BVerwG Urteil v. - 6 B 40.07

Instanzenzug:

Gründe:

1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.

a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann.

aa) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO folgt nicht schon daraus, dass das Verwaltungsgericht die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Das ergibt sich schon aus dem unterschiedlichen Prüfungsrahmen von Oberverwaltungsgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht, das Fragen des revisiblen Rechts zu klären hat.

bb) Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, "ob angesichts der durch den Bund verstärkt propagierten Instrumente der privaten Altersvorsorge, zunehmend steigender Beitragssätze in den öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtungen, einer abnehmenden Zahl von neuen Beitragspflichtigen, der generellen Pfändbarkeit der Versorgungsanwartschaften gegenüber den weitgehend unpfändbaren privaten Rentenanwartschaften, einer unzeitgemäßen und im Vergleich zur privaten Vorsorge nachteiligen Ausgestaltung von Hinterbliebenenrente und Berufsunfähigkeitsrente die mit der Zwangsmitgliedschaft verbundenen Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1, sowie in Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG noch zu rechtfertigen sind."

Diese Frage kann nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen.

Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten beruht nach den Darlegungen des Berufungsgerichts auf dem Thüringischen Landesrecht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (s. Beschlüsse vom - BVerwG 7 B 238.81 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49, vom - BVerwG 7 B 177.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277, vom - BVerwG 11 B 24.92 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171 und vom - BVerwG 6 B 69.03 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 39). Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren wären in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. BVerwG 6 NB 1.95 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104). Dem Erfordernis einer Darlegung dieser Voraussetzungen wird nicht schon dadurch genügt, dass die maßgebliche Norm als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen wird. Vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, gegen welche verfassungsrechtlichen Normen verstoßen wird und ob sich bei der Auslegung dieser Normen alsdann Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich noch nicht auf Grund bisheriger oberstgerichtlicher Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts - beantworten lassen. Ein solcher Klärungsbedarf ist den Ausführungen der Beschwerde nicht zu entnehmen.

Wie die Beschwerde nicht verkennt, ist das Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung stets von der Zulässigkeit einer Pflichtversorgung für Angehörige freier Berufe einschließlich der Rechtsanwälte ausgegangen ( BVerwG 1 C 11.00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 44 S. 17). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Einführung eines berufsständischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte mit Pflichtmitgliedschaft weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG noch Art. 2 Abs. 1 GG verstößt (Kammerbeschluss vom - 1 BvR 685/88 - NJW 1990, 1653; vgl. auch Kammerbeschluss vom - 1 BvR 324/93 - NJW-RR 1999, 134). Dass eine erneute Befassung des Revisionsgerichts mit diesem Problem erforderlich wäre, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf:

Die Pflichtmitgliedschaft bezweckt die Pflichtversorgung der Rechtsanwälte und dient durch deren wirtschaftliche Absicherung der Erhaltung eines leistungsfähigen Anwaltsstandes. Sie ermöglicht es zugleich, dass die Rechtsanwälte bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters aus der aktiven Berufstätigkeit ausscheiden und der nachfolgenden Generation Platz machen. Damit verfolgt die Pflichtmitgliedschaft legitime Zwecke und ihre Anordnung hält sich innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Ein Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung ist auch die finanzielle Stabilität des Versorgungsträgers. Maßnahmen, die ihr zu dienen bestimmt sind, können auch dann gerechtfertigt sein, wenn sie für die Betroffenen zu fühlbaren Einschränkungen führen (vgl. u.a. - BVerfGE 70, 1 [30]).

