Instanzenzug: ArbG Bielefeld Az: 6 Ca 257/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 17 Sa 1067/11 Urteilnachgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 17 Sa 999/13 Urteilnachgehend Az: 5 AZR 747/16 (F) Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten nach einer Entgeltkürzung über Vergütungsdifferenzen für das Jahr 2010.
2Der 1959 geborene Kläger ist seit 1994 bei der beklagten Republik Griechenland als Lehrer für das Fach Deutsch an der Griechischen Schule in B beschäftigt.
Am schloss der Kläger mit der Beklagten einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag, der übersetzt auszugsweise lautet:
In einer weiteren Änderung des Arbeitsvertrags heißt es übersetzt ua.:
5Der Kläger erhielt ab dem ein Bruttomonatsgehalt von 3.635,45 Euro.
6Ab Juni 2010 kürzte die Beklagte das Monatsgehalt des Klägers um 355,91 Euro brutto und zahlte ihm nur noch 3.279,54 Euro brutto. Anders als in den Vorjahren erhielt der Kläger im Jahr 2010 keine Jahressonderzahlung in Höhe von 80 % eines Bruttomonatsentgelts. Außerdem zahlte die Beklagte von dem sich aus dem gekürzten Bruttogehalt ergebenden Auszahlungsbetrag (2.452,28 Euro) in den Monaten Juli und September bis Dezember 2010 nur 2.366,66 Euro sowie in den Monaten Juni und August 2010 nur 2.294,49 Euro an den Kläger.
7Mit Schreiben vom hat die Beklagte eine Änderungskündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ausgesprochen und dem Kläger den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit einer Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 310,63 Euro und Einstellung der Jahressonderzahlung angeboten. Außerdem sollen künftig Entgelterhöhungen „nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag (TV-L) geleistet werden, sondern nach Beschluss Ihres Arbeitgebers, dh. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates“. Über die Wirksamkeit der Änderungskündigung führen die Parteien einen Kündigungsschutzprozess, der noch nicht rechtskräftig entschieden ist.
8Nachdem sich der Kläger mit Schreiben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vom erfolglos gegen eine Gehaltskürzung gewandt hatte, hat er mit der am eingereichten und der Beklagten am zugestellten Klage für den Zeitraum Juni bis Dezember 2010 eine monatliche Vergütungsdifferenz von 355,91 Euro brutto, eine Jahressonderzahlung in Höhe von 80 % der durchschnittlichen Monatsvergütung sowie die Auskehrung der restlichen Auszahlungsbeträge verlangt. Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte sei zu einer einseitigen Gehaltskürzung nicht berechtigt.
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie unterliege nicht der deutschen Gerichtsbarkeit. Griechische Gesetze zur Abwendung der Staatsinsolvenz hätten die Gehälter aller Beschäftigten der Beklagten gekürzt. Außerdem handele es sich bei der Jahressonderzahlung um eine freiwillige Leistung, auf die ein Rechtsanspruch nicht bestehe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
12Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.
13I. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht als unzulässig abgewiesen werden. Die beklagte Republik Griechenland genießt in Bezug auf das Arbeitsverhältnis des Klägers keine Staatenimmunität.
141. Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem als Bundesrecht geltenden Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, als ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, wenn ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüfen würde (vgl. - zu C II 2 a der Gründe, BVerfGE 117, 141; - Rn. 14 mwN).
15a) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach der Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist. Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen. Stets hoheitlich ist lediglich das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Dazu gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege ( - Rn. 15 f. mwN).
16b) Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis, kommt es grundsätzlich darauf an, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Natur nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind; entscheidend ist der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit ( - Rn. 17 mwN; - 9 AZR 116/04 - zu A I 2 b der Gründe mwN, BAGE 113, 327 -).
172. Nach diesen Grundsätzen ist die beklagte Republik Griechenland im Streitfall nicht wegen ihrer Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Kläger nimmt als Lehrer an der Griechischen Schule in B keine hoheitlichen Aufgaben wahr.
18a) Es kann dahinstehen, ob griechisches Recht die Tätigkeit eines Lehrers an einer Schule in Griechenland als hoheitliche Tätigkeit einstuft. Nach dem für die Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin auf deutschem Hoheitsgebiet allein maßgeblichen deutschen Recht nehmen Lehrer nicht schwerpunktmäßig hoheitlich geprägte Aufgaben wahr, deren Ausübung nach Art. 33 Abs. 4 GG regelmäßig Beamten vorbehalten ist ( - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 119, 247; - Rn. 20). Innerstaatlich sind auch an öffentlichen Schulen zahlreiche Lehrkräfte im Arbeitsverhältnis tätig.
