BGH Beschluss v. - VIII ZB 40/13

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Der Beklagte hat gegen das ihm am 24. April 2013 zugestellte erstinstanzliche Urteil durch seinen Prozessbevollmächtigten rechtzeitig Berufung eingelegt. Am 24. Juni 2013 ist auf dem Faxgerät des Landgerichts Nürnberg-Fürth mit der Faxnummer 0911-12020 ein an das Oberlandesgericht Nürnberg gerichteter Antrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten eingegangen, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat zu verlängern. Bei diesem Faxgerät handelt es sich um das Gerät der 7., 8., 16. und 19. Zivilkammer sowie der Wiedergutmachungskammer des Landgerichts, nicht um ein Gerät des Oberlandesgerichts Nürnberg oder der gemeinsamen Einlaufstelle der Nürnberger Justizbehörden. Nach Weiterleitung durch die Geschäftsstelle ist der Verlängerungsantrag am 25. Juni 2013 bei der gemeinsamen Einlaufstelle der Nürnberger Justizbehörden eingegangen. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19. Juli 2013, der beim Berufungsgericht am gleichen Tag per Fax eingegangen ist, hat der Beklagte die Berufung begründet und Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist begehrt.

2 Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin mit Beschluss vom 8. August 2013 zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Beklagten keine W iedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Berufung gewährt werden könne, weil die Nichteinhaltung der Frist auf einem ihm zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhe. Denn der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe keine hinreichenden organisatorischen Vorkehrungen für eine wirksame Ausgangskontrolle getroffen. Zwar habe er glaubhaft gemacht, dass eine allgemeine Büroanweisung bestehe, wonach die Telefaxnummer der Empfangsstelle entweder einem in der Akte befindlichen zeitnahen Schriftstück des Gerichts oder der Homepage des Gerichts zu entnehmen und der Sendebericht nach Absenden des Faxes auf die richtige Adressierung, die korrekte Übernahme der Telefaxnummer und deren korrekte Zuordnung zum Empfängergericht zu überprüfen sei. Es fehlten aber geeignete Anweisungen, die sicherstellen könnten, dass das der anwaltlichen Akte entnommene Schreiben des Ausgangsgerichts, dessen Briefkopf die Faxnummer entnommen worden sei, bei der späteren Kontrolle des Sendeberichts nicht nochmals versehentlich zur Grundlage der Kontrolle gemacht werde. Der naheliegenden und in der Gerichtspraxis wiederholt auftretenden Gefahr, dass die gesuchte Faxnummer des Berufungsgerichts einem Schreiben des Ausgangsgerichts entnommen werde und der Fehler auch bei der nachträglichen Kontrolle unbemerkt bleibe, sei nicht entgegengewirkt worden.

II.

3 Die frist- und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist (§ 233 ZPO).

4 1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung verletzt die Verfahrensgrundrechte des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2011 IV ZB 2/11, AnwBl. 2011, 865 Rn. 6; vom 12. Juni 2012 VI ZB 54/11, NJW-RR 2012, 1267 Rn. 5; vom 26. Juni 2012 VI ZB 12/12, NJW 2012, 3309 Rn. 5; jeweils mwN).

5 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

6 a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der Beklagte die Frist zur Begründung der Berufung versäumt hat und auch der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht rechtzeitig vor Fristablauf beim Berufungsgericht eingegangen ist. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat die Übermittlung des Fristverlängerungsantrags an die hier angewählte Faxnummer des Landgerichts die Frist nicht gewahrt, weil diese Faxnummer nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zur Gemeinsamen Postannahmestelle der Nürnberger Justizbehörden gehörte. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von den von der Rechtsbeschwerde zitierten Fällen (vgl. , MDR 2013, 1186 Rn. 12 unter Hinweis auf BVerfG, NJW-RR 2008, 446). Denn in jenen Fällen war jeweils einer der besonders bestimmten Telefaxanschlüsse der beteiligten Behörden und Gerichte angewählt worden, die nach einer Gemeinsamen Anordnung der Behördenleiter zugleich als Anschlüsse der anderen Behörden und Gerichte galten; deshalb waren die bei einem dieser Anschlüsse eingehenden Telefaxschreiben als bei der Geschäftsstelle der jeweils angeschriebenen Behörden- oder Gerichtsstelle eingegangen anzusehen. Hier ist indes der Fristverlängerungsantrag nicht an einen derartigen besonders bestimmten Faxanschluss übermittelt worden.

7 b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen, die an die Ausgangskontrolle bei einem per Fax übermittelten fristgebundenen Schriftsatz zu stellen sind, überspannt. Die fehlerhafte Übermittlung des Fristverlängerungsantrags an das Landgericht beruht allein auf einem dem Beklagten nicht zuzurechnenden Verschulden der Büroangestellten seines Prozessbevollmächtigten.

8 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es ausreichend (und im Übrigen auch geboten), die Faxnummer des Adressatgerichts - soweit möglich - dem letzten in der Handakte befindlichen (zeitnahen) Schreiben des Adressatgerichts zu entnehmen und auch die anschließende Kontrolle des Sendeberichts darauf, ob die richtige Nummer des Adressatgerichts gewählt wurde, anhand dieses Schreibens vorzunehmen (BGH, Beschlüsse vom 17. August 2011 - VIII ZB 39/10, NJW-RR 2011, 1557 Rn. 11; vom 14. Oktober 2010 - IX ZB 34/10, NJW 2011, 312 Rn. 10).

9 Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei einer derartigen Vorgehensweise eine erhöhte Fehleranfälligkeit dahin bestehe, dass versehentlich die Faxnummer einem Schreiben des Ausgangsgerichts (statt des Adressatgerichts) entnommen werde und sich der Fehler bei der Kontrolle wiederhole, teilt der Senat nicht. Das Adressatgericht - Oberlandesgericht Nürnberg - ist auf dem Fristverlängerungsantrag des Beklagten vom 24. Juni 2013 zutreffend angegeben. Die (theoretische) Möglichkeit, dass aufgrund eines Versehens die Nummer des Ausgangsgerichts - hier des Landgerichts Nürnberg-Fürth - ermittelt und verwendet wird und sich der Fehler anschließend bei der Ausgangskontrolle wiederholt, besteht auch bei der Anweisung, die Faxnummer über die Homepage des Adressatgerichts zu ermitteln. Jedenfalls darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine erfahrene Büroangestellte, die bisher zuverlässig gearbeitet hat, die allgemeine Anweisung, die Faxnummer des Adressatgerichts aus einem bei der Handakte befindlichen Schreiben dieses Gerichts herauszusuchen und den Sendebericht anschließend anhand dieses Schreibens noch einmal auf die richtige Faxnummer des Adressatgerichts zu kontrollieren, zuverlässig ausführen wird. Dass entsprechende Anweisungen im Büro des Prozessbevollmächtigten des Beklagten bestanden, ist durch die eidesstattliche Versicherung der Bürokraft glaubhaft gemacht. Der gleichwohl unterlaufene Fehler beim Heraussuchen und der Kontrolle der verwendeten Nummer beruht daher auf einem dem Beklagten nicht zuzurechnenden Versehen der Büroangestellten und nicht auf einem Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten.

10 Da der Beklagte die versäumte Prozesshandlung vor Ablauf der begehrten Fristverlängerung nachgeholt hat (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO), war seinem Wiedereinsetzungsantrag zu entsprechen.

Fundstelle(n):
YAAAE-55327