Der Kläger verweist auf die Förderung der privaten Altersvorsorge. Die dazu vom Kläger genannten Instrumente sind jedoch nicht geeignet, eine von der individuellen Entscheidung des Rechtsanwalts unabhängige Versorgung zu bewirken. Sie können und sollen die den Angehörigen eines Pflichtversicherungssystems zukommende Versorgung ergänzen, diese aber nicht ersetzen. Der Bundesgesetzgeber hat die Einführung von Instrumenten der privaten Altersversorgung nicht etwa zum Anlass genommen, die Pflichtversicherung nach dem Sozialgesetzbuch VI aufzugeben. Ebenso wenig besteht Anlass, deshalb die Pflichtversorgung der Angehörigen freier Berufe aufzugeben. Die mit der Pflichtversicherung verfolgten Ziele können durch eine von privaten Entschlüssen abhängige Altersversorgung nicht sicher erreicht werden. Der Hinweis auf die von dem Kläger angeführten Vorsorgeinstrumente rechtfertigt daher nicht eine erneute Befassung des Revisionsgerichts mit der Pflichtmitgliedschaft in einem Rechtsanwaltsversorgungswerk.

cc) Der Kläger meint ferner, durch steigende Beitragssätze, eine grundsätzliche Pfändbarkeit künftiger Rentenansprüche gegen ein Rechtsanwaltsversorgungswerk und die nachteilige Ausgestaltung der berufsständischen Versorgung werde es den Beitragspflichtigen unzumutbar erschwert, die alternativen Alterssicherungsinstrumente zu nutzen. Auch mit diesen Hinweisen kann eine grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht dargetan werden. Wie ausgeführt, sind die angeführten Instrumente privater Altersvorsorge nicht geeignet, die Ziele der Pflichtversicherung in einem Rechtsanwaltsversorgungswerk zu erreichen. Beitragserhöhungen und sonstige u.a. dem demografischen Wandel geschuldete Entwicklungen treffen alle Versorgungssysteme in mehr oder weniger gleichem Umfang, ohne dass deshalb die Verfassungskonformität der Pflichtversicherungen in Frage gestellt werden könnte. Soweit der Kläger auf den Pfändungsschutz der Altersvorsorge verweist, berücksichtigt er zudem nicht ausreichend, dass auch die im Gesetz vom (BGBl I S. 368) erfassten Ansprüche auf Altersleistungen wie Arbeitseinkommen pfändbar sind, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für die Versorgungsansprüche gegen eine Rechtsanwaltsversorgungseinrichtung gilt (dazu IXa ZB 271/03 - BGHZ 160, 197).

b) Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung von der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ist ebenfalls nicht gegeben. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellt hat. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es.

aa) Der Kläger meint, das angefochtene Urteil weiche von dem - (NVwZ 2002, 851) ab. Dort sei der Rechtssatz aufgestellt, dass der Staat öffentlich-rechtliche Verbände nur schaffen dürfe, "um legitime öffentliche Aufgaben wahrnehmen zu lassen". Aus der in diesem Beschluss vorgenommenen Bezugnahme auf den Beschluss vom - 1 BvR 541/57 - (BVerfGE 15, 235 [239]) ergebe sich eine Verweisung auf das Urteil vom - 1 BvR 394/58 - (BVerfGE 10, 89 [102]). Daraus folge, dass das Bundesverfassungsgericht den Begriff der "legitimen öffentlichen Aufgaben" nicht allein im Sinne von "sinnvoll" oder "wünschenswert" verstehe, sondern als Maßstab "noch immer die zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen erforderliche Gefahrenabwehr" ansetze. Der Kläger leitet sodann aus den angeführten Entscheidungen ein vierfach gestuftes Prüfungssystem der Verfassungskonformität eines Zwangsverbandes ab und führt aus, das Oberverwaltungsgericht habe sich mit diesem Stand der Rechtsprechung nicht auseinander gesetzt.

