OFD Niedersachsen - S 7100 - 435 - St 172

Umsatzsteuerliche Beurteilung von Termingeschäften und Optionen

Ein Termingeschäft ist ein Vertrag über die Lieferung oder Abnahme von Waren (Warentermingeschäft, Terminkontrakt etc.), der erst zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt wird. Der dann zu entrichtende Gegenwert wird entweder bereits bei Vertragsabschluss vereinbart oder bestimmt sich aufgrund der börsenmäßig festgestellten Kurse. Terminmärkte enthalten ein ausgeprägtes spekulatives Element, weil die Verkäufer im Zeitablauf fallende Preise erwarten, die Käufer dagegen mit steigenden Preisen rechnen.

1. Allgemeines zu Forwards und Futures

Forwards und Futures sind unbedingte Termingeschäfte, die rechtlich bindend vereinbart werden und in welchen sich die Vertragsparteien verpflichten, zu einem bestimmten, zukünftigen Termin eine bestimmte Art und Menge eines Gutes zu kaufen oder zu verkaufen, wobei der Preis entweder bereits bei Vertragsabschluss vereinbart wird oder sich aufgrund des börsenmäßig festgestellten Kurses für die Ware im Erfüllungszeitpunkt bestimmt. Forwards werden außerbörslich (Over-The-Counter = OTC) gehandelt und haben Termingeschäfte über Waren verschiedener Art zum Gegenstand, während Futures in einem hoch standardisierten Verfahren an der Börse gehandelt werden, sich aber sonst nicht von den Forwards unterscheiden.

Die Vertragsparteien können den geschlossenen Forward oder Future ihrerseits mit allen Rechten und Pflichten an einen anderen Marktteilnehmer verkaufen und erhalten hierfür einen Preis, der sich aus der Marktlage im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses ergibt und somit nicht notwendig mit dem Preis identisch ist, zu dem die Ware später einmal geliefert oder abgenommen werden muss. In der Folge werden die Forwards und Futures bis zum Erfüllungsstichtag häufig mehrfach umgesetzt.

In der Praxis sind Verträge über Warentermingeschäfte nur ausnahmsweise auf eine (physische) Lieferung der Ware ausgerichtet. Zu einer Warenlieferung in Erfüllung des ursprünglichen Warentermingeschäfts kommt es nur in etwa 5 v. H. der Fälle. Den Marktteilnehmern geht es vielmehr in erster Linie um die Erzielung von (Kurs-)Gewinnen und gelegentlich auch um die Absicherung von Marktrisiken. Um die nicht gewollte Warenlieferung zu verhindern, bemühen sich die Marktteilnehmer, bis zum Erfüllungszeitpunkt genau gegenläufige Futures oder Forwards zu erwerben, sodass gegenseitige Lieferansprüche bzw. Abnahmeverpflichtungen entstehen, die sich aufheben bzw. „neutralisieren” (sog. Glattstellung). In diesem Fall wird dann lediglich die Differenz der in den gegenläufigen Futures oder Forwards vereinbarten Preise zwischen den beiden Vertragspartnern ausgezahlt. Ist eine Glattstellung nicht möglich, bemühen sich die Kontrahenten häufig um eine förmliche Aufhebung des zugrunde liegenden Warentermingeschäfts, wobei eine u. U. entstandene Differenz zwischen Marktpreis und Kaufpreis ebenfalls ausgeglichen wird.

Im Ergebnis zielen Futures und Forwards darauf ab, durch zwei gegenläufige Geschäfte eine Gelddifferenz zu bestimmen, die der „Verlierer” des Geschäfts an den „Gewinner” zu bezahlen hat. In § 764 BGB a. F. waren diese Differenzgeschäfte dementsprechend ursprünglich als Spiel gewertet worden, durch das keine wirksamen Forderungen entstehen konnten. Diese Vorschrift wurde zwischenzeitlich jedoch aus Gründen des Anlegerschutzes zum gestrichen.

2. Umsatzsteuerliche Behandlung

2.1. Future-Kontrakte

Der Handel mit Futures beinhaltet weder einen Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgang noch eine sonstige Leistung. Den Teilnehmern wird vielmehr nur zu „Spieleinnahmen” verholfen, die als Differenzgeschäfte zu behandeln sind und nicht Gegenstand eines Leistungsaustausches sein können. Zu einem Leistungsaustausch kommt es grundsätzlich erst, wenn und soweit die Ware bei Fälligkeit tatsächlich geliefert wird [1]. Soweit im Zusammenhang mit dem Ausüben eines Future-Kontraktes förmliche Erklärungen (sog. Short Future und Long Future) gegenüber einer zwischengeschalteten Clearingstelle zum erstmaligen Entstehen echter Liefer- bzw. Abnahmeverpflichtungen führen, kann der Verkauf des Futures ab diesem Zeitpunkt ausnahmsweise einen steuerbaren Umsatz darstellen.

