Ereignis (nachträglich) rechtswidrig geworden.

  • Darin liegt der Unterschied zu den Anwendungsfällen des § 173 AO, in denen der Steuerbescheid von Anfang an deshalb nicht rechtmäßig ist, weil ein steuerlich erheblicher Sachverhalt mangels Kenntnis des Finanzamts steuerlich nicht mit erfasst wurde und der Steuerbescheid deshalb fehlerhaft ist. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO und § 173 Abs. 1 AO schließen einander aus.

Nach Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO ist für eine Übergangszeit die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe als rückwirkendes Ereignis zu sehen und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO entsprechend anzuwenden, wenn eine Lebenspartnerschaft bis zum in eine Ehe umgewandelt wurde. Das gilt nur, wenn die Ehegatten bis zum den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zur nachträglichen Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender und seither nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben.

§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ist eine reine Verfahrensvorschrift; ob ein Ereignis steuerliche Wirkung in die Vergangenheit hat, bestimmt sich allein nach dem einschlägigen materiellen Steuerrecht und kann nur den Einzelsteuergesetzen entnommen werden.

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO greift auch, wenn der Sachverhalt, auf den sich das Ereignis auswirkt, im Ausgangsbescheid nicht berücksichtigt war.

1. Allgemein

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist auf Steuerbescheide und ihnen gleichgestellte Bescheide sowie auf Steuerbescheide anwendbar, die Steuerbescheide ändern.

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist auch auf Kindergeldbescheide anwendbar, da das Kindergeld nach § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung gezahlt wird und auf die Festsetzung von Steuervergütungen die Vorschriften über die Steuerfestsetzung entsprechend anzuwenden sind (§ 155 Abs. 4 AO; ; mit Beispielen).

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist auf Bescheide über Einfuhr- und Ausfuhrabgaben i. S. d. Art. 4 Nr. 10 und 11 ZK bzw. ab Art. 4 Nr. 20 und 21 UZK sowie Verbrauchsteuern nicht anwendbar, weil § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO auf „andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodex bzw. ab Art. 4 Nr. 20 und 21 UZK oder Verbrauchsteuern" verweist.

Die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO setzt voraus, dass der zu ändernde Steuerbescheid rechtswidrig ist.

Der aufzuhebende oder zu ändernde Steuerbescheid muss wirksam sein.

Im Übrigen wird wegen weiterer gemeinsamer Regelungen zur Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden auf den infoCenter-Beitrag das Stichwort „Korrektur von Steuerverwaltungsakten” unter II. 3. und wegen der Anwendung der Vorschrift während und nach Rechtsbehelfsverfahren auf das Stichwort „Korrektur von Steuerverwaltungsakten” unter III. verwiesen.

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