Verheiratete Beamte; Kappungsgrenze für Familienzuschlag bei Teilzeitbeschäftigung; Billigkeitsentscheidung bei Rückforderung
Leitsatz
Verheiratete Besoldungsempfänger, deren Arbeitszeit zusammen die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten nicht übersteigt, erhalten den Familienzuschlag der Stufe 1 jeweils entsprechend ihrem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 BBesG. Die in § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG enthaltene Kappungsgrenze findet nur Anwendung, wenn die Arbeitszeit der Ehegatten insgesamt diejenige eines Vollzeitbeschäftigten übersteigt.
Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, § 6 Abs 1 BBesG, § 12 Abs 2 S 3 BBesG, § 40 Abs 4 S 1 BBesG, § 40 Abs 4 S 2 BBesG, Anh Rahmenvereinbarung § 4 Nr 2 EGRL 81/97
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 4 B 70.09 Urteilvorgehend Az: 28 A 144.07 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin beansprucht den Familienzuschlag der Stufe 1 in der ihrem Teilzeitstatus entsprechenden Höhe.
2Die 1950 geborene Klägerin ist Stadtoberinspektorin (Besoldungsgruppe A 10) im Dienst des beklagten Landes und mit einem ebenfalls dort beschäftigten Beamten verheiratet. Sie war ab 1988 familienbedingt mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit in Teilzeit beschäftigt, seit Juni 2005 ist ihr Altersteilzeit im Blockmodell mit einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit bewilligt. Auch der Ehemann der Klägerin, der zunächst in Vollzeit tätig war, nimmt seit Juni 2005 Altersteilzeit in Anspruch und ist seitdem mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt. Der Beklagte zahlte der Klägerin bis März 2007 die Hälfte des vollen Familienzuschlags der Stufe 1 (52,64 €/monatlich) weiter, danach gewährte er nur noch ein Viertel der Hälfte des Zuschlags (13,16 €/monatlich). Gleichzeitig forderte er den Differenzbetrag ab Juni 2005 zurück.
3Nach erfolglosem Widerspruch hat das Verwaltungsgericht die Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin ab ein Viertel des vollen Familienzuschlags der Stufe 1 zu gewähren. Die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. In dem Berufungsurteil ist ausgeführt, die Kürzungsregelung des § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG könne bei verfassungskonformer Auslegung keine Anwendung auf die Klägerin und ihren Ehemann finden. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, die familienbezogene Leistung auch dann nur einmal zu gewähren, wenn beide Ehegatten zuschlagsberechtigt seien und zusammen mehr als die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreichten. Dies sei hier nicht der Fall, sodass der Klägerin der Zuschlag anteilig im Verhältnis ihres Teilzeitanteils zur Regelarbeitszeit zu gewähren sei.
4Mit der Revision beantragt der Beklagte,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom und des Verwaltungsgerichts Berlin vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
5Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Gründe
6Die zulässige Revision des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten (§ 101 Abs. 2 VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, der Klägerin den Familienzuschlag der Stufe 1 aus § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG entsprechend ihrer Teilzeitquote gemäß § 6 Abs. 1 BBesG in Höhe von einem Viertel zu gewähren. Die in § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG für verheiratete Beamte angeordnete Sonderregelung findet nach dem Normzweck dieser Vorschrift keine Anwendung, solange beide Ehegatten zusammen die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten nicht überschreiten.
71. Nach § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 3020), zuletzt geändert durch Gesetz vom (BGBl. I S. 1466), erhält ein Beamter den Betrag der Stufe 1 des für ihn maßgeblichen Familienzuschlags zur Hälfte, wenn sein Ehegatte auch Beamter ist und ihm ebenfalls ein Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Höchstbetrages der Stufe 1 des Familienzuschlages zustünde. Die Vorschrift galt für die Beamten des Beklagten auch nach dem Übergang der Gesetzgebungszuständigkeit für die Besoldung der Landesbeamten auf die Länder nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom (BGBl I S. 2034) seit dem zunächst nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG und § 86 BBesG fort. Seit Inkrafttreten des Zweiten Dienstrechtsänderungsgesetzes von Berlin vom (GVBl. S. 266) zum ist sie aufgrund der Verweisung in § 1b Abs. 1 Nr. 1 LBesG Berlin anwendbar.
8Die Klägerin und ihr Ehemann sind Beamte, die dem Grunde nach Anspruch auf Gewährung eines Familienzuschlags der Stufe 1 gemäß § 39 Abs. 1, § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG i.V.m. der Anlage V dieses Gesetzes haben. Die Höhe bemisst sich nach § 40 Abs. 4 Satz 1 und 2 BBesG (vgl. BVerwG 2 B 104.07 - juris Rn. 8). Die Anordnung aus § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG gilt auch unabhängig davon, ob einem der Ehegatten weniger als die Hälfte des Höchstbetrags der Stufe 1 des Familienzuschlags zustünde. Das in § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG genannte Tatbestandsmerkmal "in Höhe von mindestens der Hälfte des Höchstbetrages der Stufe 1 des Familienzuschlags" bezieht sich ausschließlich auf die 3. Alternative der "entsprechenden Leistungen" (ebenso etwa - ZBR 2013, 91 <92> m.w.N.).
9Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Durch das Achte Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften vom (BGBl. I S. 869) ist zusätzlich zu den bestehenden Varianten "und stünde ihm ebenfalls der Ortszuschlag der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zu" die neue 3. Alternative "oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages der höchsten Tarifklasse" eingefügt worden. Die Einschränkung ist daher Bestandteil der neu eingefügten 3. Alternative und bezieht sich ausschließlich auf diese. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschränkung auch auf die bereits zuvor gültigen Varianten erstreckt werden sollte, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen kommt der Bezugnahme auf den Höchstbetrag nur bei der Eingrenzung der Berücksichtigung entsprechender tarifvertraglicher Leistungen eine sinnvolle Begrenzungsfunktion zu (vgl. - BAGE 118, 123 Rn. 18), während sie im Falle der dienstrechtlichen Zuschlagsberechtigung sachfremd wäre.
102. Der Anwendungsbereich der in § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG getroffenen Regelung ist angesichts der Entstehungsgeschichte dieser Norm und im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung aber auf die Fälle einzuschränken, in denen die Arbeitszeit beider Ehegatten zusammen die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreicht oder überschreitet.
11a) Dem Familienzuschlag kommt eine soziale, nämlich ehe- und familienbezogene Ausgleichsfunktion zu. Er tritt zu den leistungsbezogenen Besoldungsbestandteilen hinzu, um diejenigen Mehraufwendungen auszugleichen, die typischerweise durch Ehe und Familie entstehen. Dadurch erfüllt der Gesetzgeber die sich aus dem Alimentationsgrundsatz gemäß Art. 33 Abs. 5 GG ergebende Verpflichtung, die dem Beamten obliegenden Unterhaltspflichten gegenüber Ehegatten und Kindern realitätsgerecht zu berücksichtigen. Zugleich kommt er der durch Art. 6 Abs. 1 GG begründeten Pflicht nach, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern ( BVerwG 2 C 16.04 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 35 Rn. 21 f.; vgl. auch - BVerfGE 131, 239 <262>).
12Der Zweck des Familienzuschlags der Stufe 1 rechtfertigt es, dass der anspruchsbegründende Tatbestand der Ehe nur einmal berücksichtigt wird, auch wenn beide Ehegatten besoldungsberechtigt sind ( BVerwG 2 C 24.04 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 33 Rn. 15). Dies wird dadurch erreicht, dass dieser Zuschlag jeweils halbiert wird (§ 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG). Besoldungsempfänger, die miteinander verheiratet sind, können danach nicht mehr als jeweils die Hälfte des für sie maßgebenden Familienzuschlags der Stufe 1 erhalten. Der Zuschlag soll den Ehegatten auch nur dann insgesamt einmal zugute kommen, wenn sie aufgrund ihrer Arbeitszeiten nach § 6 Abs. 1 BBesG zusammen höhere Zahlungsansprüche hätten. § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG statuiert eine Kappungsgrenze, die nicht überschritten werden darf ( BVerwG 2 C 44.04 - BVerwGE 124, 227 = Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 34 Rn. 8).
13Aus dieser Zweckbestimmung der Vorschrift folgt zugleich, dass die Obergrenze nicht unterschritten werden darf, wenn beide Ehegatten zusammen die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreichen oder überschreiten (Urteil vom a.a.O. Rn. 20 f.). Entsprechendes gilt auch für Teilzeitbeschäftigungen, die nicht den Umfang einer Vollzeitbeschäftigung erreichen. Auch hier liegt kein Grund für die durch § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG vorgesehene Kürzung vor, weil die Kappungsgrenze nicht erreicht ist.
14Das dem Zweck des Familienzuschlags entsprechende Verständnis des Satzes 1 des § 40 Abs. 4 BBesG wird durch Satz 2 bestätigt: Danach wird der nach Satz 1 halbierte Zuschlag teilzeitbeschäftigter Beamten nicht zeitanteilig nach § 6 Abs. 1 BBesG gekürzt. Dies verdeutlicht, dass es für die Höhe des Anspruchs auf den Familienzuschlag der Stufe 1 nicht auf den Umfang der Arbeitszeiten der Ehegatten ankommt, solange deren Summe die Regelarbeitszeit zumindest erreicht. Die gesetzliche Kappungsgrenze kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn den Ehegatten ansonsten mehr als 100 v.H. des Familienzuschlags der Stufe 1 zustünde. Sie macht keinen Sinn, wenn die Ansprüche bei Anwendung des § 6 Abs. 1 BBesG darunter liegen. Erreicht die Summe der Teilzeitbeschäftigungen beider Ehegatten die Regelarbeitszeit nicht, bedarf es keiner Kappungsgrenze, um dem familienpolitischen Zweck des Zuschlags Rechnung zu tragen. Denn bei Anwendung des § 6 Abs. 1 BBesG, d.h. bei zeitanteiliger Gewährung des Zuschlags, wird insgesamt weniger als ein voller Familienzuschlag der Stufe 1 ausgezahlt.
