Leitsatz
Leitsatz:
1. Im Revisionsverfahren ergeht ein Anerkenntnisurteil nur auf gesonderten Antrag des Klägers.
2. Die Abgabepflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG 2004 ist nicht verletzt, wenn ein Anlagebetreiber bis zum 30. April eines Jahres eine Anzahl von Berechtigungen abgegeben hat, die den im geprüften Emissionsbericht angegebenen Emissionen des Vorjahres entspricht; das gilt auch dann, wenn die zuständige Behörde nach diesem Zeitpunkt feststellt, dass die Gesamtmenge der Emissionen im geprüften Emissionsbericht zu niedrig angegeben worden ist. Eine Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG 2004 darf in einem solchen Fall nicht festgesetzt werden.
Gesetze: VwGO § 140 Abs. 1 Satz 2; § 173 Satz 1; ZPO §§ 307; 555 Abs. 3; TEHG 2004 §§ 5; 6 Abs. 1; §§ 17; 18; TEHG 2011 § 30 Abs. 1 Satz 3; § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5; RL 2003/87/EG Art. 16 Abs. 3 und 4
Instanzenzug:
Gründe
I
1Die Klägerin wendet sich gegen die Auferlegung einer Zahlungspflicht auf der Grundlage von § 18 des Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen vom (BGBl. I S. 1578 - im Folgenden: TEHG).
2Die Klägerin betrieb bis zur Stilllegung im März 2008 eine Zuckerfabrik. Zu der Anlage gehörte ein emissionshandelspflichtiger Dampferzeuger. Einen Teil des erzeugten Heißdampfes nutzte sie in der betriebseigenen Trocknungsanlage zur thermischen Trocknung von Rübenschnitzeln.
3Nach Einführung des Emissionshandels teilte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit dem Verein der Zuckerindustrie auf dessen Anfrage in einem Schreiben vom mit, dass Trocknungsanlagen als zum Betrieb notwendige Anlagenbestandteile der Zuckerindustrie nicht dem Emissionshandel unterlägen. Ein im Verbund mit einer Anlage zur Herstellung oder Raffination von Zucker als Nebeneinrichtung betriebenes Kesselhaus zur Dampf- und Stromerzeugung sei hingegen emissionshandelspflichtig, wenn der Schwellenwert der Feuerungswärmeleistung überschritten sei.
4Die Klägerin erstellte für das Jahr 2005 einen Emissionsbericht. Der Bericht wies für den Dampferzeuger Gesamtemissionen in Höhe von 40 288 t Kohlendioxid aus. Diese Menge umfasste nicht die Emissionen, die für den Betrieb der Trocknungsanlage genutzt worden waren. Eine sachverständige Stelle prüfte den Bericht, bewertete ihn als zufriedenstellend und erklärte ihr Einverständnis mit der Eintragung der ausgewiesenen Emissionen im Register. Der Bericht wurde über die zuständige Landesbehörde am an die Beklagte weitergeleitet. Zum gab die Klägerin eine dem Bericht entsprechende Anzahl von Emissionsberechtigungen an die Beklagte ab.
5Nach dem maßgebenden Abgabezeitpunkt prüfte die Beklagte den Emissionsbericht. Sie forderte die Klägerin zur Nachbesserung des Berichts u.a. hinsichtlich der Zuordnung der Brennstoffströme zu den verschiedenen Anlagenteilen auf und hörte sie zur Festsetzung einer Zahlungspflicht an. Die Klägerin machte geltend, sie sei aufgrund des Schreibens des Ministeriums der Auffassung gewesen, dass Trocknungsanlagen nicht emissionshandelspflichtig seien und deshalb auch die für sie verwendeten Emissionen eines Dampferzeugers nicht berichtet werden müssten. Sie korrigierte ihren Emissionsbericht um die auf die Trocknungsanlage entfallenden Emissionen auf Gesamtemissionen in Höhe von 42 961 t Kohlendioxid und gab am weitere 2 673 Berechtigungen ab.
6Die Beklagte setzte mit Bescheid vom eine Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG in Höhe von 106 920 € fest. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom zurück.
7Das Verwaltungsgericht hob die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom auf. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin ihre Abgabepflicht aus § 6 Abs. 1 TEHG nicht verletzt habe. Sie habe fristgerecht eine ihrem Emissionsbericht entsprechende Anzahl von Berechtigungen abgegeben. Die Abgabepflicht werde durch den geprüften Emissionsbericht konkretisiert.
8Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG und von Art. 16 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. L 275 S. 32 - im Folgenden: EH-RL). Maßgebend für die Abgabepflicht sei nicht die im geprüften Emissionsbericht angegebene Emissionsmenge, sondern diejenige, die sich bei richtiger Anwendung der Ermittlungsvorschriften ergebe.
9Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom beantragt,
die Urteile des Verwaltungsgerichts Berlin vom und des Oberverwaltungsgerichts BerlinBrandenburg vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
10Die Klägerin hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
11Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom - 7 C 37.11 - das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Klärung einer Frage zur Auslegung der EH-RL im Wege der Vorabent scheidung gemäß Art. 267 AEUV gebeten. Der - über die Vorlage entschieden.
12Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom die Revision zurückgenommen. Außerdem hat sie den Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der Festsetzung der Zahlungspflicht in dem mit ihrer Klage angegriffenen Sanktionsbescheid anerkannt. Die Klägerin hat der Rücknahme der Revision widersprochen.
II
13Im Einverständnis der Beteiligten kann der Senat ohne erneute mündliche Verhandlung über die Revision entscheiden (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
14Das Revisionsverfahren ist nicht durch die von der Beklagten erklärte Rücknahme der Revision beendet. Nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung kann die Revision nur mit Einwilligung des Revisionsbeklagten zurückgenommen werden (§ 140 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Klägerin und Revisionsbeklagte hat in die Rücknahme der Revision nicht eingewilligt.
15Die Revision ist auch nicht bereits deshalb ohne Sachprüfung zurückzuweisen, weil die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der Festsetzung der Zahlungspflicht im angegriffenen Sanktionsbescheid anerkannt hat. Ob im Anfechtungsprozess überhaupt ein Anerkenntnisurteil (§ 307 ZPO) ergehen kann (verneinend 3 C 6.80 - BVerwGE 62, 18 <19>), kann offen bleiben. Im Revisionsverfahren ergeht ein Anerkenntnisurteil nur auf gesonderten Antrag des Klägers (§ 555 Abs. 3 ZPO). Erklärt der Beklagte erst in der Revisionsinstanz ein Anerkenntnis, kann der Kläger wählen, ob der Rechtsstreit durch Anerkenntnisurteil oder durch streitiges Urteil mit Begründung beendet wird (BT-Drs. 17/13948 S. 35). Das durch Art. 1 Nr. 18 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom (BGBl. I S. 3786) als § 555 Abs. 3 ZPO in die Zivilprozessordnung eingefügte Antragserfordernis ist gemäß § 173 Satz 1 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden. Es schützt - ebenso wie der Einwilligungsvorbehalt für die Rücknahme der Revision (§ 140 Abs. 1 Satz 2 VwGO) - das Interesse des Revisionsbeklagten an einer begründeten Sachentscheidung des Revisionsgerichts (vgl. Neumann, in: Sodann/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 140 Rn. 21; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 140 Rn. 4; Heßler, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 555 Rn. 8).
16Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts zu Recht zurückgewiesen; das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts. Die angefochtenen Bescheide sind, soweit eine Zahlungspflicht in Höhe von 106 920 € festgesetzt wird, rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17Die Voraussetzungen des als Rechtsgrundlage der Zahlungspflicht allein in Betracht kommenden § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG sind nicht erfüllt. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG kann die zuständige Behörde eine Zahlungspflicht nur festsetzen, wenn der Verantwortliche seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG nicht nachkommt. Gemäß § 6 Abs. 1 TEHG hat der Verantwortliche bis zum 30. April eines Jahres, erstmals im Jahr 2006, eine Anzahl von Berechtigungen an die zuständige Behörde abzugeben, die den durch seine Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspricht. Diese Pflicht ist nicht verletzt, wenn ein Anlagebetreiber bis zum 30. April eines Jahres eine Anzahl von Berechtigungen abgegeben hat, die den im geprüften Emissionsbericht angegebenen Emissionen entspricht; das gilt auch dann, wenn die zuständige Behörde nach diesem Zeitpunkt feststellt, dass die Gesamtmenge der Emissionen im geprüften Emissionsbericht zu niedrig angegeben worden ist. In einem solchen Fall ist der Betreiber gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 TEHG 2004 verpflichtet, die fehlenden Berechtigungen bis zum 30. April des Folgejahres abzugeben; die bis zum 30. April des Vorjahres zu erfüllende Abgabepflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG hat er nicht verletzt. Auch die Voraussetzungen für die Festsetzung der Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG sind damit nicht erfüllt.