Beispiel 1 (für die Ausnahme):

Im Handel mit der Warenterminbörse (WTB) für den Agrarhandel in Hannover ist auf der einen Seite immer die WTB-Clearing-Bank (WTC) Vertragspartner der Future-Kontrakte. Sie garantiert die Erfüllung der Kontrakte.

Lieferorte sind im Voraus bestimmte Lagerhäuser, mit denen feste vertragliche Beziehungen seitens der WTB bestehen. Das autorisierte Lagerhaus stellt Lagerscheine aus, die ihrem Inhalt nach standardisiert sind. Diese Lagerscheine sind Wertpapiere, die ihrerseits gehandelt werden können.

Die Ausübung eines Future-Kontraktes geschieht in folgender Weise:

Zu einem festgelegten Zeitpunkt, etwa 20 Tage vor dem Liefertermin, werden die Inhaber von Future-Kontrakten aufgefordert, eine besondere Erklärung abzugeben, ob sie liefern wollen (Short Future) oder Lieferung wünschen (Long Future). Bis zu diesem Zeitpunkt besteht eine Verpflichtung zur Lieferung oder zur Abnahme in keiner Weise.

Der Inhaber einer Long-Position weiß zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Erklärung nicht, ob er tatsächlich eine Lieferung erhalten wird, denn es ist möglich, dass es weniger lieferbereite Short-Positionen als empfangsbereite Long-Positionen gibt.

Mit der Erklärung des Inhabers der Short-Position geht dieser eine (steuerbare) Lieferverpflichtung ein. Er ist jedoch berechtigt, seine Lieferposition abzubedingen, indem er seine Short-Position verkauft.

Die Tätigkeit der WTC ist nach § 4 Nr. 8c UStG steuerbefreit [2].

2.2 Forward-Kontrakte

Die zu den Futures aufgestellten Grundsätze gelten wegen der insoweit vergleichbaren Sachverhalte auch beim außerbörslichen Handel mit Forward-Kontrakten, wobei im Bereich des Forward-Handels kein förmliches Erklärungsverfahren unter Beteiligung einer bestimmten Clearingstelle besteht. Ein steuerbarer Leistungsaustausch kommt ausschließlich in den Fällen der tatsächlichen Erfüllung des Warentermingeschäfts zustande.

2.3. Aufhebung außerbörslicher Warentermingeschäfte gegen Marktpreisausgleich

Aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben [3] können Unternehmen verpflichtet sein, ihr Transaktionsvolumen im OTC-Handel zu reduzieren. Hierzu können Unternehmen Verträge, die hinsichtlich ihrer Liefer- und Abnahmeverpflichtungen identisch sind, vor dem vereinbarten Fälligkeitstermin im Einvernehmen mit ihren Geschäftspartnern aufheben. Entsprechend kann bei Verträgen verfahren werden, deren vereinbarte Termingeschäfte bereits teilweise (für vergangene Zeiträume) durch Lieferungen erfüllt wurden und daher nur hinsichtlich der noch ausstehenden zukünftigen (Liefer-)Verpflichtungen aufgehoben werden können (Teilaufhebung). Sofern die in den Verträgen vereinbarten „Verkaufspreise” nicht mit den Marktpreisen im Zeitpunkt der Vertragsaufhebungen identisch sind, wird ein „Marktpreisausgleich” (= Differenz zwischen dem vereinbarten Verkaufspreis und dem aktuellen Marktpreis) gezahlt. Sich gegenüberstehende Marktpreisausgleichsbeträge können miteinander verrechnet werden.

Beispiel 2:

U verkauft im November 2012 an A 100 Stromeinheiten zum Preis von 10,00 EUR je Stromeinheit für die Lieferperiode August 2014. Im Dezember 2012 kauft U von A 100 Stromeinheiten zum Preis von 9,00 EUR je Stromeinheit für die Lieferperiode August 2014. Im Mai 2013 werden beide Verträge bei einem aktuellen Marktpreis von 8,00 EUR je Stromeinheit aufgehoben. A hat einen Marktpreisausgleich an U von 200,00 EUR und U einen Marktpreisausgleich an A von 100,00 EUR zu zahlen. Nach Verrechnung der beiden Zahlungsverpflichtungen zahlt A an U den Unterschiedsbetrag von 100,00 EUR.

