Erstattung einer Übergangsversorgung bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen der tarifvertraglichen Altersgrenze - ungerechtfertigte Bereicherung - Annahmeverzug
Gesetze: § 812 Abs 1 S 2 Alt 1 BGB, § 818 Abs 1 BGB, § 615 S 1 BGB, § 293 BGB, § 294 BGB, § 295 BGB, § 297 BGB, § 616 BGB, § 267 Abs 1 BGB, § 362 BGB, § 1 TVG, § 611 Abs 1 BGB, § 818 Abs 2 BGB
Instanzenzug: Az: 7 Ca 341/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 5 Sa 756/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs und die Erstattung einer Übergangsversorgung.
2Die am geborene Klägerin ist seit dem bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Flugbegleiterin beschäftigt. Ihre Bruttomonatsvergütung beträgt 3.150,00 Euro.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der als Firmentarifvertrag abgeschlossene Manteltarifvertrag Nr. 11 Kabinenpersonal vom Anwendung. Dort heißt es auszugsweise:
Darüber hinaus finden die Bestimmungen des Tarifvertrags Übergangsversorgung Bordpersonal vom idF vom (im Folgenden: TV-ÜV) Anwendung, der ua. bestimmt:
5Der zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der M Lebensversicherungs-AG abgeschlossene Gruppenversicherungsvertrag entspricht inhaltlich den Vorgaben des TV-ÜV. Die Klägerin trat dieser Gruppenversicherung bei (Versicherungsschein vom ). Die Beklagte zahlte zugunsten der Klägerin Beiträge in Höhe von insgesamt 72.234,20 Euro.
6Mit Schreiben vom machte die Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die tarifliche Altersgrenze hinaus erfolglos geltend. Mit der Abrechnung für Juli 2010 zahlte die Beklagte Urlaubsabgeltung iHv. 2.293,70 Euro brutto. Die Klägerin setzte ihre Tätigkeit ab dem zunächst nicht fort und bezog vom 1. August bis zum Arbeitslosengeld iHv. 8.401,20 Euro.
7Die A Lebensversicherungs-AG zahlte an die Klägerin am 1. August, 1. November und insgesamt 97.584,15 Euro als Versicherungssumme aus.
Im Rahmen eines Befristungskontrollrechtsstreits schlossen die Parteien am vor dem Arbeitsgericht folgenden Vergleich:
9Mit Schreiben vom forderte die Beklagte die Klägerin auf, ab dem an einem Wiedereinsteigekurs für Flugbegleiter teilzunehmen. Die Klägerin antwortete, sie habe am einen wichtigen Arzttermin und für die Zeit vom 9. bis zum einen Flug und ein Hotel gebucht, „da sie einen Urlaub von dem Arbeitsamt bis zum erhalten habe, wegen Kur“. Mit E-Mail vom verlegte die Beklagte die Schulung auf den 4. und . Ab dem hatte die Klägerin Erholungsurlaub. Die Beklagte zahlte der Klägerin für die Zeit vom 18. bis zum Urlaubsentgelt iHv. 1.408,45 Euro brutto. Vom Nettogehalt der Klägerin behielt sie im Februar 2011 1.242,40 Euro, im März 2011 437,40 Euro und im April 2011 1.004,40 Euro ein.
10Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich seit dem im Annahmeverzug befunden. Der Gehaltsabzug für Februar, März und April 2011 sei unberechtigt.
Die Klägerin hat zuletzt - sinngemäß - beantragt,
Die Beklagte hat Klageabweisung und hilfsweise für den Fall, dass der Klage teilweise oder vollumfänglich stattgegeben werde, beantragt,
13Die Klägerin hat Abweisung der Eventualwiderklage beantragt.
14Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin hätte nach dem Vergleichsabschluss unaufgefordert ihre Arbeit anbieten müssen. Ihre Weigerung, an dem Wiedereinsteigekurs teilzunehmen, belege ihren bereits ab dem fehlenden Leistungswillen. Ein 13. Gehalt könne die Klägerin nur in Höhe des Grundgehalts von 2.072,00 Euro brutto beanspruchen; darauf seien bereits 1.812,91 Euro brutto gezahlt. Im Übrigen seien die Ansprüche gemäß § 51 MTV verfallen. Eventuelle Vergütungsansprüche seien schließlich mit der Auszahlung der Versicherungssumme erfüllt worden. Mit ihrem Erstattungsanspruch rechne sie auf, hilfsweise mache sie ihn widerklagend geltend.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage der Beklagten abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin ist die Beklagte zu weiteren Zahlungen verurteilt worden. Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungs- und Widerklagebegehren weiter.