15Eine Schlechterstellung der im öffentlichen Dienst teilzeitbeschäftigten Ehepaare, die insgesamt nicht die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreichen, gegenüber denjenigen, deren Arbeitszeit diese Schwelle überschreitet, wäre mit Art. 3 Abs. 1 GG daher nicht vereinbar. Dem Anliegen, den Familienzuschlag der Stufe 1 nur entsprechend dem tatsächlich geleisteten Arbeitszeitanteil zu gewähren, trägt bereits § 6 Abs. 1 BBesG Rechnung.
16b) Diese einschränkende Auslegung entspricht auch der Entstehungsgeschichte der Norm. Die Anordnung des § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG ist durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom (BGBl. I S. 3091) als damaliger § 40 Abs. 5 Satz 1 BBesG eingefügt worden, um die doppelte Abgeltung desselben Tatbestandes (Heirat bzw. Kinderbetreuung) aus öffentlichen Kassen zu vermeiden (BTDrucks 7/4127, S. 40). In diesem Zeitpunkt kannte das Dienstrecht des Bundes und der Länder eine unterhälftige Teilzeitbeschäftigung noch nicht. Die im Tatbestand vorausgesetzte Situation, dass beide Ehegatten zuschlagsberechtigt sind, konnte daher nur bei einer Gesamtarbeitszeit eintreten, die mindestens derjenigen eines Vollzeitbeschäftigten entsprach. Der eingeführten Regelung lag somit stets die Konstellation zugrunde, dass die Arbeitszeit der Ehegatten zusammen mindestens diejenige eines Vollzeitbeschäftigen erreicht. Dem entspricht die angeordnete Rechtsfolge, die das Erdienen eines vollen Familienzuschlags voraussetzt.
17Eine Abweichung von dieser Grundannahme ist erst durch Einführung der unterhälftigen Teilzeitbeschäftigung durch das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom (BGBl. I S. 322) möglich geworden. Hierdurch konnte es geschehen, dass trotz zweifacher Zuschlagsberechtigung insgesamt die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigen unterschritten wurde. Die Anpassung des Familienzuschlagrechts an diese Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts und die Möglichkeit einer unterhälftigen Teilzeitbeschäftigung hat der Gesetzgeber unterlassen. Es spricht jedoch nichts dafür, dass der Gesetzgeber der von ihm selbst eingeleiteten Entwicklung des Arbeitszeitrechts entgegensteuern wollte, indem die unterhälftige gegenüber der mindestens hälftigen Teilzeitbeschäftigung finanziell überproportional schlechter gestellt werden sollte (vgl. Urteil vom a.a.O. Rn. 16).
18c) Schließlich folgt das einschränkende Verständnis des Anwendungsbereichs der Norm auch aus dem systematischen Zusammenspiel der als Regelungseinheit konzipierten Sätze 1 und 2 des § 40 Abs. 4 BBesG.
19§ 40 Abs. 4 Satz 2 BBesG bezieht sich auf die vorangegangene Anordnung in Satz 1 und enthält eine Sonderregelung für teilzeitbeschäftigte Beamte. Die Anwendung der zeitanteiligen Kürzungsregelung aus § 6 Abs. 1 BBesG wird ausgeschlossen. Damit wird verhindert, dass der halbierte Familienzuschlag der Stufe 1 zusätzlich gequotelt wird. Ein derartiges Ergebnis wäre sachwidrig, weil der von den Ehegatten zusammen erdiente volle Familienzuschlag ohne sachlichen Grund geschmälert würde. Entsprechendes gilt indes auch für die Fälle, in denen die Ehegatten zusammen die Kappungsgrenze bereits nicht erreichen. Hier wird indes nicht die Anwendung des § 6 Abs. 1 BBesG ausgesetzt, sondern bereits die Halbierungsanordnung aus § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG.
20In beiden Fällen ist damit sichergestellt, dass der Familienzuschlag der Stufe 1 den im öffentlichen Dienst beschäftigten Ehegatten entsprechend dem Zeitanteil ihrer Beschäftigung, aber maximal in Höhe von 100 v.H. des vollen Zuschlags gewährt wird. Sofern die Ehegatten in Teilzeit beschäftigt sind und zusammen nicht mehr als die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen, werden die jeweiligen Familienzuschläge gemäß § 6 Abs. 1 BBesG entsprechend dem Arbeitszeitanteil gekürzt. Übersteigt der Beschäftigungsanteil der Ehegatten insgesamt die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollbeschäftigung, erhält jeder Ehegatte die Hälfte seines Familienzuschlags.