Mit diesem Vorbringen wird schon nicht ein abstrakter Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts dargestellt, sondern die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts interpretiert. Außerdem bezeichnet der Kläger keinen abstrakten Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, der der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts widerspricht, sondern rügt die fehlende Anwendung eines angeblichen Rechtssatzes des Bundesverfassungsgerichts. Damit kann eine Divergenz nicht dargetan werden. Die umfangreichen weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang zeigen keinen Revisionszulassungsgrund auf, sondern sind in der Art einer Revisionsbegründung gehalten. Damit wird den grundsätzlichen Unterschieden zwischen der Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes und der Begründung einer zugelassenen Revision nicht Rechnung getragen.

bb) Auch mit der Rüge einer Abweichung von der Rechtsprechung des BVerwG 1 C 11.00 - (Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 44) werden die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht dargelegt. Der Kläger entnimmt dem angefochtenen Urteil den Rechtssatz, dass ausreichend gewichtige Gründe des Gemeinwohls, die für die Einführung einer sozialen Absicherung der Rechtsanwälte als Ganzes sprechen, auch die notwendigen Einschränkungen der Berufsausübung des Einzelnen rechtfertigten. Er meint, eine solche pauschale Aussage sei in dem Urteil vom nicht enthalten. Dort sei die Aussage enthalten, dass Gemeinwohlinteressen nicht per se, sondern nur dann als Rechtfertigung für den Grundrechtseingriff dienten, wenn sie nach ihrer konkreten Wirkung so schwer wögen, dass sie Vorrang vor der Berufsbehinderung verdienten.

Das Oberverwaltungsgericht hat in der vom Kläger angesprochenen Passage die die Berufsfreiheit betreffenden Ausführungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zusammenfassend dargestellt. Das ergibt sich bereits daraus, dass sie nur wenige Zeilen umfasst, während die entsprechenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts einen breiten Raum eingenommen haben. Dort ist unter den Umständen des damaligen Falles, in dem eine für eine bestimmte Gruppe von Rechtsanwälten der Berufswahlregelung möglicherweise nahe kommende Beitragsregelung zur Prüfung anstand, ausgeführt worden, dass derartige Berufsausübungsregelungen nur mit solchen Allgemeininteressen gerechtfertigt werden können, die so schwer wiegen, dass sie den Vorrang vor der Berufsbehinderung verdienen. Die Zusammenfassung in dem angefochtenen Urteil entspricht den einleitenden Bemerkungen des betreffenden Absatzes in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, dass Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG mit je nach ihrer Wirkung unterschiedlichen Gründen gerechtfertigt sein müssen. Das Oberverwaltungsgericht ist in dem angesprochenen Zusammenhang nicht davon ausgegangen, dass die soziale Absicherung der Rechtsanwälte in Thüringen einer Berufswahlregelung nahe komme. Unter diesen Umständen konnte es von der auf diesen Fall bezogenen Aussage des Bundesverwaltungsgerichts nicht abweichen.

c) Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in Bezug auf die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird ( BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 [n.F.] VwGO Nr. 26). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.

aa) Die Darlegung des Verfahrensmangels ungenügender Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) erfordert die substantiierte Erklärung, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Tatsachengerichts Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, z.B. BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).

Der Kläger vermisst eine Aufklärung über die Einkommensverhältnisse der Rechtsanwälte und macht geltend, dem Oberverwaltungsgericht sei eine entsprechende Ermittlung durch ein Amtshilfeersuchen an die Bundesrechtsanwaltskammer oder durch die Ermittlung der Daten der Beklagten oder durch eine Anfrage an die Oberfinanzdirektion möglich gewesen. Damit ist der gerügte Verfahrensverstoß nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger hat vor dem Berufungsgericht keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Zu diesem Punkt musste sich dem Oberverwaltungsgericht auch eine Aufklärung nicht aufdrängen.