Gründe
16Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, weil das Landesarbeitsgericht noch tatsächliche Feststellungen zum Leistungswillen der Klägerin und zur Aufrechnung zu treffen hat. Davon abhängig ist über die Hilfswiderklage der Beklagten zu entscheiden.
17A. Die Klägerin hat gemäß § 615 Satz 1 BGB Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. August bis zum . Für die Zeit vom bis zum ist die Klage unbegründet, weil die Klägerin nicht leistungswillig war. Ob für den vom Leistungswillen auszugehen ist, hat das Landesarbeitsgericht noch festzustellen.
18I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat über den hinaus fortbestanden. Gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kraft tarifvertraglicher Befristung hatte die Klägerin bereits vor Erreichen der Altersgrenze protestiert. Hierdurch trat Annahmeverzug ein, ohne dass es eines tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung am bedurfte.
191. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Streiten die Parteien über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Berufung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Dieses wörtliche Angebot kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert oder eine Befristungskontrollklage einreicht ( - Rn. 28 mwN). Lediglich nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs keines Angebots des Arbeitnehmers (st. Rspr., - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 36).
202. Die Klägerin hat schon vor Erreichen der tariflichen Altersgrenze ihre Arbeitsleistung hinreichend iSd. § 295 BGB angeboten, als sie mit Schreiben vom die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses beantragte.
21II. Der Annahmeverzug ist nicht mit Abschluss des Prozessvergleichs am beendet worden.
221. Der Annahmeverzug des Arbeitgebers endet nicht von selbst, sondern wenn die Voraussetzungen des Gläubigerverzugs entfallen. Ist der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug gekommen, muss er zur Beendigung des Annahmeverzugs den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern. Allein die Beilegung des Rechtsstreits ändert daran nichts. Auch in diesem Fall kann der Arbeitnehmer eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten. Dies gilt vor allem dann, wenn dem Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann und wo er die Arbeit wieder aufnehmen kann ( - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 37; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 95 Rn. 63).
232. Ohne eine konkrete Arbeitsaufforderung durch die Beklagte war der Klägerin nicht erkennbar, wo und wann sie ihre Arbeit als Flugbegleiterin tatsächlich aufnehmen konnte, zumal sie regelmäßig aufgrund von Dienstplänen für bestimmte Flüge eingeteilt wurde (vgl. § 20a Abs. 2 MTV).
24III. Die Klägerin war bis einschließlich leistungswillig. Für den Zeitraum vom 7. bis zum fehlt es hingegen am Leistungswillen der Klägerin, was insoweit zur Unbegründetheit der Klage führt. Ob die Klägerin am leistungswillig war, hat das Landesarbeitsgericht noch festzustellen.
251. Nach § 297 BGB kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außerstande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen ( - Rn. 15 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34; - 5 AZR 249/11 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 36).
262. In der Zeit vom 7. bis zum war die Klägerin nicht leistungswillig. Die Beklagte hatte der Klägerin mit E-Mail vom Arbeit zugewiesen, indem sie sie aufforderte, ab dem an einem Wiedereinsteigekurs teilzunehmen. Die Antwort der Klägerin, sie habe am einen Arzttermin und für die Zeit vom 9. bis zum einen Flug und ein Hotel gebucht, dokumentierte den fehlenden Leistungswillen der Klägerin.
273. Sollte die Klägerin tatsächlich am einen Arzt aufgesucht haben, um sich persönlich behandeln zu lassen, würde dies nach § 41 Abs. 2 Buchst. d MTV oder § 616 BGB keinen Vergütungsanspruch für diesen Tag begründen, denn die Klägerin hat die Voraussetzungen dieser Entgeltfortzahlungsregelungen nicht dargelegt (vgl. - BAGE 50, 376).
