Angemessene Ausbildungsvergütung - Irreführung durch Altenpflegeschüler
Leitsatz
Zur Ermittlung der angemessenen Ausbildungsvergütung, die der Träger der praktischen Ausbildung zum Altenpfleger zu zahlen hat, sind für Einrichtungen der Diakonie zumindest regelmäßig die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie als Kontrollmaßstab heranzuziehen.
Gesetze: § 17 Abs 1 AltPflG vom , Anl 10a-Ost Nr III DWArbVtrRL, § 123 BGB, § 241 BGB, § 242 BGB, § 280 BGB, § 311 Abs 2 Nr 1 BGB, § 612a BGB, § 1 BAföG, § 11 SGB 2, § 12 SGB 2, § 19 SGB 2
Instanzenzug: ArbG Magdeburg Az: 10 Ca 2779/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Az: 5 Sa 339/08 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 805/12 Nichtannahmebeschluss
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob und ggf. in welcher Höhe dem Kläger für die Zeit einer Ausbildung zum Altenpfleger eine angemessene Vergütung zusteht sowie über die Kosten außergerichtlicher anwaltlicher Vertretung.
Der Kläger schloss mit dem Beklagten, einer Einrichtung der Diakonie, als Träger der praktischen Ausbildung und dem Träger der schulischen Ausbildung einen Ausbildungsvertrag für eine Ausbildung zum Altenpfleger. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
3Der Ausbildungsvertrag eines anderen Altenpflegeschülers beim Beklagten, der seine Ausbildung gleichzeitig mit dem Kläger begann, enthält eine Regelung, nach der sich die zu zahlende Ausbildungsvergütung bis zum Abschluss eines eigenen Tarifvertrages für Altenpflegeschüler nach den tarifvertraglichen Regelungen des öffentlichen Dienstes für Krankenpflegeschüler richtet und eine Ausbildungsvergütung nur zu zahlen ist, wenn der Schüler keinen Anspruch auf öffentliche Mittel hat, die den Unterhalt sichern.
4Die Heimleiterin der Pflegeabteilung, in der die Ausbildung durchgeführt wurde, teilte dem Kläger vor der Einstellung mit, der Beklagte als gemeinnützige Einrichtung werde auf keinen Fall eine Ausbildungsvergütung zahlen. Der Kläger könne für die Ausbildung zum Beispiel Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (künftig: BAföG) oder „Hartz IV“-Leistungen beantragen. Eine Einstellung sei nur bei der Bewilligung entsprechender Leistungen möglich, da dem Beklagten kein Geld für Ausbildungsvergütungen zur Verfügung stehe.
5Der Kläger wohnte während der Ausbildung bei seinen Eltern. In der Zeit vom 1. August bis zum erhielt er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 345,00 Euro monatlich. Ein weiterer Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wurde durch Bescheid vom mit der Begründung abgelehnt, aufgrund einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung gehöre der Kläger zur Bedarfsgemeinschaft seiner Eltern. Durch deren Einkommen sei sein Lebensunterhalt ausreichend gesichert. Seit August 2006 erhielt der Kläger Leistungen nach dem BAföG in Höhe von 17,00 Euro monatlich. Einer höheren Förderung stand das Einkommen seiner Eltern entgegen.
6Der Kläger legte dem Beklagten für den eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, die von der in der Bescheinigung genannten Ärztin nicht ausgestellt war. Mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung in Höhe von monatlich 707,19 Euro, insgesamt 7.071,90 Euro für den Zeitraum „August 2007 bis Juni 2006“ auf der Basis der tariflichen Regelungen für den öffentlichen Dienst über die Vergütung von Krankenpflegeschülern geltend. Gleichzeitig forderte er die Erstattung der Kosten der anwaltlichen Vertretung in Höhe von 661,16 Euro. Mit Schreiben vom lehnte der jetzige Prozessbevollmächtigte des Beklagten diese Forderungen ab. Unter dem kündigte der Beklagte das Ausbildungsverhältnis wegen der Fälschung der Krankschreibung und der Störung des Vertrauensverhältnisses fristlos. Mit Schriftsatz vom focht der Beklagte den Abschluss des Ausbildungsvertrages wegen arglistiger Täuschung an.
7Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger für die Zeit von August 2006 bis Mai 2007 den Anspruch auf angemessene Ausbildungsvergütung weiterverfolgt und Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Vertretung in Höhe von 102,01 Euro geltend gemacht.
8Er habe sich auf die Regelung in § 7 des Ausbildungsvertrages ohnehin nur eingelassen, weil er davon ausgegangen sei, eine höhere Förderung nach dem BAföG und weitere Leistungen nach dem SGB II zu erhalten. Er sei der Meinung gewesen, falls dies nicht gelinge, werde ihm eine Ausbildungsvergütung gezahlt. Kurz nachdem er erfahren habe, dass ihm keine Leistungen nach dem SGB II mehr zustehen, habe er sich an die Pflegedienstleitung des Beklagten, Frau Z, gewandt. Diese habe ihm versprochen, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Da er keine Rückmeldung erhalten habe, habe er nachgefragt. Danach sei das Ausbildungsverhältnis beendet worden.
9Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe nach § 17 des Altenpflegegesetzes (künftig: AltPflG) eine angemessene Ausbildungsvergütung zu. Diese sei nach den tariflichen Regelungen der Vergütung von Krankenpflegeschülern im öffentlichen Dienst zu bemessen und belaufe sich auf 707,19 Euro brutto monatlich. Ihm sei nicht bekannt, dass bei dem Beklagten die Allgemeinen Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie (künftig: AVR-Diakonie) angewandt würden. Jedenfalls sei er mit dem anderen Altenpflegeschüler, dem eine Vergütung nach dem Krankenpflegetarifvertrag zugesagt worden sei, gleichzubehandeln. Seinem Anspruch stünden die ihm gewährten Leistungen zum Lebensunterhalt und nach dem BAföG nicht entgegen. Hierbei handele es sich nicht um vergleichbare Geldleistungen aus öffentlichen Haushalten iSv. § 17 AltPflG. Er habe dem Beklagten nicht zugesagt, dass er für den gesamten Zeitraum der Ausbildung Leistungen nach dem BAföG oder dem SGB II beanspruchen könne. BAföG habe er erst nach Unterzeichnung des Vertrages beantragt. Dass er keinerlei weitere Leistungen nach dem SGB II erhalte, sei ihm erst durch den Bescheid vom bekannt geworden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
11Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe eine Ausbildungsvergütung nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht zu.
12Ohne eine öffentlich-rechtliche Förderung hätte er das Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger nicht begründet. Als nicht gewinnorientierter gemeinnütziger Verein habe er nicht die Mittel, eine Ausbildungsvergütung zu zahlen. Deshalb stelle er nur Altenpflegeschüler ein, deren Unterhalt anderweitig gesichert sei.
13Der Kläger habe während der Ausbildung immer behauptet, er erhalte Arbeitslosengeld II und BAföG. Nur einmal habe er im Laufe der Ausbildung der Heimleitung mitgeteilt, dass er mehr Geld benötige, weil er mit den bisherigen Leistungen nicht klarkomme. Wenn der Kläger - so trägt der Beklagte weiter vor - mitgeteilt hätte, dass er keine oder eine nur geringe öffentlich-rechtliche Förderung erhalte, wäre das Ausbildungsverhältnis während der Probezeit beendet worden. Der Kläger sei deshalb zu einer entsprechenden Mitteilung verpflichtet gewesen. Zudem habe der Kläger versäumt, die Voraussetzungen für eine öffentliche Förderung zu schaffen, die den Beklagten von der Zahlung einer Ausbildungsvergütung enthoben hätte, wie dies alle anderen Auszubildenden getan hätten. Wegen der falschen Angaben des Klägers greife die Anfechtung des Ausbildungsvertrages durch. Der Kläger müsse den Beklagten so stellen, als wäre das Ausbildungsverhältnis mit einer anderen Person aus dem Kreis der weiteren 19 Bewerber begründet worden, der keine Ausbildungsvergütung zu zahlen gewesen wäre. Der Kläger habe sein Recht verwirkt, vom Beklagten eine Ausbildungsvergütung zu verlangen. Die Geltendmachung verstoße gegen Treu und Glauben.
14Im Übrigen könne der Kläger allenfalls eine Ausbildungsvergütung nach den AVR-Diakonie verlangen und nicht nach den Tarifvereinbarungen des öffentlichen Dienstes. Soweit bei einem anderen Auszubildenden auf den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes Bezug genommen worden sei, habe es sich um ein Versehen gehandelt. Etwaige Ansprüche des Klägers seien teilweise nach § 45 Abs. 2 AVR-Diakonie verfallen, da sie erst nach Ablauf von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht worden seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 4.163,90 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung des Klägers auf die Berufung des Beklagten den ausgeurteilten Betrag auf 3.858,46 Euro brutto herabgesetzt. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte weiterhin das Ziel der Klageabweisung. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision und verfolgt mit seiner Anschlussrevision die zuletzt gestellten Klageanträge, soweit die Klage abgewiesen wurde, weiter. Der Beklagte strebt die Zurückweisung der Anschlussrevision an.
Gründe
16Die Revision ist zulässig, die Anschlussrevision ist nur zum Teil zulässig. Die Revision ist unbegründet, die Anschlussrevision ist - soweit sie zulässig ist - teilweise begründet.
17A. Während gegen die Zulässigkeit der Revision keine Bedenken bestehen, ist die Anschlussrevision unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage hinsichtlich der Kosten der außergerichtlichen Vertretung in Höhe von 102,01 Euro jeweils nebst Zinsen und hinsichtlich der geforderten Ausbildungsvergütung für den in Höhe von 32,64 Euro richtet. Insoweit ist die Anschlussrevision nicht ausreichend begründet.
18Nach § 554 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist die Anschlussrevision zu begründen. § 554 Abs. 3 Satz 2 ZPO ordnet die entsprechende Anwendung von § 551 Abs. 3 ZPO an, der die Anforderungen an die Revisionsbegründung regelt. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO muss die Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe enthalten.
19Daran mangelt es, soweit sich die Anschlussrevision gegen die Abweisung der Klage hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,01 Euro richtet, da es an jeglicher Begründung fehlt.
20Soweit sich die Anschlussrevision gegen die Abweisung der Klage hinsichtlich der Ausbildungsvergütung für den (32,64 Euro: 707,19 Euro monatlich entsprechend der Berechnung des Klägers, multipliziert mit 3, geteilt durch 13 und weiter geteilt durch 5) richtet, ist die Revisionsbegründung nicht ausreichend. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageabweisung insoweit tragend auch damit begründet, dass dem Kläger wegen der gefälschten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Vergütung zustehe. Mit dieser Begründung hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt (zur Pflicht, sich bei mehreren, jeweils tragenden Begründungen mit allen Erwägungen auseinanderzusetzen: - Rn. 18, für die Revisionsbegründung).
