BFH Beschluss v. - V B 92/14

Regelsteuersatz bei einer sog. "Dinner-Show"

Gesetze: UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe d, UStDV § 30, FGO § 69 Abs. 3, FGO § 69 Abs. 4, FGO § 128 Abs. 3, FGO § 132

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Geschäftsbetrieb der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) —eine aus zwei Personen bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts— war in dem Streitjahr 2011 u.a. auf Erlebnisgastronomie ausgerichtet. An jährlich mehrmals wechselnden Standorten veranstaltete sie sog. „Dinner-Shows” und bewarb ihre Unternehmung als „Verzehrtheater”. Die Shows umfassten eine Varieté- oder Theateraufführung und die zeitgleiche kulinarische Versorgung der Gäste an Sitz- und Tischgelegenheiten durch die Antragstellerin. Der Preis für die Eintrittskarte (Pauschalpreis) umfasste sowohl die künstlerischen Darbietungen als auch das Vier-Gänge-Menü. Dabei war der getrennte Erwerb dieser Leistungen nicht möglich. Getränke wurden hingegen gesondert in Rechnung gestellt.

2 Die Veranstaltungen fanden in einem eigens dafür konstruierten Zelt mit kombinierter Bar und Küche statt. Es bot Platz für ca. 100 Personen. Das mobile Zelt und die gesamte Anlage wurden während der Tournee an den jeweiligen Standorten auf- und abgebaut.

3 Die Antragstellerin ging davon aus, dass sie mit ihrer Tätigkeit zwei selbständige Leistungen erbringe und erklärte für die Streitjahre die Restaurationsumsätze zum Regelsteuersatz (19 v.H.) und Umsätze im Zusammenhang mit den künstlerischen Darbietungen zum ermäßigten Steuersatz (7 v.H.). Der eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 2011 stimmte der Antrags- und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) zu.

4 Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung betrachtete das FA die Umsätze im Zusammenhang mit den „Dinner-Shows” als einheitliche Leistungen, die insgesamt dem Regelsteuersatz unterlägen. Auf der Grundlage dieser Prüfungsfeststellung erließ das FA für das Streitjahr einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid.

5 Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein. Der zugleich beantragten Aussetzung der Vollziehung (AdV) gab das FA statt und verfügte ihr Ende auf einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.

6 Mit der Einspruchsentscheidung vom änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung 2011 aus anderen als den hier streitigen Gründen und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Über die dagegen erhobene Klage vom 7 K 7074/14 hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.

7 Den Antrag, die Vollziehung der geänderten Umsatzsteuerbescheide i.d.F. der Einspruchsentscheidung für den Zeitraum des Klageverfahrens auszusetzen, lehnte das FA mit Bescheid vom ab. Auch das FG verneinte im Beschluss vom ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung der erbrachten Leistungen zum Regelsteuersatz. Es ließ aber die Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) im Hinblick darauf zu, dass höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, ob eine solche ortswechselnde Veranstaltungstätigkeit als Schaustellerleistung dem ermäßigten Steuersatz unterliege.

8 Mit ihrer vom FG nicht abgeholfenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf AdV des geänderten Umsatzsteuerbescheids weiter. Sie erbringe steuerermäßigte Schaustellerleistungen. Zudem ständen aus der maßgeblichen Sicht ihrer Gäste die künstlerischen Darbietungen als Hauptleistung im Vordergrund. Im Übrigen könnten diese Leistungen auch ohne kulinarische Versorgung der Gäste erbracht werden.

9 Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom in Höhe des Änderungsbetrags in der Vollziehung auszusetzen.

10 Das FA hat sich zum Verfahren nicht geäußert.

11 II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet und ist daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).

12 Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der beschließende Senat keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide. Das FG hat den AdV-Antrag zu Recht abgelehnt.

13 1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen.

14 Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem , BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; , BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der AdV gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116, und vom I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.).

15 2. Bei der gebotenen summarischen Betrachtung hat der beschließende Senat keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des Akteninhalts lassen sich keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Antragstellerin mit der „Dinner-Show” mehrere getrennte Umsätze ausgeführt hat. Der Umsatzsteuerbescheid geht zu Recht davon aus, dass mit den Leistungen ein einheitlicher Umsatz bewirkt worden ist, der dem Regelsteuersatz unterliegt.