284. Ob von der Fortdauer der Leistungsunwilligkeit am auszugehen ist, muss noch festgestellt werden.
295. Aus dem ab dem 7. Dezember fehlenden Leistungswillen kann nicht auf einen bereits ab dem fehlenden Leistungswillen geschlossen werden. Der Leistungswille fehlte ab dem 7. Dezember wegen des für den anschließenden Zeitraum gebuchten Urlaubs. Die Beklagte hat aber keine Anhaltspunkte dargelegt, aus denen geschlossen werden könnte, die Klägerin sei bereits zu einem früheren Zeitpunkt leistungsunwillig gewesen.
30IV. Die Beklagte kann sich für die Zeit bis zum nicht auf eine fehlende Auffrischungsschulung gemäß Anlage 1 zu OPS 1.1020 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 und damit auf eine fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerin berufen, denn vom an gerechnet waren zum Zeitpunkt der Aufforderung noch keine sechs Monate vergangen. Zudem lässt sich der OPS 1.1020 nicht entnehmen, dass eine unterlassene Auffrischungsschulung das rechtliche Unvermögen zur Berufstätigkeit begründet. Soll eine Rechtsnorm das rechtliche Unvermögen zur Berufstätigkeit begründen, muss sie diese Rechtsfolge klar und deutlich zum Ausdruck bringen (vgl. - Rn. 15, BAGE 130, 29).
31V. In welcher Höhe der Klägerin im Rahmen der anzustellenden Gesamtberechnung (vgl. - Rn. 22 mwN, BAGE 116, 246; - 1 AZR 96/06 - Rn. 33, BAGE 120, 308; - 5 AZR 251/11 - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 37) noch weitere Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zustehen, kann der Senat nicht entscheiden.
321. Die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs sind für den gesamten Streitzeitraum zu addieren. Sodann ist das bezogene Arbeitslosengeld in Abzug zu bringen.
33Der Klägerin stehen zunächst für die Monate August bis November jeweils 3.150,00 Euro brutto (= 12.600,00 Euro brutto) und für die Zeit vom 1. bis zum weitere 630,00 Euro brutto (6/30 von 3.150,00 Euro) zu. Bei der Berechnung ist insoweit nicht auf die in diesem Monat anteilig zu leistenden Arbeitstage abzustellen, sondern die anteilige Vergütung ist auf der Grundlage eines Tagessatzes von einem Dreißigstel des Monatsentgelts zu berechnen (§ 24 Abs. 3 MTV, vgl. auch - Rn. 22 ff., EzA BGB 2002 § 615 Nr. 37). Sollte die Klägerin am leistungswillig gewesen sein, wäre die Vergütung für diesen Tag hinzuzurechnen.
34Hiervon in Abzug zu bringen ist der Betrag von 2.293,70 Euro brutto, mit dem die Beklagte - noch ausgehend von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum - den offenen Urlaubsanspruch der Klägerin abgelten wollte. Von dem Bruttoanspruch ist das bezogene Arbeitslosengeld iHv. 8.401,20 Euro netto abzusetzen. Die Klägerin ist insoweit nicht mehr aktiv legitimiert, § 115 Abs. 1 SGB X.
352. Hinsichtlich der Zinsansprüche wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob es das zum Teil rechtskräftig gewordene arbeitsgerichtliche Urteil hinsichtlich des Zinsausspruchs für die Zeit bis zum gemäß § 319 ZPO berichtigen kann. Ist dies nicht möglich, hat das Landesarbeitsgericht § 308 Nr. 1 ZPO zu beachten.
36VI. Noch offene Bruttoentgeltansprüche der Klägerin sind nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB wegen der Auszahlung der Versicherungssumme durch die A Lebensversicherungs-AG erloschen. Es fehlte insoweit bereits an einem Fremdleistungswillen der A Lebensversicherungs-AG.
371. Zwar kann gemäß § 267 Abs. 1 BGB die Leistung auch durch einen Dritten bewirkt werden, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat. Der Dritte muss dann aber mit dem Willen leisten, die Verpflichtung des Schuldners zu tilgen, wobei es nicht auf seinen inneren Willen ankommt, sondern darauf, wie der Gläubiger sein Verhalten bei objektiver Betrachtung verstehen durfte ( - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 137, 89; - XI ZR 423/01 - zu II 2 b der Gründe, BGHReport 2003, 885).