21B. Die Revision ist unbegründet, die Anschlussrevision ist - soweit zulässig - zum Teil begründet. Für die Monate Dezember 2006 bis Mai 2007 steht dem Kläger eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 4.015,15 Euro brutto nebst Zinsen zu. Zu Recht hat deshalb das Landesarbeitsgericht die Berufung des Beklagten hinsichtlich einer Verurteilung in Höhe von 3.858,46 Euro brutto nebst Zinsen zurückgewiesen. Es hat jedoch zu Unrecht auf die Berufung des Beklagten unter teilweiser Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage in Höhe weiterer 156,69 Euro brutto nebst Zinsen abgewiesen. Insoweit ist die erstinstanzliche Entscheidung wieder herzustellen. Soweit der Kläger mit seiner Anschlussrevision für diesen Zeitraum weitere 195,35 Euro brutto nebst Zinsen geltend macht, ist sie - soweit sie nicht hinsichtlich des ohnehin unzulässig ist - unbegründet; insoweit hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Klage hinsichtlich der für die Monate August 2006 bis November 2006 geltend gemachten Vergütungsansprüche in Höhe von 2.828,76 Euro nebst Zinsen begründet ist. Dazu bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Insoweit hat der Senat das Berufungsurteil daher aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
22I. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif, soweit durch die Revision und die zulässige Anschlussrevision Vergütungsansprüche des Klägers für Dezember 2006 bis Mai 2007 Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden sind. Die Klage ist für diesen Zeitraum in Höhe von 4.015,15 Euro brutto nebst Zinsen begründet. Der Kläger hat nach § 17 Abs. 1 AltPflG in der bis zum geltenden Fassung Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung. Diese beläuft sich unter Zugrundelegung von Nr. III der Anlage 10a-Ost zu den AVR-Diakonie in der ab geltenden Fassung auf 674,38 Euro brutto monatlich. Für Mai 2007 sind lediglich 643,25 Euro brutto auszuurteilen, da die Vergütung für den nicht Gegenstand einer zulässigen Anschlussrevision ist. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben sich keine weitergehenden Ansprüche. Dem Anspruch steht weder die vom Beklagten erklärte Anfechtung des Ausbildungsvertrages entgegen noch ist der Kläger dem Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet. Die Geltendmachung der Ansprüche verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben. Für die Monate Dezember 2006 bis Mai 2007 sind die Ansprüche nicht nach § 45 Abs. 2 AVR-Diakonie verfallen.
231. Die Ansprüche des Klägers richten sich nach § 17 Abs. 1 AltPflG in der bis zum geltenden Fassung (Bekanntmachung vom , BGBl. I S. 1690, zuletzt geändert durch Verordnung vom , BGBl. I S. 2407, berichtigt durch Bekanntmachung vom , BGBl. I S. 2149; künftig: § 17 AltPflG aF). Die geänderte Fassung von § 17 Abs. 1 AltPflG durch Gesetz vom (BGBl. I S. 3254), das am in Kraft trat (Art. 2, Art. 21 Abs. 1 des Änderungsgesetzes), ist nicht anzuwenden. Das Ausbildungsverhältnis endete vor diesem Zeitpunkt; eine Rückwirkung der Änderung hat der Gesetzgeber nicht angeordnet.
24Diese gesetzliche Änderung und die ihr zugrunde liegenden Gesetzgebungsmaterialien (Ausschussbericht BT-Drucks. 16/7214 S. 18) sind auch sonst ohne Bedeutung. Sie können auch nicht zur Auslegung der hier maßgeblichen Fassung des Altenpflegegesetzes herangezogen werden. Die spätere Änderung des Gesetzes wurde im Gesetzgebungsverfahren des 22. BAföG-Änderungsgesetzes durch den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung in den Entwurf eingefügt (BT-Drucks. 16/7214, Begründung S. 18 aaO). In der Begründung für die Änderung ist zwar die Rede davon, das Gesetz werde redaktionell geändert und es erfolgten Klarstellungen. Ein Wille des historischen Gesetzgebers, die Rechtslage durch die Gesetzesänderung auch für die Vergangenheit zu beeinflussen, ergibt sich daraus jedoch nicht.
252. Nach § 17 Abs. 1 AltPflG aF hat der Träger der praktischen Ausbildung der Schülerin und dem Schüler für die gesamte Dauer der Ausbildung eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen, soweit nicht Ansprüche auf Unterhaltsgeld nach dem SGB III oder Übergangsgeld nach den für die berufliche Rehabilitation geltenden Vorschriften bestehen oder andere vergleichbare Geldleistungen aus öffentlichen Haushalten gewährt werden. Danach schuldet der Beklagte dem Kläger eine angemessene Ausbildungsvergütung. Das Vertragsverhältnis der Parteien unterfällt der Vorschrift. Der Anspruch auf angemessene Ausbildungsvergütung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger während der Ausbildungszeit Geldleistungen aus öffentlichen Haushalten bezogen hat.