213. Die zeitanteilige Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 nach § 6 Abs. 1 BBesG ohne vorherige Anwendung der Halbierungsregelung des § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG trägt dem unionsrechtlichen Grundsatz "pro rata temporis" Rechnung.
22Nach § 4 Nr. 2 des Anhangs der Richtlinie Nr. 97/81/EG des Rates vom zur der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl EG Nr. L 14 vom S. 9, ber. ABl EG Nr. L 128 vom S. 71) gilt dieser Grundsatz für Teilzeitbeschäftigte, wo dies angemessen ist.
23Der genannte Anhang enthält die von der Union der europäischen Industrie- und Arbeitgeberverbände, dem Europäischen Gewerkschaftsbund und dem europäischen Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft geschlossene Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit. Aufgrund der Übernahme als Anhang in die Richtlinie Nr. 97/81/EG stellt diese Vereinbarung einen Bestandteil der Richtlinie dar und nimmt an deren Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten teil. Diese sind verpflichtet, ihr Recht den inhaltlichen Vorgaben der Rahmenvereinbarung anzupassen ( BVerwG 2 C 72.08 - BVerwGE 136, 165 = Buchholz 239.1 § 6 BeamtVG Nr. 6 jeweils Rn. 17 f.).
24Nach der Präambel des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG verfolgt die Rahmenvereinbarung den Zweck, Benachteiligungen von Teilzeitbeschäftigten zu beseitigen und einen Beitrag zur Entwicklung der Teilzeitarbeitsmöglichkeiten zu leisten. Dementsprechend schreibt § 4 Nr. 1 vor, dass Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nicht nur deswegen gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden dürfen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt. Nach § 4 Nr. 2 gilt, wo dies angemessen ist, der "pro-rata-temporis"-Grundsatz. Daraus folgt, dass sich Teilzeitbeschäftigung nur in quantitativer, nicht aber in qualitativer Hinsicht von gleicher oder gleichwertiger Vollzeitbeschäftigung unterscheiden darf.
25Folglich sind ungleiche Beschäftigungsbedingungen nur insoweit zulässig, als die Ungleichbehandlung dem unterschiedlichen zeitlichen Arbeitsumfang Rechnung trägt. Nach dem Zweck des Anhangs umfasst der in § 4 verwendete Begriff der Beschäftigungsbedingungen die Gesamtheit der Rechte und Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis und damit insbesondere auch das Entgelt für die Arbeitsleistung. Nach § 4 Nr. 1 und 2 des Anhangs sind derartige Leistungen Teilzeitbeschäftigten entsprechend dem zeitlichen Verhältnis der Teilzeit zur Vollzeit, d.h. strikt zeitanteilig zu gewähren (Urteile vom a.a.O. S. 238 und vom a.a.O. Rn. 19).
26Dieses Ergebnis kann bei im öffentlichen Dienst beschäftigten Ehegatten, die zusammen nicht die Regelarbeitszeit erreichen, nur gewährleistet werden, wenn § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG nicht zur Anwendung gelangt.
274. Auch soweit die Rückforderung dem Grunde nach berechtigt ist, weil der Beklagte mehr als den der Klägerin zustehenden Anteil von ein Viertel des Familienzuschlags der Stufe 1 ausbezahlt hat, ist der Rückforderungsbescheid rechtswidrig. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht die fehlende Billigkeitsentscheidung des Beklagten beanstandet.
28Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden. Damit soll eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung ermöglicht werden. Eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners modifiziert den Rückzahlungsanspruch. Sie betrifft nicht lediglich die Vollziehung oder Vollstreckung des Rückforderungsbescheids, sondern den materiellen Bestand des Rückforderungsanspruchs und ist deshalb zwingend vor der Rückforderung zu treffen. Ein Rückforderungsbescheid darf nicht ergehen, ohne dass eine Billigkeitsentscheidung getroffen worden ist. Die Festlegungen sind im Bescheid selbst zu treffen; eine bloße Bereitschaft, dem Beamten später entgegen zu kommen und etwa Ratenzahlung zu vereinbaren, genügt nicht (vgl. BVerwG 2 C 15.10 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 35 Rn. 23 ff. sowie - BVerwG 2 C 4.11 - Rn. 17 ff.). Die Auffassung des Beklagten, dass eine Billigkeitsentscheidung nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse nachträglich - nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens - ergehen könne, trifft daher nicht zu.
Fundstelle(n):
NJW 2013 S. 8 Nr. 52
SAAAE-50715