382. Wie die Vorinstanzen zu Recht erkannt haben, wollte die A Lebensversicherungs-AG durch Auszahlung der Versicherungsleistung eine eigene Schuld gegenüber der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag und keine für sie fremde Vergütungsschuld der Beklagten tilgen. Gemäß § 6 des Gruppenversicherungsvertrags zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der M Lebensversicherungs-AG als Rechtsvorgängerin der A Lebensversicherungs-AG war Versicherungsnehmer die versicherte Person, mithin die Klägerin. Gemäß § 1 Ziff. 1 des Gruppenversicherungsvertrags war die Versicherungsleistung mit Eintritt des 60. Lebensjahres fällig. Der Gruppenversicherungsvertrag enthält gerade keine Regelungen dazu, dass die Auszahlung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin und die Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente voraussetzte. Die Klägerin konnte daher bei objektiver Betrachtung davon ausgehen, dass die A Lebensversicherungs-AG mit der Auszahlung der Versicherungsleistung eine eigene Schuld aus dem Versicherungsvertrag tilge. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird dies auch dadurch untermauert, dass die A Lebensversicherungs-AG die Versicherungsleistungen an die Klägerin ausgezahlt hat, obwohl die Beklagte versucht hatte, sie - mit der Begründung eines fehlenden Anspruchs der Klägerin - von der Auszahlung abzuhalten.
39VII. Die von der A Lebensversicherungs-AG ausgezahlten Versicherungsleistungen stellen ebenso wenig wie die seitens der Beklagten an diese abgeführten Beiträge Gehaltsvorschüsse dar, mit denen etwa offene Vergütungsansprüche verrechnet werden könnten.
401. Eine Zahlung durch den Arbeitgeber ist dann ein Vorschuss, wenn sich beide Seiten bei der Auszahlung darüber einig sind, dass es sich um eine Vorwegleistung handelt, die bei Fälligkeit der Forderung verrechnet werde ( - BAGE 11, 188; - 5 AZR 334/99 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB § 394 Nr. 31 = EzA TVG § 4 Friseurhandwerk Nr. 1).
412. Die Übergangsversorgung sollte der Klägerin von der Zeit des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis bis zum Beginn der Altersrente ein hinreichendes Auskommen sichern. Zu diesem Zweck sollte die Versicherungsleistung mit Vollendung des 60. Lebensjahres an die Klägerin ausgezahlt werden. Der Zweck der Leistung bestand somit nicht darin, nach Eintritt der Altersgrenze zu erbringende Arbeitsleistungen der Klägerin (vorweg) zu honorieren.
42VIII. Die Bruttoentgeltansprüche der Klägerin für 2010 sind nicht durch die seitens der Beklagten erklärte Aufrechnung mit Nettozahlungsansprüchen erloschen. Eine Aufrechnung gegen Bruttolohnansprüche verstößt gegen § 394 BGB ( - zu II 2 b der Gründe).
43B. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 34 Abs. 1 MTV Anspruch auf Zahlung eines Teils eines 13. Gehalts iHv. 259,09 Euro brutto.
44Nach dieser Tarifbestimmung steht dem Arbeitnehmer ein 13. Gehalt in Höhe des Grundgehalts, welches bei der Klägerin 2.072,00 Euro brutto beträgt, zu. Da die Klägerin bereits einen Betrag von 1.812,91 Euro brutto erhalten hat, besteht ein Anspruch auf weitere 259,09 Euro brutto.
45Dieser Anspruch ist nicht gemäß § 51 MTV verfallen, denn die Klägerin hat ihre Forderung binnen sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht. Gemäß § 24 Abs. 6 MTV ist die monatliche Vergütung am Ende eines Monats fällig. Somit wurde der zweite Teil des 13. Gehalts mit dem November-Gehalt am fällig (§ 34 Abs. 1 MTV). Die Klägerin machte diesen Anspruch mit Schriftsatz vom geltend.