26a) § 17 Abs. 1 AltPflG aF ist auf das Rechtsverhältnis der Parteien anzuwenden. Die Parteien haben einen Vertrag geschlossen, nach dem der Beklagte als Träger der praktischen Ausbildung den Kläger als Altenpflegeschüler auszubilden hat. Die Geltung der Vorschrift wurde nicht wirksam abbedungen. § 7 des Ausbildungsvertrages schließt zwar - wovon das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgegangen ist - einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung generell aus und nicht nur für den Fall des Bezugs der in § 17 Abs. 1 AltPflG aF genannten Leistungen aus öffentlichen Haushalten. Diese vertragliche Vereinbarung ist jedoch nichtig. § 17 Abs. 1 AltPflG aF befindet sich im 4. Abschnitt des Altenpflegegesetzes. Eine Vereinbarung zu Ungunsten der Schülerin oder des Schülers, die von den Vorschriften dieses Abschnittes abweicht, ist nach § 22 AltPflG nichtig.
27b) Der Kläger hat während seiner Ausbildung keine öffentlichen Leistungen erhalten, die den Anspruch auf angemessene Ausbildungsvergütung ausschließen oder beschränken. Der Kläger hat weder Unterhaltsgeld nach dem SGB III noch Übergangsgeld nach den für die berufliche Rehabilitation geltenden Vorschriften erhalten. Die Leistungen nach dem BAföG, die er während des gesamten Zeitraums von Dezember 2006 bis Mai 2007 bezog, sind keine anderen vergleichbaren Geldleistungen aus öffentlichen Haushalten iSv. § 17 Abs. 1 AltPflG aF. Das ergibt die Auslegung der gesetzlichen Bestimmung.
28aa) Die Leistungen nach dem BAföG sind weder dem Unterhaltsgeld nach dem SGB III noch dem Übergangsgeld nach den für die berufliche Rehabilitation geltenden Vorschriften vergleichbar. Das sind nur Leistungen, die nach ihren Voraussetzungen, der Art der Berechnung und der Zielsetzung den im Gesetz ausdrücklich genannten Leistungen entsprechen. Dies trifft für Leistungen nach dem BAföG nicht zu.
29(1) Unterhaltsgeld wurde nach § 153 iVm. § 77 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Altenpflegegesetzes (Gesetz vom , BGBl. I S. 1513) geltenden Rechtslage (SGB III idF des Gesetzes vom , BGBl. I S. 594, zuletzt geändert durch Gesetz vom , BGBl. I S. 1394) bei der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung gewährt. Voraussetzung dafür war, dass die Weiterbildung notwendig war, um die Berechtigten bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern oder eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder dass wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt war. Unterhaltsgeld sind nur Leistungen, die bei der Weiterbildung gewährt werden, nicht jedoch Leistungen für die erstmalige Ausbildung. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf enthielt einen Abschnitt „Umschulung“. Nach dessen § 26 Abs. 4 sollte § 17 Abs. 1 AltPflG, der ohne Einschränkung die Zahlung einer angemessenen Ausbildungsvergütung vorsah, nicht gelten, soweit ein Anspruch auf Unterhaltsgeld nach dem SGB III bestand. Die Umschulung sollte dazu beitragen, Personen ohne Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt eine qualifizierte Ausbildung zu verschaffen, wohingegen die Ausbildung der Berufsanfänger nach der Vorstellung des Gesetzgebers vorrangig der Nachwuchssicherung diente. Deshalb wurde die Zahlung der Ausbildungsvergütung dem Bereich der Altenpflege, die Zahlung der Leistungen für Umschülerinnen und Umschüler dem Anwendungsbereich des SGB III zugeordnet (BT-Drucks. 14/1578 S. 18). Die Regelung in § 26 Abs. 4 des Gesetzentwurfs wurde später als Ausnahmebestimmung in § 17 Abs. 1 AltPflG übernommen, da der Abschnitt „Umschulung“ im Gesetzgebungsverfahren gestrichen wurde (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familien, Senioren, Frauen und Jugend BT-Drucks. 14/3736 S. 28 f.).
30Nach § 157 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der seinerzeit geltenden Fassung berechnete sich das Unterhaltsgeld ebenso wie das Arbeitslosengeld danach, welches Einkommen der Berechtigte in seinem letzten Arbeitsverhältnis erhalten hatte (§ 129 SGB III in der seinerzeit geltenden Fassung). Eine Anrechnung von Leistungen wegen der Teilnahme an einer Maßnahme - und damit auch der Ausbildung nach dem Altenpflegegesetz - sah das Gesetz nur vor, wenn insgesamt das Nettoentgelt aus der vorhergehenden Beschäftigung überschritten war (§ 159 Abs. 2 SGB III in der seinerzeit geltenden Fassung).
31(2) Voraussetzungen und Höhe von Übergangsgeld nach den für die berufliche Rehabilitation geltenden Vorschriften waren zum Zeitpunkt des Erlasses des Altenpflegegesetzes noch im Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (vom , BGBl. I S. 1881, zuletzt geändert durch Gesetz vom , BGBl. I S. 2534; künftig: RehaAnGlG) geregelt. Dieses sah die Gewährung von Übergangsgeld bei berufsfördernden Maßnahmen für Behinderte vor. Es sollte lediglich dann geleistet werden, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit des Behinderten entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihn hierdurch möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 11 Abs. 1 Satz 1 RehaAnGlG). Es knüpfte damit an die Beseitigung von Zugangshindernissen zum Arbeitsmarkt für eine bestimmte Personengruppe an.
32Das Übergangsgeld errechnete sich der Höhe nach grundsätzlich in Abhängigkeit vom zuletzt bezogenen Einkommen (§ 13 Abs. 3 und Abs. 6 RehaAnGlG). Soweit durch eine Tätigkeit während des Bezugs von Übergangsgeld Arbeitseinkommen erzielt wurde, war es mit 80 % anzurechnen (§ 18 Abs. 2 RehaAnGlG).
