Erlass von Nachzahlungszinsen nach Verrechnungspreiskorrektur
Leitsatz
Die Frage, ob die Festsetzung von Zinsen unbillig ist, hängt nur von den Verhältnissen des jeweiligen Zinsschuldners ab; die Verhältnisse eines anderen Rechtssubjekts bleiben insoweit außer Betracht (Bestätigung der Rechtsprechung). Ein Zinserlass ist daher nicht geboten, wenn sich infolge einer Verrechnungspreiskorrektur einerseits die Körperschaftsteuer einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaft mindert und diese infolge des Fehlens einer dem § 233a AO entsprechenden Regelung dort keine Erstattungszinsen beanspruchen kann, und sich andererseits infolge der Gewinnerhöhung einer inländischen (Schwester-)Mitunternehmerschaft die Einkommensteuer des inländischen Anteilseigners erhöht.
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
1 Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten. Der Kläger (Ehemann) erzielte gewerbliche Einkünfte aus der Beteiligung an einer inländischen KG. Infolge einer steuerlichen Betriebsprüfung erhöhten sich die ihm zuzurechnenden Beteiligungsergebnisse der Jahre 1997 bis 1999. Die Änderungen beruhten auf einer im Rahmen der Betriebsprüfung erzielten tatsächlichen Verständigung über die Frage, in welcher Höhe im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zu einer österreichischen Schwestergesellschaft in der Rechtsform einer GesmbH zu Lasten des inländischen Ergebnisses unangemessene Vermögensvorteile zugewendet worden waren und ob insoweit eine Verrechnungspreiskorrektur durchzuführen sei.
2 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erließ im Februar 2007 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1997, 1998 und 1999. Die zugleich festgesetzten Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) wurden im März 2007 wegen freiwilliger Zahlungen zu einem geringen Teil erlassen.
3 Die Kläger beantragten im März 2007, weitere Teilbeträge der Nachzahlungszinsen in Höhe von 310.991 € für 1997, 244.487 € für 1998 und 244.344 € für 1999, die auf die Verrechnungspreiskorrektur zurückzuführen waren, aus Billigkeitsgründen (§ 227 AO) zu erlassen. Zur Begründung trugen sie vor, § 233a AO bezwecke die Abschöpfung von Zins- und Liquiditätsvorteilen. Sie —die Kläger— hätten aber durch die verspätete Festsetzung keinen Vorteil erlangt, denn die durch die Betriebsprüfung veranlassten Verrechnungspreiskorrekturen hätten nicht zu einem steuerlichen Mehrergebnis geführt, sondern lediglich zu einer Verschiebung des Steuerzugriffs zwischen Deutschland und Österreich. Die Gewinne der Streitjahre seien insgesamt in zutreffender Höhe der Besteuerung zugrunde gelegt worden. Österreich habe aber eine dem § 233a AO entsprechende Verzinsung erst 2001 eingeführt, so dass den in Deutschland entstandenen Nachzahlungszinsen keine korrespondierenden Erstattungszinsen gegenüberstünden.
4 Das FA lehnte den beantragten Teilerlass ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück.
5 Die Klage hatte keinen Erfolg.
6 Die Kläger rügen die Verletzung materiellen Rechts.
7 Die Kläger beantragen sinngemäß, den Ablehnungsbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und das FA zu verpflichten, Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer für das Jahr 1997 in Höhe von 310.991 €, für 1998 in Höhe von 244.487 € und für 1999 in Höhe von 244.344 € gemäß § 227 AO zu erlassen.
8 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
9 Die Revision ist unbegründet. Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht entschieden, dass das FA den Erlass ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.
10 1. Die Finanzbehörden können nach § 227 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.
11 a) Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 AO (im Streitzeitraum § 3 Abs. 3 AO) auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen wie z.B. Zinsen nach den §§ 233 bis 237 AO. Dem Erlass von Zinsen nach § 233a AO steht nicht entgegen, dass § 233a AO —anders als § 234 Abs. 2 AO für Stundungszinsen und § 237 Abs. 4 AO für Aussetzungszinsen— keine ausdrückliche Ermächtigung zu Billigkeitsmaßnahmen enthält (, BFHE 180, 240, BStBl II 1996, 503; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO Rz 89).
12 b) Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Behörde, die gemäß § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann. Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum aber so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Ist nur der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ermessensgerecht, kann das Gericht gemäß § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung zum Erlass aussprechen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2011, 401; vom X R 28/04, BFH/NV 2006, 697; vom V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259).
13 c) Sachlich unbillig ist die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis vor allem dann, wenn sie im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (Senatsurteil in BFH/NV 2011, 401). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (, BFH/NV 2010, 606). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt daher keine Billigkeitsmaßnahme; die Billigkeitsprüfung darf nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Diese Grundsätze gelten auch im Zusammenhang mit der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO (, BFHE 211, 30, BStBl II 2006, 155).
