PiR Nr. 10 vom Seite 1

Die IFRS im Praxisbezug

WP/StB Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann | Herausgeber | pir-redaktion@nwb.de

Unsere PiR trägt nicht umsonst den Praxisbezug in ihrem Titel. In der vorliegenden Oktoberausgabe kommt dies an zwei Stellen besonders zum Ausdruck: Unsere Autoren Jörg Bösser, Andreas Grote und Jochen Pilhofer stellen aus erster Hand die auf die neuen (oder alten) Regeln zur Umsatzrealisation nach dem gerade verabschiedeten Standard IFRS 15 dar. Im wird sodann empirisch die fair value-Relevanz in der deutschen IFRS-Rechnungslegung dargestellt. Die praktische Nichtanwendung des Neubewertungsmodells bei Sach- und immateriellen Anlagen überrascht sicherlich nicht, eher die doch recht geringfügige Ausübung der fair value-Option bei Finanzinstrumenten. Dagegen dominiert die fair value-Bewertung in der Immobilienbranche bei der Bilanzierung von als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien.

Die investment properties nach IAS 40 liefern auch das Stichwort zu der unserer beiden Pro & Contra-Autoren Andreas Haaker und Jens Freiberg über das Für und Wider einer Marktbewertung von solchen Immobilien. Es ist schon bemerkenswert, mit welchen jeweils durchschlagkräftigen Argumenten für und gegen eine fair value-Bewertung plädiert wird. Dabei erscheint sogar das zunächst wenig plausible Wahlrecht der Ausübung des Anschaffungskosten- oder des fair value-Modells als Katalysator des Räsonnements.

Nur ist natürlich die Rechnungslegung jeglicher Couleur interessengetrieben. Der Verantwortliche für den Jahresabschluss wird immer die ihm zusagende Bilanzierungsvariante wählen und propagieren. Wertsteigerungen des Immobilienvermögens wird er gerne im fair value-Modell ergebniswirksam in die Bilanz einstellen und umgekehrt in der Krise auf einer Abwertung im ergebnisneutralen Bereich pochen. Die Vertreter der reinen Lehre werden sich zu Recht an dieser Handhabung stoßen, jedoch wer will sie verhindern? Auch die Standardisierer sind Mitglieder eines großen Spiels „rund um die Bilanz“. Hier prallen wirtschaftliche Interessen aufeinander, die nicht im wissenschaftlichen Reinraum geläutert worden sind bzw. werden können. Dabei spielt irgendwie immer die Furcht vor der Volatilität des Ergebnisausweises eine Rolle. Der Boom soll ebenso wenig im Abschluss dargestellt werden wie das Gegenteil. Warum eigentlich? Das Ziel der Rechnungslegung besteht doch in der Darstellung einer fairen Sicht des Unternehmens. Sofern dieses in volatilen Märkten investiert ist, müssen die Ergebnisse reinen Wirtschaftens auch entsprechend dargestellt und nicht in geglätteter Form dem Publikum präsentiert werden.

Mit besonderem Nachdruck möchte der Herausgeber schließlich noch auf das „“ zum „Fehler im IFRS-Abschluss“ aus der Feder von Jens Freiberg verweisen. Was sind Bilanzierungsfehler? Verfolgt man die Wirtschaftspresse zu größeren Unternehmensskandalen, steht am Anfang der Verdächtigung immer der Verdacht der Bilanzfälschung. Zu einer Verurteilung in straf- oder zivilrechtlicher Form kommt es dagegen praktisch nie. Offensichtlich sind die Beweisschwellen extrem hoch, jedenfalls sehr viel höher als etwa bei der Feststellung von Insolvenzdelikten. Vor dem Tribunal werden denn auch Bilanzierungsstreitigkeiten zu den IFRS nicht ausgetragen. In diese Lücke prescht teilweise die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung („Bilanzpolizei“) hinein, allerdings eher mit geringer Publizitätswirkung. Dabei sind häufig Bilanzierungsfragen im engeren Sinne – Bilanzansatz und Bewertung – nicht so sehr das Tummelfeld der Bilanzpolizei, sondern eher fehlende oder unzutreffende Angaben im Anhang und im Lagebericht.

Wolf-Dieter Hoffmann

Fundstelle(n):
PiR 10/2014 Seite 1
EAAAE-74490