33(3) Sowohl das Unterhaltsgeld nach dem SGB III als auch das Übergangsgeld nach den für die berufliche Rehabilitation geltenden Vorschriften wurden nicht bedarfsabhängig gewährt, sondern waren Entgeltersatzleistungen, die unabhängig vom Bedarf in Abhängigkeit vom zuvor bezogenen Arbeitsentgelt gewährt wurden. Sonstige Leistungen aus öffentlichen Haushalten sind mit ihnen deshalb nur vergleichbar iSv. § 17 Abs. 1 AltPflG aF, wenn es sich entweder um eine Leistung zur Weiterbildung, also keine Leistung zur Förderung des unmittelbaren Berufseintritts, handelt oder wenn sie dazu beitragen sollen, Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu überwinden, und wenn die Leistung bedarfsunabhängig gewährt wird.
34bb) Diesen Voraussetzungen entsprechen die Leistungen nach dem BAföG schon deshalb nicht, weil sie nach § 1 BAföG bedarfsorientiert gewährt werden.
353. Der Höhe nach bestimmt sich der Anspruch auf angemessene Ausbildungsvergütung nach Nr. III der Anlage 10a-Ost zu den AVR-Diakonie in der ab gültigen Fassung und beträgt dementsprechend - worüber in der Verhandlung vor dem Senat Einigkeit bestand - 674,38 Euro brutto monatlich. Davon sind für Mai 2007 hinsichtlich der nicht geleisteten Arbeit am ,13 Euro brutto (674,38 Euro brutto multipliziert mit 3, geteilt durch 13, weiter geteilt durch 5) abzuziehen, weil insoweit schon keine zulässige Anschlussrevision vorliegt.
36a) Für die Ermittlung der angemessenen Ausbildungsvergütung nach § 17 Abs. 1 AltPflG aF gelten dieselben Regeln wie für die Ausbildungsvergütung nach dem Berufsbildungsgesetz. Dies ergibt sich daraus, dass § 17 Abs. 1 AltPflG aF hinsichtlich des Anspruchs auf eine angemessene Ausbildungsvergütung ebenso gestaltet ist wie die entsprechenden Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, vorher § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG). Mit dem Altenpflegegesetz sollte der Rechtsstatus der Schülerinnen und Schüler in der Altenpflege unter Berücksichtigung der dortigen Besonderheiten denjenigen der Auszubildenden in anderen Berufen angeglichen werden (BT-Drucks. 14/1578 S. 12).
37Danach hat die Ausbildungsvergütung regelmäßig drei Funktionen: Sie soll den Auszubildenden und seine unterhaltspflichtigen Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfange „entlohnen“. Die gesetzliche Regelung stellt dabei nur eine Rahmenvorschrift dar und legt den Maßstab für die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht selbst fest. Bei der Vereinbarung der Vergütung haben die Vertragsparteien einen gewissen Spielraum. Die Vereinbarung ist gerichtlich - auch in der Revisionsinstanz - darauf zu prüfen, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die noch als angemessen anzusehen ist. Ob die Parteien die Grenzen ihres Spielraums gewahrt haben, ist unter Abwägung ihrer Interessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles festzustellen. Dabei ist die Verkehrsanschauung maßgeblich. Wichtigster Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung sind die einschlägigen Tarifverträge. Bei ihnen ist anzunehmen, dass das Ergebnis der Tarifverhandlungen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt ( - Rn. 18 ff., BAGE 126, 12). Gilt keine tarifliche Regelung, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Bereichs entsprechende Vergütung zugrunde gelegt werden (vgl. - Rn. 12, AP BBiG § 10 Nr. 15 = EzA BBiG § 10 Nr. 11).
38b) Danach können als Kontrollmaßstab - entgegen der Ansicht des Klägers - hier nicht die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes herangezogen werden. Dabei handelt es sich schon deshalb nicht um einschlägige Tarifverträge, weil der Beklagte kein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist. Er ist vielmehr Teil der Diakonie. Kontrollmaßstab sind daher die im kirchenrechtlichen Rechtssetzungsverfahren zustande gekommenen AVR-Diakonie. Diese enthalten nach der Verkehrsanschauung in der Regel angemessene Vergütungen. Dabei kann dahinstehen, ob das Ergebnis dieses Rechtssetzungsverfahrens tariflichen Regelungen gleichzustellen ist (vgl. zur AGB-Kontrolle: - Rn. 31 f., AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15). Da das kirchliche Rechtssetzungsverfahren eine paritätische Beteiligung von Arbeitnehmervertretungen bei dem Erlass der AVR-Diakonie vorsieht, ist davon auszugehen, dass die beiderseitigen Interessen auch hier ausreichend berücksichtigt werden. Da bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung auf die Verkehrsanschauung abzustellen ist, kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte selbst an die AVR-Diakonie gebunden ist und ob er diese Regelungen in die bei ihm durchgeführten Ausbildungsverhältnisse einbezogen hat. Selbst wenn damit der in den AVR geregelte Geltungsbereich und die Anwendung in der einzelnen Einrichtung auseinanderfallen (zu einer derartigen Möglichkeit bei kirchlichen Regelungen: - zu B II 2 c bb (2) der Gründe, BAGE 110, 60), ist Maßstab, was die AVR-Diakonie vorsehen. Insoweit gilt nichts anderes als bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber, der dem Geltungsbereich eines Tarifvertrages unterfällt (dazu - Rn. 12 f., AP BBiG § 10 Nr. 15 = EzA BBiG § 10 Nr. 11).