19b) Die Lehrtätigkeit des Klägers wird nicht deshalb zu einer hoheitlichen Aufgabe, weil die beklagte Republik Griechenland Schulträger ist. Die Griechische Schule in B ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts eine vom Land Nordrhein-Westfalen anerkannte Ergänzungsschule. Als solche unterliegt sie einer in Art. 7 Abs. 1 GG angelegten detaillierten Aufsicht durch den deutschen Staat. Eine anerkannte ausländische Ergänzungsschule iSv. § 118 Abs. 3 Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom (fortan: SchulG NRW) erlangt diesen Status erst durch Verleihung des Ministeriums. Träger, Leiterinnen und Leiter sowie Lehrerinnen und Lehrer von Ergänzungsschulen müssen die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzen und Gewähr dafür bieten, dass Unterricht und Erziehung und die dabei verwendeten Lehr- und Lernmittel nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen, § 116 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW. Der obersten Schulaufsichtsbehörde ist jederzeit Einblick in den Betrieb und die Einrichtungen der Schule zu geben sowie die angeforderten Auskünfte zu erteilen und Nachweise zu erbringen, § 116 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW. Zudem kann die oberste Schulaufsichtsbehörde Errichtung oder Fortführung einer Ergänzungsschule unter bestimmten Voraussetzungen untersagen, § 117 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW.
20Diese Vorgaben des deutschen nationalen Rechts schließen es aus, das Betreiben der Griechischen Schule in B und die Tätigkeit der dort unterrichtenden angestellten Lehrkräfte dem hoheitlichen Handeln der Beklagten zuzuordnen.
21II. Andere Zulässigkeitshindernisse bestehen - auch nach dem Vorbringen der Beklagten - nicht. Insbesondere sind die deutschen Gerichte international zuständig nach Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Nr. 2 a) Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Gewöhnlicher Arbeitsort des Klägers ist B. Der für die Anwendung der EuGVVO erforderliche Auslandsbezug (vgl. dazu - [Lindner] Rn. 29; - Rn. 21) ergibt sich daraus, dass die Beklagte ein ausländischer Staat ohne „Sitz“ im Inland ist.
22III. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Für das erneute Berufungsverfahren beschränkt sich der Senat auf folgende Hinweise:
231. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass auf das Arbeitsverhältnis deutsches Recht Anwendung findet. Das folgt allerdings entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht aus Art. 8 VO (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I). Nach ihrem Art. 28 wird die Verordnung erst auf Verträge angewandt, die ab dem geschlossen worden sind. Im Streitfall ist das anwendbare Recht deshalb noch nach den Art. 27 ff. EGBGB zu ermitteln.
24Nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Ist die Rechtswahl nicht ausdrücklich erfolgt, muss sie sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Einzelfalls ergeben. Das ist vorliegend der Fall. Die Parteien haben ihr Arbeitsverhältnis deutschen Tarifverträgen unterstellt und einen Gerichtsstand in Deutschland vereinbart (vgl. - zu B I 1 der Gründe, BAGE 100, 130; - 2 AZR 270/09 - Rn. 28). Die konkludent getroffene Rechtswahl entspricht auch den Anforderungen des Art. 30 EGBGB. Danach unterliegt ein Arbeitsverhältnis dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Arbeitsvertrags gewöhnlich seine Arbeiten verrichtet (Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB). Arbeitsort des Klägers ist ausschließlich die Griechische Schule in B.
252. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zunächst zu prüfen haben, ob nach dem anzuwendenden deutschen materiellen Arbeitsrecht und den noch im Einzelnen festzustellenden, im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Maßnahme geltenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Beklagte das Gehalt des Klägers einseitig kürzen, insbesondere die Jahressonderzahlung widerrufen durfte.
3. Darüber hinaus wird das Landesarbeitsgericht - ggf. nach vertiefendem Sachvortrag der Parteien und unter Zuhilfenahme eines völker- und staatsrechtlichen Rechtsgutachtens - der Frage nachgehen müssen, welche Rechtsqualität die im bisherigen Prozessverlauf nicht vorgelegten griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 haben und ob diese die Republik Griechenland angesichts der drohenden Staatsinsolvenz und den Auflagen der Troika völkerrechtlich berechtigen, unmittelbar korrigierend auch in solche Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb ihres Staatsgebiets vollzogen werden.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
KAAAE-40999