Neben bilateralen Verträgen sind auch multilaterale Vertragsaufhebungen denkbar. Hierzu kann ein unabhängiger Dienstleister ermitteln, welche der von mehreren Parteien geschlossenen Verträge aufgehoben werden können, sodass allen Parteien im Rahmen einer gewissen vorgegebenen Bandbreite eine finale Zahlungsverpflichtung verbleibt. Die so identifizierten Verträge werden durch eine gemeinsame vertragliche Vereinbarung gegen Zahlung des ermittelten Marktpreisausgleichs aufgehoben. Dabei kann es im günstigsten Fall sein, dass sich im Ergebnis alle Geschäfte ausgleichen (z. B.: U hat 100 Stromeinheiten an A, A 100 Stromeinheiten an B und B 100 Stromeinheiten an U jeweils zu einem in der Zukunft liegenden – gleichen – Termin verkauft).

Die Vertragsaufhebungen beinhalten in allen ihren Varianten keine steuerbaren Umsätze, die gewährten Ausgleichszahlungen unterliegen somit nicht der Umsatzsteuer. In allen dargestellten Fällen führen die Vertragsaufhebungen nicht zu physischen Warenlieferungen. Sie sind deshalb noch Teil des umsatzsteuerlich unbeachtlichen „Spiels” zwischen dem Unternehmen und den anderen Marktteilnehmern.

3. Optionen auf Warenterminkontrakte

3.1 Allgemeines

Eine Option ist eine Vereinbarung, die für den Käufer (Inhaber) das Recht, nicht aber die Verpflichtung enthält, bis zu einem gewissen Zeitpunkt eine bestimmte Menge eines bestimmten Basiswertes zu einem im Voraus fixierten Preis (Basispreis) zu kaufen oder zu verkaufen.

Für dieses Recht zahlt der Käufer dem Verkäufer eine Optionsprämie.

Der Verkäufer (auch Stillhalter) der Option hat dagegen die Verpflichtung, auf Verlangen des Käufers den Basiswert zum vereinbarten Preis (Basispreis) zu kaufen oder zu verkaufen.

Zwei Optionstypen sind zu unterscheiden:

  • Kaufoption (Call) und

  • Verkaufsoption (Put).

Der Call gibt dem Käufer das Recht, vom Verkäufer des Calls die Lieferung des Basiswertes zum festgelegten Preis zu verlangen. Der Verkäufer des Calls geht die Verpflichtung ein, auf Verlangen des Optionsinhabers den Basiswert gegen Zahlung des Basispreises zu liefern. Für die Einräumung des Rechts erhält er vom Käufer die Optionsprämie.

Mit dem Put erwirbt der Käufer das Recht, den Basiswert zum vereinbarten Preis zu verkaufen. Der Verkäufer des Puts geht die Verpflichtung ein, auf Verlangen des Optionsinhabers für die Lieferung des Basiswertes den Basispreis zu bezahlen. Für die Einräumung des Rechts erhält er vom Käufer den Optionspreis.

Wird die Option bis zum festgelegten Zeitpunkt nicht ausgeübt, verfällt sie wertlos zum Vorteil des Stillhalters, dem die Optionsprämie als Ertrag verbleibt. Die weitaus meisten Optionen werden jedoch nicht ausgeübt, indem sie vor ihrer Fälligkeit durch ein Gegengeschäft glattgestellt werden.

3.2 Umsatzsteuerliche Behandlung der Optionen auf Warenterminkontrakte

Optionsgeschäfte sind steuerbar. Ein Differenzgeschäft liegt nicht vor. Die Optionsgeschäfte sind nach § 4 Nr. 8c UStG steuerfrei, wenn die Optionsausübung nicht zu einer Warenlieferung geführt hat [4].

OFD Niedersachsen v. - S 7100 - 435 - St 172

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
DAAAE-81455

1vgl. , , und

2Abschn. 4.8.4 Abs. 5 UStAE; , Rz. 26

3Verordnung der EU Nr. 648/2012 v.  (European Market Infrastructure Regulation – EMIR); EMIR-Ausführungsgesetz v. 

4Abschn. 4.8.4 Abs. 5 UStAE