39Gründe, hier einen anderen Maßstab anzulegen, sind nicht ersichtlich. Im Einzelfall kann es zwar Gründe geben, einen an sich geltenden Maßstab nicht zur Prüfung der Angemessenheit heranzuziehen (vgl. - Rn. 21 f., BAGE 126, 12). Solche Gründe liegen hier jedoch nicht vor. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass es sich bei dem Beklagten um eine gemeinnützige Einrichtung handelt. Dies stellt für sich genommen keinen Grund dar, die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung in besonderer Weise zu bestimmen. Dies könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn es gerade der Zweck der gemeinnützigen Einrichtung ist, zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit Arbeitsplätze zu schaffen ( - Rn. 37 ff., aaO). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Im Übrigen sind die den AVR-Diakonie unterfallenden Arbeitgeber ohnehin - zumindest fast - immer gemeinnützig. Dieser Aspekt hat deshalb schon bei der Schaffung der AVR und der darin geregelten Vergütungen Berücksichtigung gefunden.
40Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Beklagte über finanzielle Mittel für Ausbildungsvergütungen verfügt. Die gesetzliche Regelung, nach der eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen ist, dient auch dazu, Verfälschungen des Ausbildungsmarktes zu vermeiden. Das schließt eine Orientierung an den finanziellen Möglichkeiten der Träger der praktischen Ausbildung aus (vgl. - Rn. 44, BAGE 126, 12).
41c) Eine vereinbarte Ausbildungsvergütung ist unangemessen, wenn sie die einschlägige tarifliche, branchenübliche oder in den AVR festgelegte Vergütung - wie hier - um mehr als 20 % unterschreitet. Dies hat zur Folge, dass die volle tarifliche, branchenübliche oder in den AVR festgelegte Ausbildungsvergütung zu zahlen ist. Die Begrenzung des Anspruchs auf das gerade noch zulässige Maß der Unterschreitung widerspräche dem Zweck von § 17 Abs. 1 AltPflG aF. Diese Vorschrift soll eine angemessene Ausbildungsvergütung sicherstellen. Damit wäre es nicht vereinbar, bei einer Unterschreitung der nach der Verkehrsanschauung angemessenen Ausbildungsvergütung den Anspruch zu Gunsten des Trägers der praktischen Ausbildung auf das gerade noch Angemessene zu begrenzen (st. Rspr. des BAG, vgl. - 9 AZR 1091/06 - Rn. 50, BAGE 126, 12; - 6 AZR 311/00 - zu I 8 der Gründe, AP BBiG § 10 Nr. 11 = EzA BBiG § 10 Nr. 9). Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kommt es nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung auch nicht darauf an, dass der Beklagte dem Kläger die Absicht, keine Ausbildungsvergütung zu zahlen, bei Vertragsschluss eindeutig erklärt hat.
42Es kann offenbleiben, ob kirchliche Einrichtungen nicht ohnehin mindestens die kirchenrechtlich für sie verbindlichen Sätze zu zahlen haben, damit die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Vergütung erfüllt ist.
434. Der Anspruch des Klägers auf eine angemessene Ausbildungsvergütung entfällt nicht deshalb, weil der Beklagte den Ausbildungsvertrag wirksam angefochten hätte, der Kläger dem Beklagten Schadensersatz zu leisten hätte oder weil die Geltendmachung des Anspruchs treuwidrig wäre.
44a) Der Beklagte hat den Ausbildungsvertrag nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten (§ 123 Abs. 1 BGB) mit der Folge, dass der Ausbildungsvertrag als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen wäre (§ 142 Abs. 1 BGB).
45aa) Der Beklagte kann die Anfechtung des Ausbildungsvertrages wegen arglistiger Täuschung nicht mit Erfolg auf seine Behauptung stützen, der Kläger habe darüber getäuscht, er werde während der gesamten Dauer des Ausbildungsverhältnisses Leistungen nach dem SGB II beziehen.
46(1) Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung setzt voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsempfänger einen Irrtum erregt und ihn zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst. Durch die Täuschungshandlung muss beim Erklärungsgegner ein Irrtum über den wahren Sachverhalt hervorgerufen werden. Zwischen der Täuschungshandlung und dem Irrtum muss ein Kausalzusammenhang bestehen. An einem Irrtum fehlt es, wenn derjenige, der getäuscht werden soll, die Wahrheit kennt ( - zu II 1 und 2 a der Gründe, BAGE 96, 123).
47(2) Danach berechtigt die behauptete Täuschung durch den Kläger den Beklagten nicht zur Anfechtung des Ausbildungsvertrages. Selbst wenn der Kläger die Behauptung aufgestellt haben sollte, er werde für die gesamte Ausbildungsdauer Leistungen nach dem SGB II beziehen, kann dadurch bei den für den Beklagten handelnden Personen kein Irrtum entstanden sein. Es ist allgemein bekannt, dass Leistungen nach dem SGB II von den persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Berechtigten bzw. der Bedarfsgemeinschaft, der er angehört, abhängen (nunmehr §§ 11 f. SGB II), die sich ständig ändern können. Dass die für den Beklagten handelnden Personen von dieser allgemein bekannten Tatsache keine Kenntnis hatten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, sondern das Gegenteil naheliegend.
48bb) Auch soweit sich der Beklagte darauf stützt, der Kläger habe darüber getäuscht, seine Rechte nach dem Altenpflegegesetz wahrnehmen zu wollen, greift die Anfechtung nicht durch. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 612a BGB.