16 a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist bei Ausgangsleistungen, die ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfassen, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob mehrere getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz gegeben ist. Ein einheitlicher Umsatz liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der sich der Senat bereits angeschlossen hat (, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter Rz 17, m.w.N. auch zur Rechtsprechung des EuGH), vor, wenn entweder mehrere Einzelleistungen im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung zueinander stehen (, Bog u.a., Slg. 2011, I-01457, Rdnr. 54, m.w.N.) oder es sich um sog. „komplexe Leistungen” handelt. Letztere liegen vor, wenn mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter Rz 21 ff., mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH).

17 b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat keine Zweifel daran, dass die Antragstellerin mit der „Dinner-Show” einheitliche Umsätze erbringt.

18 Auf der Grundlage der vorliegenden Akten und des unstreitigen Sachverhalts stellen sich die im Rahmen der „Dinner-Show” erbrachten Restaurationsleistungen und künstlerischen Darbietungen als untrennbar miteinander verbundene Leistungen dar. Durch die Verflechtung beider Komponenten ist es dem Verbraucher nicht möglich, nur die eine oder die andere Leistung in Anspruch nehmen zu können. Deshalb kommt es entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht darauf an, dass die Leistungen auch getrennt erbracht werden könnten (zur weiteren Begründung, vgl. BFH-Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter Rz 36 f.).

19 Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stehen die erbrachten Leistungen nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistungen mit der Folge zueinander, dass die Nebenleistungen das steuerliche Schicksal der Hauptleistungen teilen. Wie bereits schon das FG geht auch der Senat davon aus, dass die jeweilige Leistung kein bloßes Mittel ist, um die jeweils andere Leistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können. Restaurationsleistungen und künstlerische Darbietungen dienen im Streitfall gleichgewichtigen Zwecken (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter Rz 20 und 31 f.). Soweit die Antragstellerin die künstlerischen Darbietungen als maßgebliche Hauptleistung, die Restaurationsleistung hingegen als Nebenleistung betrachtet, kann der Senat dem nicht folgen.

20 c) Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die einheitlichen Umsätze dem Regelsteuersatz unterliegen.

21 Die komplexe Leistung der „Dinner-Show” unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a oder Buchst. d des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

22 aa) Wie der Senat bereits entschieden hat, umfasst die von der Antragstellerin dargebotene künstlerische Veranstaltung zwar Elemente, die für sich betrachtet Theatervorführungen i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein könnten. Voraussetzung für die Steuerermäßigung ist aber, dass die Theatervorführung Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung ist, sie also den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht. Hieran fehlt es, wenn sich das Leistungsbündel aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste —wie im Streitfall— in der Gesamtschau als einheitlicher (komplexer) Umsatz darstellt (BFH-Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter Rz 39 ff.).

23 bb) Aus demselben Grund kommt auch die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG nicht in Betracht.

24 Danach ermäßigt sich die Steuer u.a. für die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller. Nach § 30 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung gelten als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen.

25 In diesem Zusammenhang muss der Senat nicht entscheiden, ob es sich bei der Veranstaltung der Antragstellerin um Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller handelt. Nach allgemeiner Auffassung gilt die Steuersatzermäßigung nicht für den Verkauf von Waren aller Art, insbesondere für die Abgabe von Getränken und Speisen (z.B. Heidner in Bunjes, UStG, 13. Aufl., § 12 Rz 139; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 12 Rz 328; Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, § 12 Abs. 2 Nr. 7d UStG Rz 30 und Rz 17; Huschens in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 12 Abs. 2 Nr. 7d UStG Rz 43). Stellt sich die Abgabe von Speisen —wie im Streitfall— als gleichgewichtigen Zwecken dienende Leistung im Rahmen einer einheitlichen (komplexen) Leistung dar, kommt eine Steuerermäßigung wegen einer Tätigkeit als Schausteller nicht mehr in Betracht, weil diese sich nicht als Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung hervorhebt.

26 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 244 Nr. 2
StuB-Bilanzreport Nr. 6/2015 S. 236
RAAAE-80503