StuB Nr. 5 vom Seite 1

Umsatzerlöse im Lichte des „true and fair view“ – Lothar Schruff zum 75. Geburtstag

Dr. Andreas Haaker | Berlin

Vor einigen Tagen vollendete Professor Dr. Lothar Schruff sein 75. Lebensjahr. Dabei kann er auf viele Jahre der fachlichen Tätigkeiten in der Wissenschaft und im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer zurückblicken. Lothar Schruff studierte Wirtschaftswissenschaften in Tübingen, Köln und Münster, promovierte dort bei Ulrich Leffson mit einer „Marktstrukturuntersuchung“ über den „Wirtschaftsprüfer und seine Pflichtprüfungsmandate“, leistete Facharbeit beim IDW und brachte die im Berufsstand gesammelte Erfahrung im Rahmen einer Assistenz- (Berlin) und einer Honorarprofessur (Münster) in die akademische Lehre ein. Später erhielt Lothar Schruff einen Ruf als ordentlicher Universitätsprofessor an die Georg-August-Universität Göttingen. Dort hatte er den Lehrstuhl für Rechnungslegung und Prüfungswesen von 1990 bis 2008 inne, an dem er ein praxisorientiertes Lehrkonzept vertrat.

Dementsprechend veranschaulichte er den „true and fair view“ wie folgt: Der Papst landet mit dem Flugzeug in New York. Ein Reporter fragt ihn direkt nach seiner Ankunft: „Werden Sie hier in New York auch einen Nachtclub besuchen?“ „Gibt es etwa Nachtclubs in dieser Stadt?“, erwidert der Papst bestürzt. Am nächsten Tag steht in der Zeitung: „Papstbesuch in New York – Papst fragt zuerst nach Nachtclubs!“

Das ist zwar als „true“, aber nicht unbedingt als „fair“ zu bezeichnen. Ähnliches soll nach dem neuen Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) zukünftig auch für die Position „Umsatzerlöse“ gelten. So sieht laut Regierungsentwurf der neue § 277 Abs. 1 HGB „nicht mehr vor, dass Umsatzerlöse auf für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit typischen Erzeugnisse und Waren einerseits bzw. Dienstleistungen andererseits beschränkt sind. Auch der Verkauf von Produkten oder die Erbringung von Dienstleistungen außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit generiert künftig Umsatzerlöse und keine sonstigen betrieblichen Erträge.“ Wenn ein Autobauer Erlöse aus dem Verkauf von Pkws i. H. von 100 GE und betriebsfremde Mieterträge von 50 GE erzielt, dann wären nach der neu vorgeschlagenen Umsatzdefinition „wahre“ Umsatzerlöse von 150 GE auszuweisen („true“). „Fair“ wäre es für den Bilanzleser allerdings, nur die das Kerngeschäft betreffenden typischen Umsatzerlöse von 100 GE als Umsatzerlöse zu zeigen.

Die neue Erfolgsspaltung steht jedenfalls im Widerspruch zur Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB, da somit unter Beachtung der GoB kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Ertragslage der Kapitalgesellschaft vermittelt werden kann. Schließlich bilden die Umsatzerlöse eine der wichtigsten Kennziffern zur Information externer Bilanzleser über die Ertragslage des Kerngeschäfts des Unternehmens. Bei Einbeziehung „neutraler“ (Miet-)Erträge in den Posten Umsatzerlöse wird die GuV-Information über die Ertragslage erheblich verzerrt. Um dem true and fair view-Prinzip nachzukommen, müsste die neue EU-Bilanzrichtlinie also GoB-konform ausgelegt und die bisherige Definition der Umsatzerlöse beibehalten werden.

Ich wünsche Herrn Professor Schruff alles Gute zum Geburtstag sowie weiterhin Gesundheit, Glück und Zufriedenheit!

Andreas Haaker

Fundstelle(n):
StuB 5/2015 Seite 1
WAAAE-85821