Leasing, Rückstellungen, Enforcement u. a.
Erinnert sich noch jemand an Enron? Es sind kaum mehr als zehn Jahre ins Land gegangen, seitdem unter diesem Titel eine gewaltige Eruption die globale Rechnungslegungswelt erschüttert hat. Dabei lieferte die off-balance-Gestaltungstechnik des Konzerns den eigentlichen casus belli. Aufgrund der berühmten 3 %-Grenze (bright line) konnten Tausende von Objektgesellschaften aus dem Konsolidierungsbereich ferngehalten werden. Dabei war diese Grenze keineswegs als ausschließlich formuliert, wurde indes in der Rechnungslegungspraxis so verstanden. Seitdem sind feste quantitative Größen in der internationalen Rechnungslegungsszenerie verpönt, es gilt der Grundsatz des principle based. Nach dieser Maxime sind die Vorschriften zur Abgrenzung des Konsolidierungskreises nach IFRS 10 bis 12 konzipiert. Im Fokusbeitrag von Jens Freiberg und Norbert Panek kann nachgelesen werden, ob und inwieweit nun der prinzipienorientierte Ansatz das Problem bezüglich der Einbeziehung von Objektgesellschaften in den Konzernabschuss zu lösen vermag.
Mit dem Thema „Leasing“ können wir höchst informativ weiterfahren. In der Rubrik IFRS NEWS von Daniel Schubert ist eine Kurzfassung der European Financial Reporting Advisoriy Group (EFRAG) wiedergegeben. Deren Meinung entspricht u. a. derjenigen des DRSC und des IDW, die alle mit unterschiedlicher Gewichtung den geänderten Entwurf zum neuen Leasingstandard – natürlich in wohlgewählten Formulierungen – förmlich zerreißen. Der Meinung der EFRAG kommt dabei besonderes Gewicht zu, spielt sie doch letztlich eine entscheidende Rolle beim späteren Endorsement-Prozess. Dabei steht der kasuistische Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtbilanzierung von ausgeglichenen schwebenden Verträgen gar nicht zur Diskussion. Ist wirklich die künstliche Teilung eines Vermögenswerts (z. B. eines Flugzeugs) in ein Nutzungsrecht einerseits und in eine sachliche Hülle andererseits der Weisheit letzter Schluss?
Ein weiterer Gliederungspunkt in den IFRS NEWS verdient besondere Beachtung. Es geht um die IDW-Stellungnahme zur Enforcement-Leitlinien der ESMA (European Securities and Markets Authority). Nach EFRAG also ESMA: Im Brei der internationalen Rechnungslegung rühren immer mehr Köche. Die ESMA kümmert sich ex officio um die Durchsetzung von Rechnungslegungsvorschriften, also um das Enforcement. Das IDW sieht die Gefahr eines Übergreifens der Enforcement-Instanzen auf die eigentliche Standardsetzung; hierfür sei ausschließlich der IASB zuständig, genauso wie etwa für die Bestimmung von Wesentlichkeitsüberlegungen. Das IDW wendet sich auch mit starken Argumenten gegen ein ausartendes pre-clearance-Verfahren; bei Zweifelsfragen der Rechnungslegung sei der IASB und das IFRS Interpretation Committee die zutreffende Instanz. Das IDW sieht zusätzlich die Veröffentlichung von Durchsetzungsentscheidungen kritisch, weil sich die ESMA auch insoweit in die Rolle eines Standardsetzers begeben könne. Eine schüchterne Frage sei dem Editor zum Abschluss dieses kurzen Gangs über Teilbereiche der internationalen Rechnungslegung mit dem gesamten Begleitkonzert gestattet, denn immerhin werden hier gewaltige Ressourcen verbraucht: Cui bono? Dem wealth of nations?
Schließlich sei unseren Lesern auch der Beitrag von Matthias Albrecht zur Bankenabgabe nach Maßgabe des IFRIC 21 nahegelegt. Wer sich nicht mit der Bilanzierung von Banken beschäftigt, läuft Gefahr, den allgemein gültigen Teil des Themas zu übersehen. Es geht letztlich um die allgegenwärtige Frage des zeitlichen Bilanzansatzes von Verbindlichkeitsrückstellungen.
Beste Grüße
Wolf-Dieter Hoffmann
Fundstelle(n):
PiR 11/2013 Seite 1
NWB QAAAE-47649