Der Kläger hatte unter Bezugnahme auf eine auf freiwilliger Basis beruhende Umfrage (Statistisches Berichtssystem für Rechtsanwälte - STAR) die wirtschaftliche Situation der Rechtsanwälte in den neuen Bundesländern angesprochen. Ausweislich des Berichts darüber (BRAK-Mitt. 2001, 208 [211]) hatten die befragten Rechtsanwälte aus den neuen Bundesländern, die sich an der Umfrage beteiligt hatten, 1998 im Durchschnitt Bruttoeinkommen von 64 000 DM (angestellte Rechtsanwälte), 75 000 DM (Rechtsanwälte als freie Mitarbeiter) und 103 000 DM (selbständige Rechtsanwälte). Dies wich nur hinsichtlich der freien Mitarbeiter von den für die alten Bundesländer für 1998 erhobenen Beträge nach oben ab (dort 67 000 DM), während die angestellten und selbständigen Rechtsanwälte mit 86 000 DM und 150 000 DM in den alten Bundesländern höhere Bruttoeinkommen hatten. Da danach die wirtschaftliche Lage der Rechtsanwälte in den neuen Bundesländern für die Vielzahl der Rechtsanwälte von derjenigen in den alten Bundesländern nicht nach oben abwich und für die Lage in Thüringen überhaupt keine Daten angegeben waren, durfte das Berufungsgericht von der auf einer Initiative der Rechtsanwaltskammer beruhenden Einschätzung des Gesetzgebers von der Erforderlichkeit einer Pflichtversorgung ausgehen, wie sie auch in anderen Bundesländern besteht. Wenn der Kläger die wirtschaftliche Situation günstiger einschätzte und daraus den Schluss auf die mangelnde Erforderlichkeit der Pflichtversorgung gezogen wissen wollte, hätte er durch entsprechende Beweisanträge auf eine weitere Sachaufklärung hinwirken müssen. Dies ist nicht geschehen, obwohl der Kläger dazu nach den Bemerkungen des erstinstanzlichen Urteils zu der STAR-Umfrage (UA S. 11) Anlass haben musste. Da er auch in Kenntnis der Beurteilung der STAR-Umfrage durch das Verwaltungsgericht keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte, musste sich dem Berufungsgericht keine weitere Aufklärung aufdrängen, zumal selbst die Ergebnisse der STAR-Umfrage die Behauptung des Klägers nur schwerlich stützen konnten.

bb) Der Kläger rügt, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Verletzung des Justizgewährungsanspruches, weil das Oberverwaltungsgericht auf eine überholte Rechtsprechung abgestellt habe.

Mit diesem Vorbringen kann ein Verfahrensfehler nicht dargetan werden. Der als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips anzusehende Justizgewährungsanspruch umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitgegenstandes in einem förmlichen Verfahren sowie eine verbindliche Entscheidung durch das Gericht (BVerfG, Beschluss des Plenums vom - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 [401]). Daraus leiten sich einzelne Anforderungen an Ausgestaltung und Durchführung der gerichtlichen Prüfung des Streitgegenstandes her. Der Justizgewährungsanspruch bezieht sich aber nicht auf den materiellen Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung.

cc) Der Kläger wirft dem Berufungsgericht vor, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet zu haben. Das Gericht habe seine Einkommensverhältnisse der Entscheidung zugrunde gelegt, ohne ihm Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern. Dieser Vorwurf ist nicht begründet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Außerdem soll das Grundrecht Überraschungsentscheidungen vorbeugen und gebietet daher, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt nicht ohne Anhörung zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen war. Nach diesen Maßstäben liegt eine Versagung des rechtlichen Gehörs nicht vor. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruht nämlich nicht auf den Ausführungen zu den Einkommensverhältnissen des Klägers. Die entsprechende Passage ist mit den Worten eingeleitet "Ungeachtet dessen, dass der Kläger nach seinen eigenen Einkommensangaben ..., sind die von ihm vorgelegten Zahlen nicht verwertbar". Aus der Wortfolge "ungeachtet dessen" ergibt sich, dass das Berufungsgericht nicht die Entscheidung tragend auf die Einkommensverhältnisse des Klägers abgestellt hat.

2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes in Höhe des dreifachen Jahresbeitrags beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
LAAAF-00149