49Diese Bestimmung gilt auch im Verhältnis zwischen den Parteien. Nach § 13 Abs. 3 AltPflG sind, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des Ausbildungsverhältnisses nichts anderes ergibt, die für Arbeitsverträge geltenden Rechtsvorschriften anwendbar. Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses stehen der Anwendbarkeit von § 612a BGB nicht entgegen. Die Norm soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob er ein Recht ausüben will oder nicht ( - Rn. 23, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20). Dieser Zweck der Bestimmung gebietet eine dem Regelungszweck entsprechende Anwendung des ihr zugrunde liegenden Rechtsgedankens dahingehend, dass nicht nur die Ausübung eines Rechtes das Benachteiligungsverbot auslöst, sondern auch die dem vorgelagerte Täuschung, bereit zu sein, ein gesetzliches Recht auszuüben. Müsste der Altenpflegeschüler in diesen Fällen mit einer Anfechtung des Ausbildungsvertrages rechnen, wäre seine Freiheit der Entscheidung, ein bestehendes Recht auch wahrzunehmen, beeinträchtigt.
50b) Der Kläger ist dem Beklagten nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Weder hat der Kläger den Beklagten so zu stellen, als wäre der Ausbildungsvertrag nicht geschlossen worden, noch war der Kläger verpflichtet, dem Beklagten Informationen über die von ihm bezogenen öffentlichen Leistungen zukommen zu lassen, die den Beklagten bestimmt hätten, das Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger zu kündigen. Es sind auch keine Schadensersatzansprüche deshalb entstanden, weil sich der Kläger nicht ausreichend um öffentliche Leistungen bemüht hat.
51aa) Der Kläger ist nicht verpflichtet, den Beklagten so zu stellen, als wäre der Ausbildungsvertrag nicht abgeschlossen worden.
52Allerdings kann eine Täuschung bei der Anbahnung eines Vertragsverhältnisses eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB) begründen. Rechtsfolge ist, dass die Rechte aus dem durch die Täuschung herbeigeführten Vertrag nicht geltend gemacht werden können; die Täuschung kann also zu einem Schadensersatzanspruch auf Schuldbefreiung führen ( - Rn. 62, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 8; - 9 AZR 401/02 - zu A IV der Gründe, BAGE 109, 294 allgemein für Erregung eines Irrtums beim anderen Vertragspartner; st. Rspr. des BGH seit - VIII ZR 120/60 - NJW 1962, 1196; vgl. auch - zu II 2 c aa der Gründe, NJW-RR 2002, 308). Derartige Ansprüche des Beklagten scheitern hier jedoch daran, dass bei normativer Betrachtung (vgl. hierzu: - zu A IV 3 der Gründe, aaO) die gesetzlich mit einem Vertragsschluss zwingend verbundenen Rechtsfolgen nicht als Schaden im Rechtssinne anzusehen sind. Wer einen Vertrag schließt, an den - wie hier durch § 17 Abs. 1 AltPflG aF - der Gesetzgeber zwingende Rechtsfolgen knüpft, übernimmt das Risiko dafür, dass diese Rechtsfolgen auch eintreten. Er kann dieses Risiko nicht im Wege des Schadensersatzrechtes auf die andere Vertragspartei, zu deren Gunsten die Rechtsfolgen angeordnet werden, abwälzen.
53bb) Ebenso wenig hat sich der Kläger deshalb schadensersatzpflichtig gemacht, weil er - nach der Behauptung des Beklagten - dem Beklagten nicht rechtzeitig mitgeteilt hat, dass er keine weiteren Leistungen nach dem SGB II erhält und deshalb verhindert hat, dass dieser das Ausbildungsverhältnis während der gesetzlichen Probezeit (§ 18 AltPflG) kündigt. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB begründet keine Verpflichtung, an der Auflösung des eigenen Ausbildungsverhältnisses mitzuwirken (vgl. für Arbeitsverträge: - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 224 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 28). Darauf liefe es hinaus, wollte man einen Altenpflegeschüler verpflichten, dem Träger der praktischen Ausbildung Informationen zu liefern, die diesen dazu bestimmen könnten, im Interesse der Ersparnis finanzieller Aufwendungen das Ausbildungsverhältnis zu beenden.
54cc) Soweit der Beklagte geltend macht, der Kläger habe es unterlassen, Geldleistungen aus öffentlichen Haushalten in Anspruch zu nehmen, die den Beklagten von der Zahlung einer angemessenen Ausbildungsvergütung nach § 17 Abs. 1 AltPflG aF befreit hätten, ist dieser Vortrag substanzlos. Es ist nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht dargelegt, dass der Kläger Anspruch auf Geldleistungen gehabt hätte, die die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 17 Abs. 1 AltPflG aF erfüllt hätten.
55c) Die Geltendmachung der Forderungen durch den Kläger verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
56aa) Die Ansprüche des Klägers sind nicht verwirkt.
57Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Gläubiger sein Recht eine längere Zeit nicht geltend gemacht hat und dabei unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, dass er auch künftig sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sowie dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden ( - Rn. 53 mwN, AP BetrAVG § 1 Nr. 63).
58Hier fehlt es schon am Zeitmoment. Der Kläger hat seine Ansprüche noch vor Ausspruch der Kündigung des Ausbildungsverhältnisses durch den Beklagten geltend gemacht.
59bb) Der Kläger verstößt mit der Geltendmachung seiner Ansprüche auch nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens.
