Editorial
Steuerpolitik und Ausbildung
In Berlin wird derzeit um die Bedingungen einer Großen Koalition gerungen. Im Zentrum der Verhandlungen stehen neben dem Mindestlohn die von der SPD im Wahlkampf angekündigten Steuererhöhungen, die von der CDU mal mehr, mal weniger kategorisch abgelehnt werden. Dabei geht es in erster Linie um den Einkommensteuerspitzensatz. Dass in einem späteren Koalitionsvertrag Steuererhöhungen ausdrücklich ausgeschlossen werden, ist entgegen der Wahlkampfversprechen von CDU/CSU, schwer vorstellbar. Vom Tisch sein dürfte nur die Vermögensteuer, und wahrscheinlich ist die SPD sogar ganz froh, diese wahlkampfstrategisch eingängige Chiffre sozialer Gerechtigkeit nicht in einen praxistauglichen vollziehbaren Gesetzestext gießen zu müssen.
Doch so dominant das Steuerthema in Wahlkampf und aktuellen Verhandlungen ist, die tatsächliche Steuergesetzgebung, also das, was in der Praxis ankommt, ist erstaunlich unpolitisch. Jedenfalls lassen sich kaum Zuschreibungen zu einzelnen Parteien vornehmen. Die größten Senkungen des Einkommensteuertarifs (Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom , BGBl 1999 I S. 402) gehen auf das Konto von Rot/Grün. In der Großen Koalition hat die CDU zur Erhöhung des Umsatzsteuersatzes genauso die Hand gereicht wie zur sog. Reichensteuer. Zwei weitere Themen stehen zudem ohnehin auf der Agenda: Zum einen die Vorbereitung einer neuen Föderalismusreform, in der es u. a. um Fragen der Fortführung/Umwandlung des Solidaritätszuschlages, aber auch um den Strukturfehler der fehlenden Steuergesetzgebungsautonomie der Länder gehen wird. Am Tisch der Koalitionsverhandlungen sitzen damit keineswegs nur Parteien, sondern auch die Länder. Zum anderen wird die für Frühjahr 2014 angekündigte Entscheidung des BVerfG zur Erbschaftsteuer aller Voraussicht nach zu einer Reform zwingen. Und selbst hier, in diesem auf den ersten Blick so ideologisch besetzten Thema zeigt sich, dass die SPD im Rahmen der letzten Großen Koalition durchaus in der Lage war, die massiven Steuervergünstigungen auch für große Unternehmensvermögen mit zu beschließen.
Aus Sicht der Steuerpraxis ebenso wie der Steuerausbildung spielt es folglich kaum eine Rolle, welche Parteien regieren oder was sie in ihre Koalitionsverträge hineinschreiben. Insbesondere ist die Qualität der Steuergesetzgebung nicht davon abhängig, welche Parteien die Regierung bilden. Verwunderlich ist das nicht: Die für die Steuerpraxis so qualvolle Missbrauchsgesetzgebung, die Maßnahmen zur Abwehr von Steuerausfällen, das Klein-Klein und Hin und Her der vielen unzusammenhängenden Detailänderungen werden im BMF unabhängig von der aktuellen Regierungsmehrheit entworfen. Für Mehreinnahmen oder die Verhinderung von Mindereinnahmen findet sich zudem stets eine Große Koalition. Hieran wird sich auch in der neuen Legislaturperiode nichts ändern, zumal sich alle Parteien bereits im Wahlkampf einig waren, dass man gegen Steuergestaltungen und Steuerverlagerung vorgehen wolle. Die BEPS-Initiative ist parteiübergreifend. Deshalb ist z. B. nicht damit zu rechnen, dass die in diesem Heft kritisch beleuchtete Zinsschranke (s. S. 641) wesentliche Erleichterungen erfährt. Eher ist zu befürchten, dass sie um eine noch problematischere Lizenzschranke ergänzt wird. Ebenso wenig wird die – rein fiskalisch motivierte – Steuerpflicht für Streubesitzdividenden (s. S. 647) zurückgedreht, eher wird sie auf Veräußerungsgewinne ausgedehnt werden.
Johanna Hey
Fundstelle(n):
SteuerStud 11/2013 Seite 633
NWB YAAAE-47107