46Auch dieser auf Bruttozahlung gerichtete Anspruch ist weder durch die Leistung der Versicherungssumme durch die A Lebensversicherungs-AG noch durch die erklärte Aufrechnung erloschen.
47C. Der Senat kann nicht entscheiden, in welcher Höhe die Klägerin noch restliche Vergütung für die Monate Februar bis April 2011 beanspruchen kann, denn es ist bislang nicht geklärt, in welchem Umfang die unstreitig entstandenen Nettovergütungsansprüche der Klägerin durch Aufrechnung mit einem Wertersatzanspruch der Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung erloschen sind.
48I. Die Beklagte hat gegen die Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 818 BGB Anspruch auf Erstattung der ausgezahlten Übergangsversorgung in Höhe von 63 Prozent, mit dem sie gegen die Nettolohnansprüche der Klägerin aufrechnen konnte. Der Rechtsgrund für die Gewährung der Übergangsversorgung ist entfallen, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Erreichen der tariflichen Altersgrenze fortbesteht.
491. Die Klägerin hat mit dem Beitritt zu der von der Beklagten finanzierten Gruppenversicherung einen Versicherungsschutz in Form einer Versicherung für den Erlebensfall mit Beitragsrückgewähr im Todesfall gemäß § 2 Nr. 1 TV-ÜV erlangt. Hierin liegt ein „etwas“ iSv. § 812 BGB. Der erlangte Versicherungsschutz ist ein Vorteil, der das wirtschaftliche Vermögen der Klägerin vermehrte (vgl. - BGHZ 55, 128, 131; - V ZR 4/94 - zu II 1 a der Gründe, NJW 1995, 53; RGRK/ Heimann-Trosien BGB 12. Aufl. 1989 § 812 Rn. 1). Die Verschaffung eines Versicherungsschutzes gehört zu den möglichen Bereicherungsgegenständen iSv. § 812 BGB ( - zu IV 1 b der Gründe, NJW 83, 1420; Bamberger/Roth/Wendehorst BGB 3. Aufl. 2012 § 812 Rn. 41; Staudinger/Lorenz BGB 13. Aufl. 2007 § 812 Rn. 66; Schulze/Dörner/ Ebert/Hoeren/Kemper/Saenger/Schreiber/Schulte-Nölke/Staudinger Bürgerliches Gesetzbuch 7. Aufl. 2012 § 812 Rn. 3).
502. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin haben der Klägerin diesen Versicherungsschutz verschafft und ihr damit unmittelbar eine Leistung erbracht (zum Leistungsbegriff, vgl. - BGHZ 40, 272; - VII ZR 207/70 - BGHZ 58, 184; MünchKomm/ BGB/Schwab 5. Aufl. 2009 § 812 Rn. 41; Bamberger/Roth/Wendehorst BGB 3. Aufl. 2012 § 812 Rn. 37; zum Fall der Verschaffung eines Versicherungsschutzes, vgl. - zu IV 1 b der Gründe, NJW 1983, 1420).
513. Der rechtliche Grund für die Leistung des Versicherungsschutzes ist nachträglich entfallen (condictio ob causam finitam, § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB).
52Nach § 47 MTV endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf - spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendet hat. Hieran anknüpfend bestimmt § 2 Nr. 1 TV-ÜV, dass die unter den Geltungsbereich des TV-ÜV fallenden Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrags eine persönliche Übergangsversorgung für die Zeit von der tarifvertraglichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit vollendetem 60. Lebensjahr bis zum Beginn der Altersrente bzw. der vorgezogenen Altersrente aus der Angestelltenversicherung in Form einer Versicherung für den Erlebensfall mit Beitragsrückgewähr im Todesfall abzuschließen. Nach § 2 Nr. 3 TV-ÜV werden nach dem Beitritt zur Gruppenversicherung die Versicherungsprämien vom Arbeitgeber getragen und an den Versicherer abgeführt. Die tarifliche Übergangsversorgung dient dazu, Versorgungslücken zu überbrücken, die aus dem an sich tarifvertraglich vorgesehenen Ausscheiden entstehen. Die Arbeitnehmer sollen abgesichert werden, weil ihnen durch die Einführung einer tariflichen Altersgrenze die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses versagt wird (vgl. - zu B II 3 b cc der Gründe, BAGE 100, 292; - 9 AZR 235/01 - zu I 1 c cc der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 28 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 6). Ungeachtet der Unwirksamkeit dieser tariflichen Befristungsregelung (vgl. - AP TzBfG § 14 Nr. 76 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8) hätte die Klägerin die wirksame Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des durch Verstreichenlassen der dreiwöchigen Klagefrist (§ 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG) herbeiführen können. Mit Erhebung der Befristungskontrollklage und die nachfolgende vergleichsweise Einigung auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den hinaus entfiel die zu schließende Versorgungslücke der Klägerin und damit der Rechtsgrund der Leistung des Versicherungsschutzes.