60Die Rechtsordnung lässt widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu. Es ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn die andere Seite auf ein Verhalten vertrauen durfte und ihre Interessen vorrangig schutzwürdig erscheinen. Der Urheber des widersprüchlichen Verhaltens muss erkennen können, dass die Gegenpartei sein Verhalten als vertrauensbegründend bewerten durfte. Auf ein schuldhaftes Verhalten kommt es dabei nicht an. Maßgeblich ist, ob für den anderen Teil ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen ( - Rn. 21, AP BetrAVG § 9 Nr. 23).
61Im Streitfall liegt kein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten vor. Ein Vertrauen des Trägers der praktischen Ausbildung darauf, Altenpflegeschüler würden die in ihrem Interesse vom Gesetzgeber gewährten Rechte nicht geltend machen, ist nicht schutzwürdig.
625. Die Ansprüche des Klägers für den Zeitraum von Dezember 2006 bis Mai 2007 sind nicht nach § 45 Abs. 2 AVR-Diakonie verfallen. Nach dieser Bestimmung sind Ansprüche aus dem Dienstverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Fällig sind Bezüge nach § 21a Abs. 1 Satz 1 AVR-Diakonie am 15. eines jeden Monats für den laufenden Monat. Beide Bestimmungen gelten nach § 15 Abs. 1 der Anlage 10/V AVR-Diakonie auch für Schüler der Altenpflege. Der Kläger hat seine Ansprüche mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom geltend gemacht. Das Schreiben lag dem Beklagten spätestens am vor. Es hat - trotz der offensichtlichen Fehlbezeichnung bei den Jahresangaben - die Ausschlussfrist für Ansprüche ab Dezember 2006 gewahrt.
636. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der Beklagte nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip Leistungen an Altenpflegeschüler gewährt, die höher sind als die Ausbildungsvergütungen nach den AVR-Diakonie. Die Benennung eines einzelnen weiteren Altenpflegeschülers reicht insoweit nicht aus. Es fehlt an der notwendigen Gruppenbildung (vgl. - Rn. 12, DB 2011, 1923).
647. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB.
65II. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Klage auch hinsichtlich der geltend gemachten Ausbildungsvergütung für den Zeitraum von August 2006 bis November 2006 begründet ist. Hierzu bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen (§ 563 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO).
661. Dem Kläger steht auch für diesen Zeitraum aus den unter B I genannten Gründen maximal eine monatliche Vergütung nach Nr. III Anlage 10a-Ost der AVR-Diakonie gültig ab von 674,38 Euro brutto monatlich zu. In dieser Höhe scheitert der Anspruch für den Zeitraum von August bis September 2006 nicht daran, dass der Kläger Leistungen nach dem SGB II erhalten hat; dies sind keine iSv. § 17 Abs. 1 AltPflG aF vergleichbaren Geldleistungen aus öffentlichen Haushalten. Leistungen, die bedarfsabhängig gewährt werden, sind keine dem Unterhaltsgeld nach dem SGB III oder dem Übergangsgeld nach den für die berufliche Rehabilitation geltenden Vorschriften vergleichbare Leistungen, die den Anspruch nach dieser Regelung ausschließen - oben B I 2 b aa (3) -. Die Leistungen nach dem SGB II sind bedarfsabhängig (nunmehr: § 19 SGB II) und stehen dem Anspruch daher nicht entgegen.
672. Es bedarf jedoch tatsächlicher weiterer Feststellungen dazu, ob dieser Anspruch aufgrund der Ausschlussfrist in § 45 Abs. 2 AVR-Diakonie verfallen ist. Dies kommt nur in Betracht, wenn die AVR-Diakonie auf das Ausbildungsverhältnis anzuwenden sind.
68Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die AVR-Diakonie seien zwischen den Parteien nicht vereinbart. Es hat jedoch gleichzeitig den Ausbildungsvertrag der Parteien im Tatbestand seines Urteils in Bezug genommen. Der Ausbildungsvertrag enthält in § 1 Nr. 1.4 einen Verweis auf die allgemeinen Arbeitsbedingungen des Trägers der praktischen Ausbildung, was die Anwendbarkeit der AVR-Diakonie möglich erscheinen lässt. Damit sind die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts widersprüchlich, was im Revisionsverfahren zu beachten ist, ohne dass es einer Verfahrensrüge bedürfte (vgl. - Rn. 16, AP BGB § 308 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 11). Das Landesarbeitsgericht wird deshalb aufzuklären haben, ob durch die genannte Bestimmung des Ausbildungsvertrages die AVR-Diakonie in Bezug genommen sind. Das setzt angesichts der Vereinbarung in § 1 Nr. 1.4 des Ausbildungsvertrages voraus, dass die AVR-Diakonie beim Beklagten grundsätzlich angewendet wurden und dies im Betrieb allgemein bekannt war. Die bloß kirchenrechtliche Verpflichtung des Beklagten, die AVR-Diakonie anzuwenden, reicht nicht aus, um Rechtsfolgen im Ausbildungsverhältnis herbeizuführen, da kirchenrechtliche Regelungen keine normativen Wirkungen entfalten (vgl. - Rn. 21, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 57 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 18).
693. Die Zurückverweisung gibt den Parteien auch Gelegenheit zu Rechtsgründen vorzutragen, aus denen die Anwendung der Ausschlussfrist trotz ihrer Vereinbarung ausgeschlossen sein könnte.
C. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision, einschließlich der Kosten der Anschlussrevision, zu entscheiden haben.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
WAAAE-00598