18Der Senat hat dieses Auslegungsergebnis bereits in seinem Beschluss vom - 7 C 37.11 - Rn. 16 bis 22 wie folgt begründet:
"§ 6 Abs. 1 TEHG knüpft ebenso wie § 5 Abs. 1 TEHG an die "verursachten" Emissionen an. Dieser Begriff spricht allerdings eher dafür, die Emissionen unabhängig vom Emissionsbericht allein nach den Vorschriften über die Emissionsermittlung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang 2 TEHG) zu bestimmen. Der Wortlaut des Gesetzes steht dem vom Senat für richtig gehaltenen Abstellen auf den geprüften Emissionsbericht jedoch nicht entgegen. Emissionsermittlung und Emissionsberichterstattung bilden eine Einheit. Sie sind sowohl im TEHG (§ 5 Abs. 1) als auch in der EH-RL (Art. 14) in einer Vorschrift geregelt. Auch der Sache nach lassen sie sich nicht trennen. Das Ergebnis der Emissionsermittlung ergibt sich nicht unmittelbar aus den einschlägigen Vorschriften. Es muss auf der Grundlage dieser Vorschriften durch Mess- und Rechenvorgänge ermittelt, im Emissionsbericht dokumentiert und anschließend von einer sachverständigen Stelle geprüft werden. Erst aus dem Ergebnis dieses Verfahrens ergibt sich, wie viele Berechtigungen der Anlagenbetreiber abzugeben hat. Maßgebend für die Abgabepflicht muss das im gesetzlichen Abgabezeitpunkt vorliegende Verfahrensergebnis sein; rückwirkend kann der Anlagenbetreiber die Abgabepflicht nicht erfüllen.
Für eine Konkretisierung der Abgabepflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG durch die geprüften Emissionen spricht zudem, dass nach der Konzeption des TEHG nicht die zuständige Behörde - das Umweltbundesamt -, sondern die sachverständige Stelle die maßgebliche prüfende Instanz ist. Die sachverständige Stelle muss vom Betreiber unabhängig sein, ihre Aufgabe professionell und objektiv ausführen und mit den einschlägigen Vorschriften vertraut sein (§ 5 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Anhang 4 TEHG; Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Anhang V Nr. 12 EH-RL). Nur sie hat die Aufgabe, alle Angaben des Betreibers einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen. Die zuständige Landesbehörde, bei der der Emissionsbericht und der Bericht über die Prüfung einzureichen sind, hat die Berichte vor der Weiterleitung an das Umweltbundesamt nur stichprobenartig zu überprüfen (§ 5 Abs. 4 TEHG). Wie das Umweltbundesamt mit den Emissionsberichten zu verfahren hat, ist im TEHG nicht ausdrücklich geregelt. Aus § 5 Abs. 4, § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2 Satz 1 TEHG ergibt sich, dass das Umweltbundesamt berechtigt ist, die geprüften Emissionsberichte noch einmal zu prüfen; verpflichtet ist es hierzu nicht. Die Prüfung durch die sachverständige Stelle erhält zudem einen besonderen Stellenwert dadurch, dass die von ihr bestätigten Jahresemissionen direkt in die "Tabelle der geprüften Emissionen" des Emissionshandelsregisters eingetragen werden. Ausgehend hiervon hat auch die Beklagte in ihrer Prüfungsrichtlinie zur Verifizierung von Zuteilungsanträgen und Emissionsberichten vom (S. 11) dargelegt, dass grundsätzlich der von der sachverständigen Stelle bestätigte Wert die Abgabeverpflichtung des Betreibers nach § 6 Abs. 1 TEHG bestimmt.
Schließlich sprechen auch die systematische Trennung der Berichts- und der Abgabepflicht in verschiedenen Abschnitten des Gesetzes und die Schaffung je eigener Sanktionen zur Durchsetzung der Berichtspflicht einerseits (§ 17 TEHG) und zur Durchsetzung der Abgabepflicht andererseits (§ 18 TEHG) gegen eine Auslegung, die jeden Fehler bei der Berichterstattung zugleich als Verletzung der Abgabepflicht begreift.
