Strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO n. F. vs. Berichtigung nach § 153 AO
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der Gesetzgeber hat innerhalb kurzer Zeit durch zwei Änderungen des § 371 AO die Anforderungen an die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerstrafrecht signifikant verschärft. Das sog. Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom (BGBl 2011 I S. 676) beseitigte zunächst die Möglichkeit von strafbefreienden sog. Teilselbstanzeigen und fordert nunmehr eine „Steuerarten-Lebensbeichte“. Diese hat jüngst das AO-Änderungsgesetz vom (BGBl 2014 I S. 2415) weiter ausgedehnt. Nach § 371 Abs. 1 Satz 2 AO müssen die unrichtigen Angaben seit dem nicht nur zu allen strafverfolgungsrechtlich unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, sondern mindestens zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre vollständig berichtigt werden. Selbst dann aber begründet die Berichtigung solcher Taten, deren jeweilige einzelne Steuerverkürzung eine Schwelle von 25.000 € übersteigt, nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO nicht mehr einen persönlichen Strafaufhebungsgrund i. S. des § 371 AO, sondern führt nach § 398a AO nur noch zum Absehen von der Strafverfolgung, wenn der Täter je nach Höhe der verkürzten Steuer einen „Strafzuschlag“ von 10–20 % der hinterzogenen Steuer (zusätzlich zu der Steuernachforderung und den Hinterziehungszinsen) an die Staatskasse zahlt (vgl. hierzu vertiefend auch Bilsdorfer, Fallstudie zur strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO, SteuerStud 2/2015 S. 105 NWB ZAAAE-82168).
Vor diesem Hintergrund kann eine berichtigte Steuererklärung nicht mehr ohne weiteres als eine konkludent erstattete Selbstanzeige i. S. des § 371 AO gewertet werden. Vielmehr hat das Finanzamt nunmehr genau zu prüfen, ob es sich um eine bloße Berichtigung einer von dem Steuerpflichtigen erst nachträglich als unrichtig erkannten Steuererklärung i. S. des § 153 AO oder um eine Berichtigung einer vorsätzlich unrichtigen Steuererklärung (und damit einer Steuerstraftat) mit den Folgen der §§ 371, 398a AO handelt. Diese weichenstellende Unterscheidung richtet sich nach dem Vorsatz, der in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden in der Vergangenheit gerne vernachlässigt worden ist. Nun wird es aber auf die im Einzelfall schwierige Abgrenzung zwischen (bedingtem) Vorsatz und nur (grober) Fahrlässigkeit ankommen. Angesichts der mittlerweile restriktiven Fassung des § 371 AO ist zu hoffen, dass wenigstens von einem bedingt vorsätzlichen Handeln nur mit aller Zurückhaltung und im Zweifel (zugunsten des Steuerpflichtigen – in dubio pro reo) von bloß grober Fahrlässigkeit ausgegangen wird. Angesichts des fiskalischen Lockrufs von „Strafzuschlägen“ besteht jedoch die Gefahr einer umgekehrten Handlungsweise und damit einer weiteren Kriminalisierung des Steuerverfahrens. Deshalb ist eine mäßigende Klarstellung im AO-Anwendungserlass zu § 153 und in der Anweisung zum Straf- und Bußgeldverfahren (AStBV) seitens der Finanzverwaltung überfällig!
Herzliche Grüße
Ihr
Roman Seer
Fundstelle(n):
SteuerStud 5/2015 Seite 253
NWB LAAAE-88408