534. Die Beklagte hat gegen die Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 iVm. § 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB Anspruch auf Zahlung von 61.478,01 Euro.
54a) Der Wert des durch die Leistung Erlangten ist für den Zeitpunkt der „grundlosen“ Erlangung zu bestimmen( - zu I 2 der Gründe mwN, BGHZ 5, 197; MünchKomm/BGB/Schwab 5. Aufl. 2009 § 818 Rn. 102). Das ist im Streitfall der Zeitpunkt des nachträglichen Wegfalls des Rechtsgrundes für die Gewährung einer Übergangsversorgung. In diesem Zeitpunkt hatte sich der Versicherungsschutz bereits durch den Eintritt des Versicherungsfalls realisiert. Da sich die Höhe des Wertersatzes nach dem objektiven Wert des Erlangten bestimmt (vgl. - BGHZ 117, 29; MünchKomm/BGB/Schwab 5. Aufl. 2009 § 818 Rn. 75; RGRK/Heimann-Trosien BGB 12. Aufl. 1989 § 818 Rn. 18; Staudinger/Lorenz BGB 13. Aufl. 2007 § 818 Rn. 26), ist auf den Wert der Versicherung Anfang August 2010 abzustellen, wobei Nutzungen und Früchte - wie Zinserträge und Überschussbeteiligungen - einzubeziehen sind, § 818 Abs. 1, §§ 99, 100 BGB (anders für Pflichtteilergänzungsansprüche nach § 2325 Abs. 1 BGB, - BGHZ 185, 252). Deshalb entspricht der Wert der von der Beklagten geleisteten Übergangsversorgung der an die Klägerin ausgezahlten Versicherungssumme.
55b) Der Anspruch der Beklagten ist jedoch auf 63 Prozent der gesamten Versicherungsleistung iHv. 97.584,15 Euro beschränkt. Dies folgt aus der tariflichen Zuordnung des Wertes der Übergangsversorgung.
56aa) Nach § 4 Nr. 3 TV-ÜV räumt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bei Abschluss des Versicherungsvertrags ein unwiderrufliches Bezugs- und Kündigungsrecht in Höhe von 63 Prozent des Rückkaufswerts einschließlich der entsprechenden Gewinnanteile für den Fall ein, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung des Arbeitnehmers oder aufgrund einer wirksamen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers endet. Trotz einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Erreichen der tariflichen Altersgrenze verbleibt damit dem Arbeitnehmer ein Teil des Rückkaufswerts in Höhe von 37 Prozent. Der Tarifvertrag weist insoweit dem Arbeitnehmer einen endgültigen Vermögenswert zu, losgelöst vom Zweck der Übergangsversorgung und unabhängig davon, dass die bis dahin geleisteten Beiträge allein vom Arbeitgeber getragen wurden. In dieser Aufteilung kommt eine tarifliche Bewertung der wechselseitigen Vor- und Nachteile der Übergangsversorgung zum Ausdruck. Der Arbeitnehmer muss auf die Beiträge des Arbeitgebers anfallende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge tragen (zur Minderung des Herausgabeanspruchs nach § 812 BGB in diesem Fall, vgl. - NJW 1970, 2059; MünchKomm/BGB/Schwab 5. Aufl. 2009 § 818 Rn. 135). Andererseits kann der Arbeitgeber seinerseits steuerliche Vorteile durch die Erbringung der Beiträge erlangen.
