BGH Beschluss v. - V ZB 284/10

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: AG Leer, 2a XIV 3254 L vom LG Aurich, 1 T 321/10 vom

Gründe

I. Der Betroffene, ein kongolesischer Staatsangehöriger, dessen Asylantrag bestandskräftig abgelehnt worden ist, hielt sich zuletzt aufgrund einer bis zum erteilten Duldung in der Bundesrepublik Deutschland auf.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2 vom hat das Amtsgericht die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen für die Dauer von zwei Monaten sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der zwischenzeitlich in den Kongo abgeschobene Betroffene festgestellt wissen, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts und die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II. Das Beschwerdegericht hält den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG für gegeben, weil der Betroffene bei einer versuchten Abschiebung am nicht nur passiven Widerstand geleistet, sondern aktiven Widerstand ausdrücklich angekündigt habe. Angesichts des möglichen Widerrufs der bestehenden Duldung sei eine Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich.

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Entscheidung des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts verletzen den Betroffenen bereits deshalb in seinen Rechten, weil es an einem zulässigen Haftantrag und damit an der nach § 417 Abs. 1 FamFG unverzichtbaren Grundlage für die Freiheitsentziehung fehlt.

1. a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 12 und vom - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 218/09, aaO, Rn. 14 und vom - V ZB 28/10, aaO, Rn. 8).

b) Der Haftantrag vom genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Er beschränkt sich auf die Erklärung, der Betroffene sei rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber und habe sich einer Abschiebung am widersetzt, so dass mit einer Flucht in die Illegalität zu rechnen sei. Angaben zu einem vollziehbaren Bescheid, aus dem sich die Ausreisepflicht des Betroffenen ergibt, zu der Durchführbarkeit einer (erneuten) Abschiebung und zu der Notwendigkeit der beantragten Haftdauer fehlen.

2. Der Mangel des Haftantrags ist durch die späteren Angaben der Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren nicht geheilt worden.

a) Rückwirkend kann der Mangel eines Haftantrags ohnehin nicht geheilt werden, da es sich bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde um eine Verfahrensgarantie handelt, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert (Senat, Beschluss vom - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 19; Beschluss vom - V ZB 96/10, Rn. 14, [...]; Beschluss vom - V ZB 202/10, FGPrax 2011, 146, 148 Rn. 26).

b) Der Mangel des Haftantrags ist durch die ergänzenden Angaben der Beteiligten zu 2 im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch nicht mit Wirkung (nur) für die Zukunft geheilt worden. Zwingende weitere Voraussetzung für eine rechtmäßige Haftanordnung ist in einem solchen Fall nämlich, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird. Anderenfalls ist - weil der Betroffene zuvor (mangels zulässigen Haftantrags) keine Gelegenheit hatte, zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der gegen ihn verhängten Freiheitsentziehung Stellung zu nehmen - die nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu beachtende Verfahrensvorschrift des § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht gewahrt (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZA 10/11 Rn. 11, [...]; Beschluss vom - V ZB 71/11 Rn. 10, [...]; Beschluss vom - V ZB 96/10 Rn. 13, [...]; Beschluss vom - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 f. Rn. 25). Eine Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz hat jedoch nicht stattgefunden.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 Abs. 2, § 81 Abs. 1 Satz 1 und § 430 FamFG (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361, 363).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
IAAAD-97228