14 2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass das FA den Erlass von Nachzahlungszinsen ermessensfehlerfrei abgelehnt hat. Eine Billigkeitsmaßnahme ist nicht geboten, weil die Verrechnungspreiskorrektur dazu geführt hat, dass die Erhöhung der Einkommensteuerschuld der Kläger zu Nachzahlungszinsen geführt hat, während die österreichische GesmbH keine Erstattungszinsen beanspruchen kann.
15 a) Die in § 233a AO angeordnete Verzinsung bezweckt, den möglichen Liquiditätsvorteil abzuschöpfen, der einem einzelnen Steuerpflichtigen durch die verspätete Festsetzung der Steuer entsteht. Auf die Frage, ob dem Steuergläubiger insgesamt ein Schaden entstanden ist, kommt es insoweit nicht an. Deshalb ist bei der Frage, ob die Festsetzung von Zinsen unbillig ist, nur auf die Verhältnisse des jeweiligen Zinsschuldners abzustellen; die Verhältnisse eines anderen Rechtssubjekts bleiben insoweit außer Betracht (BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 606; vom XI R 21/97, BFH/NV 2000, 1178; vom V R 28/95, BFHE 183, 353, BStBl II 1997, 716).
16 Die Verrechnungspreiskorrektur hat sich jedoch im Streitfall einerseits —erhöhend— auf die Besteuerung des zu versteuernden Einkommens der Kläger und andererseits —mindernd— auf die Besteuerung der GesmbH ausgewirkt. Die Kläger sind indessen natürliche Personen, die österreichische GesmbH ist jedoch eine juristische Person des Privatrechts, die ihr Einkommen selbst der österreichischen Körperschaftsteuer zu unterwerfen hat. Eine Minderung ihres Einkommens wirkt sich mithin nicht unmittelbar auf die Besteuerung ihrer Anteilseigner aus.
17 Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob —wie das FG in Übereinstimmung mit dem (BFH/NV 2008, 753) meint— Auswirkungen im Steuerrechtsverhältnis einer Person zu einem anderen EU-Mitgliedstaat stets außer Betracht zu lassen sind, oder ob die aufgrund der Erhöhung der deutschen Einkommensteuer entstandenen Nachzahlungszinsen (teilweise) zu erlassen gewesen wären, wenn den Klägern gegen sie festgesetzte österreichische Einkommensteuer infolge der Verrechnungspreiskorrektur erstattet worden wäre, ohne dass sie insoweit Zinsen beanspruchen könnten.
18 b) Diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zum (BFH/NV 2010, 5) und dem diesem zugrunde liegenden (juris). In jener Sache hatte das FA eine Zahlung der klagenden GmbH an eine neu eingetretene Gesellschafterin nicht als Gewinnausschüttung, sondern als Darlehensrückzahlung behandelt, wodurch einerseits Kapitalertragsteuer erstattet und andererseits Körperschaftsteuer nachgefordert wurde, die das FA sodann verrechnete (§ 226 AO). Insoweit handelt es sich zwar grundsätzlich um die Steuerrechtsverhältnisse verschiedener Personen, da eine Kapitalgesellschaft Schuldnerin der Körperschaftsteuer, nicht aber der Kapitalertragsteuer ist, die sie als Steuerentrichtungspflichtige für ihre Anteilseigner anzumelden und abzuführen hat. Da sie die Kapitalertragsteuer aber zu Unrecht angemeldet hatte, war die klagende GmbH nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt, was den Erlass der Nachzahlungszinsen auf ihre Körperschaftsteuerschuld rechtfertigte.
19 c) Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Entscheidung mit Gemeinschaftsrecht bestehen nicht, weil die Kläger einen Zinserlass auch bei einem reinen Inlandssachverhalt nicht beanspruchen könnten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2017 II Seite 3
AO-StB 2014 S. 329 Nr. 11
BB 2014 S. 2582 Nr. 43
BFH/NV 2014 S. 1919 Nr. 12
BFH/PR 2015 S. 30 Nr. 1
BStBl II 2017 S. 3 Nr. 1
DB 2014 S. 2453 Nr. 43
DB 2014 S. 7 Nr. 42
DStR 2014 S. 10 Nr. 42
DStRE 2014 S. 1396 Nr. 22
DStZ 2014 S. 776 Nr. 22
FR 2015 S. 433 Nr. 9
GmbH-StB 2015 S. 5 Nr. 1
HFR 2015 S. 5 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2014 S. 3222
StB 2014 S. 376 Nr. 11
StBW 2014 S. 853 Nr. 22
StBW 2014 S. 867 Nr. 22
StuB-Bilanzreport Nr. 23/2014 S. 918
Ubg 2014 S. 818 Nr. 12
WPg 2014 S. 1163 Nr. 22
CAAAE-75266