Anspruch auf Kindergeld für eine als unbeschränkt steuerpflichtig behandelte Saisonarbeiterin
Gesetze: GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2, GG Art. 103 Abs. 1, AEUV Art. 267, EStG § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b, EStG § 1 Abs. 3, EStG § 49
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde ist —bei Bedenken gegen ihre Zulässigkeit— jedenfalls unbegründet und daher gemäß § 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zurückzuweisen. Das Finanzgericht (FG) hat weder den Anspruch der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf rechtliches Gehör verletzt noch diese ihrem gesetzlichen Richter entzogen.
2 1. a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst vor allem das durch Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 FGO gewährleistete Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Sie haben einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Weiterhin hat das Gericht seine Entscheidung zu begründen, wobei aus seiner Begründung erkennbar sein muss, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat. Diese richterliche Pflicht geht jedoch nicht soweit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Es darf das Vorbringen außer Acht lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht ein Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. , BFH/NV 2008, 1361, m.w.N.).
3 b) Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ist gesetzlicher Richter im Sinne dieser Bestimmung. Es kann daher einen Entzug des gesetzlichen Richters darstellen, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union nicht nachkommt (vgl. , Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts —BVerfGK— 17, 108, m.w.N.). Eine Gerichtsentscheidung, in der eine mögliche Vorlage an den EuGH abgelehnt wird, verstößt allerdings nur dann gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. , BFH/NV 2010, 218; , BVerfGK 19, 265).
4 2. Gemessen an diesen Maßstäben hat das FG weder gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verstoßen noch seine Vorlagepflicht verletzt.
5 a) Wie sich aus dem angegriffenen Urteil selbst ergibt, hat das FG die Rechtsausführungen der Klägerin zur Kindergeldberechtigung gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Kenntnis genommen und ersichtlich in Erwägung gezogen. Unter anderem mit dem Verweis auf das (BFHE 239, 327, BStBl II 2013, 491) ist das FG auch seiner Pflicht, auf das wesentliche Beteiligtenvorbringen in den Gründen der Entscheidung einzugehen, nachgekommen. Der BFH hat in dem zitierten Urteil die nationalen Rechtsvorschriften zum Monatsprinzip bei der Kindergeldberechtigung gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG und die hierzu vertretenen Auffassungen gewürdigt und ist zugleich auch auf unionsrechtliche Fragestellungen eingegangen. Das FG hat sich in der angegriffenen Entscheidung bewusst der Rechtsprechung des BFH angeschlossen. Die Klägerin wurde damit darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihre steuer- wie gemeinschaftsrechtlichen Argumente sowohl nach Auffassung des BFH wie auch des FG nicht stichhaltig sind. Das FG war nicht gehalten, jedes von der Klägerin gegen das Monatsprinzip ins Feld geführte (Unter-)Argument noch einmal einzeln abzuhandeln, da das einschlägige BFH-Urteil bereits eine eingehende rechtliche Auseinandersetzung enthielt. Auch wenn sich die Klägerin im Vergleich zu den Beteiligten des BFH-Verfahrens einer verbreiterten und vertieften Argumentation bedient haben sollte, konnte sich das FG im Wesentlichen damit begnügen, auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu verweisen. Denn die streitige Rechtsfrage blieb als solche unverändert, so dass Angriffe gegen die bereits vorliegende und vom FG als zutreffend herangezogene Grundsatzentscheidung des BFH vom FG als rechtlich unbeachtlich gewertet werden konnten, ohne dass dies im Detail noch einmal in den Entscheidungsgründen dargestellt werden musste.
6 Neue, bislang vom BFH ungeprüfte Gesichtspunkte können im Übrigen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N.). Sollte das Vorbringen der Klägerin dahin zu verstehen sein, muss der Beschwerde allerdings der Erfolg versagt bleiben. Denn der BFH hat sich mehrfach ausführlich —auch unter Berücksichtigung des Unionsrechts— mit der Geltung des Monatsprinzips bei der Kindergeldberechtigung gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG befasst und die im BFH-Urteil in BFHE 239, 327, BStBl II 2013, 491 vertretene Auffassung als zutreffende und gemeinschaftsrechtskonforme Gesetzesinterpretation bestätigt (, BFH/NV 2013, 1554; Senatsurteil vom III R 59/11, BFH/NV 2013, 1992). Damit gibt es keine klärungsbedürftige Rechtsfrage mehr.
7 Die Beschwerde ist äußerlich zwar in die Gestalt einer Gehörsrüge gekleidet, richtet sich im Kern aber allein gegen die Richtigkeit des FG-Urteils und die ihm zugrunde liegende höchstrichterliche Rechtsprechung. Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.
8 b) Auch die Rüge, das FG habe den EuGH anrufen oder aber die Revision zulassen müssen, greift nicht durch. Denn erstinstanzliche Gerichte sind unionsrechtlich nicht zur Vorlage verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn eine Zulassung des Rechtsmittels durch das oberste Gericht erforderlich ist (vgl. , 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159; , BFH/NV 2008, 390; Senatsbeschluss vom III B 17/08, BFH/NV 2009, 380).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 521 Nr. 4
NAAAE-56265