Wiederholung des mündlichen Teils der Steuerberaterprüfung wegen
Beteiligung von Nichtmitgliedern des Prüfungsausschusses an der
Prüfungsberatung
Anforderungen an Zeitkorrektor im offenen
Verfahren
Keine Bindung der Prüfer an Musterlösung
Rüge unzureichender Zeit für schwierigen Teil der Prüfung
Leitsatz
1. § 14 Abs. 2 S. 2 DVStB enthält
keine Regelung, dass bei der mündlichen Steuerberaterprüfung andere Personen
als die Mitglieder des Prüfungsausschusses an der Beratung teilnehmen. Etwas
anderes folgt auch nicht aus § 175 Abs. 2 GVG bzw. § 193 GVG. Bei Teilnahme
anderer Personen (hier: Hospitation eines künftigen Mitglieds des
Prüfungsausschusses) an der Beratung des Prüfungsausschusses ist die mündliche
Prüfung zu wiederholen (Anschluss an das Urteil des Sächsischen ).
2. Der Grundsatz der
Chancengleichheit aller Bewerber erfordert, dass bei den Abstimmungsphasen des
Erst- und Zweitprüfers über den Notenvorschlag für die schriftlichen
Aufsichtsarbeiten sowie in den Zeiträumen der mündlichen Prüfung, in denen sich
die Prüfer über die Bewertung der von einem Bewerber erbrachten Leistung und
damit über den Prüfungserfolg des Kandidaten im Gespräch austauschen, weder
eine Person i. S. d. Art. 14 Abs. 2 S. 2 DVStB noch ein Dritter i. S. d. § 14
Abs. 2 S. 3 DVStB, also auch kein Gasthörer, im Prüfungslokal anwesend sein
darf. Bereits in der bloßen Anwesenheit eines Gasthörers in den
Beratungsphasen, also auch wenn er keine Fragen stellt oder sonst sich zu den
Leistungen der Bewerber äußert, ist eine Verletzung des in § 14 Abs. 2 Satz 1
DVStB normierten Nichtöffentlichkeitsgebots der Beratungen des
Prüfungsausschusses zu sehen.
3. Das Gericht kann
Prüfungsentscheidungen der Steuerberaterprüfung im Wesentlichen nur daraufhin
überprüfen, ob der Prüfungsausschuss allgemein gültige Bewertungsgrundsätze
verletzt hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, von
unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist oder wesentliche
Verfahrensbestimmungen außer Acht gelassen hat. Hinsichtlich der fachlichen und
prüfungsspezifischen Beurteilung kommt eine gerichtliche Kontrolle im Übrigen
nur in Betracht, wenn sich ein Bewertungsfehler auf die Notengebung ausgewirkt
haben könnte.
4. Im offenen Verfahren bleibt es dem
Zweitkorrektor unbenommen, auf welche Weise er das Ergebnis seiner Korrektur
zum Ausdruck bringt. Selbst der Umstand, dass der Zweitkorrektor die eigens für
seine Korrektur vorgesehen Spalte sowie einen Korrekturbogen (teilweise) nicht
ausfüllt, lässt nicht den Schluss zu, er habe keine eigenständige Bewertung
vorgenommen.
5. Bei den schriftlichen
Steuerberaterprüfungen gibt es keine amtlichen Musterlösungen mit für die
Prüfer verbindlichen Vorgaben. Ein den Prüfern an die Hand gegebenes
Bewertungssystem (sei es in Form eines Punkteverteilungsschemas oder einer
Lösungsskizze des Aufgabenstellers) darf nicht dazu führen, dass die
Übereinstimmung bestimmter Ausführungen in der Klausur mit dem Lösungsvorschlag
in der sog. „Musterlösung” oder der Lösungsskizze zwingend zur
Vergabe bestimmter Leistungspunkte führt, da hierin eine unzulässige
Einschränkung des Prüferermessens läge.
6. Auch wenn ein Fachverlag für
Steuerrecht, der seit vielen Jahren „Die Offiziellen Klausuren aus der
Steuerberaterprüfung sowie Übungsklausuren mit Lösungen” veröffentlicht,
die Meinung vertritt, die für einen bestimmten Teil der schriftlichen
Steuerberaterprüfung geforderte Lösung sei selbst von einem Beraterteam in der
vorgegebenen Zeit nicht zu erarbeiten gewesen, so kann daraus kein
Prüfungsverstoß abgeleitet werden. Der Umstand, dass sämtliche Bewerber der
Steuerberaterprüfung mit der Aufgabe konfrontiert werden, wahrt den Grundsatz
der Chancengleichheit, solange es sich um keine fehlerhaft gestellte Aufgabe
handelt.
Tatbestand
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): DStR 2012 S. 14 Nr. 47 EFG 2012 S. 2066 Nr. 21 RAAAE-17031
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