Der Senat verkennt nicht, dass auch die Gegenauffassung gewichtige Argumente auf ihrer Seite hat. Werden Berichtsfehler nicht mit der Zahlungspflicht belegt, bleibt als Sanktion nur die Kontensperre mit ihrer bloß vorübergehenden Wirkung; die Verhängung eines Bußgeldes ist mangels eines entsprechenden Bußgeldtatbestandes nicht möglich. Bei der Neufassung der Sanktionsvorschriften für die dritte Handelsperiode im Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen vom (BGBl. I S. 1475 - TEHG 2011) hat der Gesetzgeber nunmehr die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Berichtspflicht mit einem Bußgeld bewehrt (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 TEHG 2011). Die zuständige Behörde soll jedoch von einer Ahndung als Ordnungswidrigkeit absehen, wenn der Betreiber infolge des nicht richtigen Berichts gegen die Abgabepflicht verstößt und deswegen eine Zahlungspflicht festgesetzt wird (§ 32 Abs. 5 TEHG 2011). Der Gesetzgeber ist mithin davon ausgegangen, dass auch Berichtsfehler durch die Zahlungspflicht sanktioniert werden (vgl. BT-Drs. 17/5296 S. 56). Dies soll allerdings nur innerhalb eines Jahres ab dem Pflichtenverstoß zulässig sein (§ 30 Abs. 1 Satz 3 TEHG 2011). Sichere Rückschlüsse auf die Auslegung des TEHG ergeben sich aus der neuen Rechtslage nicht; auch die Begründung des damaligen Gesetzentwurfs war nicht bereits im Sinne der Neuregelung eindeutig (vgl. BT-Drs. 15/2328 S. 11, 15, 16). Die Vorschriften des TEHG über die Schätzung (§ 18 Abs. 2 Satz 2 und 3 TEHG) und der Vorrang von "Maßnahmen nach den §§ 17 und 18" vor nachträglichen Anordnungen auf der Grundlage von § 17 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bei Berichtsfehlern (§ 4 Abs. 8 TEHG) sprechen allerdings ebenfalls eher für die Gegenauffassung.
Das TEHG selbst ist mithin für beide Auslegungen offen. Vorbehaltlich des Unionsrechts sind für den Senat verfassungsrechtliche Erwägungen ausschlaggebend. Er hält es für äußerst zweifelhaft, ob es mit dem bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar wäre, auch auf Berichtsfehlern beruhende Minderabgaben, die die zuständige Behörde erst nach dem maßgebenden Abgabezeitpunkt feststellt, durch die Auferlegung der Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 TEHG zu sanktionieren. Ziel der Sanktion wäre dann nicht nur die Durchsetzung der Pflicht, die Berechtigungen für die geprüften Emissionen rechtzeitig abzugeben, sondern auch der Pflicht, die Emissionen in Übereinstimmung mit den hierfür bestehenden Vorschriften zu ermitteln und zu berichten. Die Zahlungspflicht wäre zwar geeignet, die Betreiber auch insoweit zu besonderer Sorgfalt anzuhalten. Eine Sanktion, die die Gründe für den Fehler bei der Emissionsermittlung- und -berichterstattung berücksichtigt, würde die Betreiber weniger belasten, aber auch eine geringere Steuerungswirkung erzielen. Die Belastungen der Betreiber dürften jedoch zu den zu erzielenden Verbesserungen bei der Emissionsermittlung außer Verhältnis stehen. Auch ein sorgfältiger Betreiber kann Fehler bei der Emissionsermittlung nicht völlig ausschließen. Die Anforderungen an die Emissionsermittlung sind komplex. Das Monitoring-Konzept, das der Betreiber für jede Anlage zu erstellen hat, konkretisiert diese Anforderungen zwar. Vor dem Urteil des Senats vom (7 C 10.09 - Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 44 = ZUR 2010, 380 und [...]) haben sich die Behörden einiger Bundesländer aber nicht für verpflichtet gehalten, die Monitoring-Konzepte zu genehmigen. Auch im vorliegenden Fall hatte die Landesbehörde lediglich den Eingang des Monitoring-Konzepts bestätigt. Im Übrigen kann es auch beim Vollzug des Monitoring-Konzepts zu Fehlern, insbesondere zu Schreib-, Rechen- und Übertragungsfehlern, und zu im Monitoring-Konzept nicht vorhergesehenen Situationen kommen. Auch derartige Fälle sind beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Ein "Clearing-Verfahren" zur Beseitigung von Unsicherheiten bei der Emissionsermittlung ist weder im TEHG noch in den Richtlinien der Beklagten vorgesehen. Ob ein Betreiber vorsorglich mehr Berechtigungen als für die geprüften Emissionen erforderlich abgeben und auf diese Weise das Sanktionsrisiko abwenden kann, kann dahingestellt bleiben. Eine normative Grundlage gibt es hierfür nicht. Jedenfalls in der ersten Handelsperiode konnte sich auch noch nicht eine entsprechende Praxis entwickelt haben, an der sich die Betreiber hätten orientieren können. Die starre Sanktion ist auch in ihrer für die erste Handelsperiode herabgesetzten Höhe von 40 € hart; es geht um einzelne, auch von der sachverständigen Stelle nicht als solche erkannte oder nicht beanstandete Fehler in einem ansonsten sorgfältig erstellten Bericht. Der Vorbehalt höherer Gewalt rechtfertigt nur unter ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen, von der Festsetzung der Zahlungspflicht abzusehen ( a.a.O. Rn. 31). Den dargelegten Schwierigkeiten bei der Emissionsermittlung sind aber alle Betreiber ausgesetzt.