57bb) Diese tariflichen Maßstäbe lassen sich auf den bereicherungsrechtlichen Ausgleich übertragen. Die Funktion des Bereicherungsrechts besteht in der Rückabwicklung derjenigen Vermögensverschiebungen, die nach dem Gesamturteil der Rechtsordnung „ohne rechtlichen Grund“ erfolgen und daher missbilligt sind (Bamberger/Roth/Wendehorst BGB 3. Aufl. 2012 § 812 Rn. 3). Die §§ 812 ff. BGB dienen der Korrektur irregulärer Vermögensverschiebungen (MünchKomm/BGB/Schwab 5. Aufl. 2009 § 818 Rn. 114 mwN). Der TV-ÜV bestimmt selbst das Ausmaß der irregulären und zu korrigierenden Vermögensverschiebung. Der Zweck der tariflichen Übergangsversorgung kann bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen der Altersgrenze - wie im Streitfall - ebenso wenig erreicht werden wie bei Beendigung vor Erreichen der tariflichen Altersgrenze. Die Zweckverfehlung ist in beiden Fällen die gleiche, denn eine Versorgungssituation besteht (noch) nicht. Deshalb kann die Versicherungsleistung nach Eintritt des Versicherungsfalls denselben Aufteilungsmaßstäben unterworfen werden wie der Rückkaufswert vor Eintritt des Versicherungsfalls.
58cc) Diese Auslegung des TV-ÜV bewirkt keine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters. Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Die Klägerin muss einen Teil der Versicherungsleistung nicht aus Gründen erstatten, die auf ihrem Alter beruhen. Die Zweckbindung der Übergangsversorgung, die zu dem Rückzahlungsanspruch führt, knüpft weder unmittelbar noch mittelbar an das Alter, sondern lediglich an die Tatsache an, ob jeweils gleichaltrige Arbeitnehmer noch in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen oder nicht. Die Klägerin macht nach eigenem Vorbringen eine Benachteiligung gegenüber solchen Arbeitnehmern geltend, die das gleiche Alter wie sie aufweisen, aber mit Vollendung des 60. Lebensjahres das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beendet haben und deshalb mit Rechtsgrund die Übergangsversorgung erhalten. Die Verpflichtung zur Rückzahlung beruht daher nicht auf einem Kriterium, das untrennbar mit dem Alter verbunden ist (vgl. hierzu - [Andersen] Rn. 23, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 17 = EzA Richtlinie 2000/78 EG-Vertrag 1999 Nr. 17), noch mittelbar daran anknüpft (vgl. hierzu - [Tyrolean Airways] Rn. 29, EzA Richtlinie 2000/75 EG-Vertrag 1999 Nr. 27), sondern ist lediglich Folge der von ihr selbst initiierten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen der tariflichen Altersgrenze.
59dd) Die Klägerin ist nicht in ihrer Berufsfreiheit verletzt, Art. 12 Abs. 1 GG. Die Möglichkeit, bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine Übergangsversorgung beziehen zu können, weist keine berufsregelnde Tendenz auf. Soweit die Klägerin meint, der Verlust der Übergangsversorgung zwinge sie mittelbar, ihr Arbeitsverhältnis aufzugeben, verkennt sie, dass die Leistungen der Übergangsversorgung gerade dazu dienen sollten, die finanziellen Folgen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzumildern. Die Klägerin hatte die Wahl, ob sie das Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden und sich als finanziellen Ausgleich die Versicherungssumme auszahlen lassen wollte oder ob sie das Arbeitsverhältnis bis zur gesetzlichen Regelaltersgrenze fortsetzt und im Gegenzug die vereinbarte Vergütung erhält.
60II. Das Landesarbeitsgericht wird feststellen müssen, in welcher Höhe die Beklagte mit dem Zahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB gegen die Netto-Entgeltansprüche der Klägerin im Rahmen der pfändbaren Beträge aufrechnen konnte, § 394 BGB.
D. Weil die Höhe der durch Aufrechnung erloschenen Ansprüche der Beklagten nicht feststeht, kann der Senat nicht entscheiden, in welchem Maß die Eventualwiderklage begründet ist.
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Fundstelle(n):
BAAAE-34525