PiR Nr. 11 vom Seite 1

Verlässliche Schätzung der goodwill-Nutzungsdauer

WP/StB Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann | Herausgeber | pir-redaktion@nwb.de

Im von Stephan Rohleder und Martin Tettenborn geht es um den bilanziellen Dauerbrenner der goodwill-Bilanzierung, insbesondere hinsichtlich der Folgebewertung nach Ersterfassung. Der goodwill selbst ist kaum definierbar. Am ehesten trifft ihn die Umschreibung als Restwert, also der Wert, der sich rechnerisch ergibt, wenn man im Rahmen eines Unternehmenserwerbs – also derivativ – alle erworbenen Vermögensgegenstände und Schulden individuell bewertet hat. Bis dahin ist die Bilanzierbarkeit nach HGB und IFRS unproblematisch und identisch; das beiderlei gültige Anschaffungskostenprinzip liefert eine eindeutige Berechnungsgrundlage.

Viel schwieriger wird es bei der Folgebewertung, wenn also die Nutzungsdauer aus einem solchen erworbenen goodwill zu bestimmen ist. Das stellt zwar kein Spezifikum der individuellen Bewertung dar, denn auch andere Vermögensgegenstände des abnutzbaren Anlagevermögens müssen hinsichtlich der Nutzungsdauer geschätzt werden. Ob eine solche Schätzung immer verlässlich ist, mag man bezweifeln, z. B. bei einem Fabrikgebäude.

Allerdings wird beim goodwill diese Verlässlichkeit noch viel eher angezweifelt oder sogar als gänzlich unmöglich betrachtet. Der IASB und der FASB haben daraus die Konsequenz des impairment only approach gezogen, u. a. mit der sachlichen Begründung einer unmöglich verlässlichen Schätzbarkeit. Dabei mögen auch die intensiv vorgetragenen Wünsche der Lobby von Großkonzernen eine maßgebliche Rolle gespielt haben, wenn diese ihre Ergebnisrechnung nicht durch die Abschreibung immenser goodwills verwässert sehen wollten. Jedenfalls braucht man sich über die verlässliche Schätzung einer Nutzungsdauer jetzt nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Diesen Vorteil liefern die beiden Standards allerdings nicht umsonst – im Gegenteil. Jährlich oder aus besonderem Anlass muss ein impairment-Test für den goodwill durchgeführt werden. Die Berechnungsvorgaben sind ausgesprochen detailliert, um nicht zu sagen kompliziert, eröffnen gleichwohl bei der Auswahl der Parameter die aus Sicht des Managements gewünschten Ermessensspielräume, die bekanntermaßen von einem neu installierten Management bzw. Vorstandsvorsitzenden gerne zur „Bereinigung der Bilanz“ ausgeübt werden.

Der Verzicht auf die planmäßige Abschreibung wird seit Einführung des impairment only approach gerade im deutschen Schrifttum massiv kritisiert, entsprechend hat die HGB-Rechnungslegung an der planmäßigen Abschreibung eines goodwills immer festgehalten. Wenigstens bis zur Einführung des BilMoG hat die steuerliche Vorgabe einer 15jährigen Nutzungsdauer auch handelsrechtlich weitgehend Anklang gefunden. Damit hat nun allerdings das BilRUG im neugefassten § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB aufgeräumt; nun soll eine pauschalierte Nutzungsdauer von zehn Jahren angenommen werden – sofern eine verlässliche Ermittlung der Nutzungsdauer nicht möglich ist. Eine solche von der Pauschalvorgabe abweichende Verlässlichkeit einer Schätzung wird wohl eher selten möglich sein. Aber jedenfalls ist der Fluchtweg des impairment only handelsrechtlich verbaut. Die Kehrseite dieser pauschalierten Bewertungsvorgabe stellt der zurückgefahrene Druck auf die Prüfung einer außerplanmäßigen Abschreibung dar mit der vagen Begründung: Was sollen wir uns mit schwierigen Bewertungsproblemen herumschlagen, wenn nach einer Reihe von Jahren das Problem schon rechnerisch aus der Welt geschaffen ist?

Beste Grüße

Wolf-Dieter Hoffmann

Fundstelle(n):
PiR 11/2015 Seite 1
NWB FAAAF-07296