Demgegenüber ist der Beitrag, den die Zahlungspflicht zu einer verlässlichen Emissionsermittlung leisten kann, eher gering. Die in das Register eingetragenen Emissionen haben bereits aufgrund der systematischen, im jeweiligen Monitoring-Konzept festgelegten Eigenüberwachung und der hierauf aufbauenden umfassenden Kontrolle durch eine vom Betreiber unabhängige sachverständige Stelle eine hohe Richtigkeitsgewähr. Eine weitere systematische Kontrolle der Emissionsberichte ist deshalb weder im TEHG noch in der EH-RL vorgesehen. Aufgrund der Prüfung durch eine sachverständige Stelle ist die Emissionsermittlung auch wenig manipulationsanfällig. Im Übrigen ist die Festsetzung der starren Zahlungspflicht - vorbehaltlich des Unionsrechts - nicht die einzig mögliche Sanktion für Emissionsermittlungs- und Berichtsfehler. Der Gesetzgeber hätte bereits für die erste und zweite Handelsperiode eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit vorsehen können.
In jedem Fall ist das Verhältnis von Eingriffszweck zu Eingriffsfolgen bei der Durchsetzung der Emissionsermittlungs- und -berichtspflichten deutlich ungünstiger als bei der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe der Berechtigungen. Die Abgabefrist einzuhalten, ist einfach. Ein sorgfältiger Betreiber kann die Auferlegung einer Zahlungspflicht wegen Versäumung der Abgabefrist sicher vermeiden. Ein Betreiber kann jedoch verleitet sein, auf die Entwicklung der Zertifikatpreise zu spekulieren und die Abgabe der Zertifikate bewusst zu verzögern. Einer externen Kontrolle unterliegt er in diesem Stadium des Verfahrens nicht mehr. Um derartigen Manipulationen oder jedenfalls klaren Sorgfaltsmängeln entgegenzuwirken, ist die Zahlungspflicht ein effektives Instrument. Fehler in bereits geprüften Emissionsberichten sind demgegenüber - wie dargelegt - weniger klar und deutlich schwerer zu vermeiden. Manipulationen sind - wie das dem Senat vorliegende weitere Fallmaterial bestätigt - äußerst unwahrscheinlich."
19Durch die Entscheidung des EuGH ist geklärt, dass diese Auslegung des nationalen Rechts mit Unionsrecht nicht nur vereinbar, sondern durch Art. 16 Abs. 3 EH-RL unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sogar geboten ist ( [ECLI:EU:C:2015:287], Nordzucker AG - Rn. 41). Auch Art. 16 Abs. 3 EH-RL ist dahin auszulegen, dass er auf einen Betreiber, der eine Anzahl von Zertifikaten abgegeben hat, die den Emissionen von Treibhausgasen im Vorjahr entspricht, wie sie gemäß Art. 15 EH-RL gemeldet und geprüft worden sind, keine Anwendung findet, wenn sich nach einer zusätzlichen von der zuständigen nationalen Behörde nach Ablauf der Abgabefrist durchgeführten Prüfung herausstellt, dass diese Emissionen als zu gering ausgewiesen wurden, so dass die Anzahl der abgegebenen Zertifikate nicht ausreicht.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 106 920 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3 GKG).
Fundstelle(n):
UAAAF-05081