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EuGH  - C-285/11 Verfahrensverlauf - Status: erledigt

Gesetze: RL 2006/112/EG Art 178 Buchstabe a, RL 2006/112/EG Art 178 Buchstabe b, RL 2006/112/EG Art 14, RL 2006/112/EG Art 62, RL 2006/112/EG Art 63, RL 2006/112/EG Art 167, RL 2006/112/EG Art 168, RL 2006/112/EG Art 2

Rechtsfrage

1. Lässt sich aus den Bestimmungen der Art. 178 Buchst. a und b, 14, 62, 63, 167 und 168 der Richtlinie 2006/112 durch Auslegung der Begriff "Fehlen einer tatsächlichen Lieferung" ableiten, und wenn ja, deckt sich der Begriff "Fehlen einer tatsächlichen Lieferung" hinsichtlich seiner Definition mit dem Begriff "Steuerbetrug" oder ist er in diesem Begriff enthalten? - Was umfasst im Sinne der Richtlinie der Begriff "Steuerbetrug"?

2. Verlangt die Richtlinie im Licht der Definition des Begriffs "Steuerbetrug" sowie der Erwägungsgründe 26 und 59 in Verbindung mit Art. 178 Buchst. b, dass die Formalitäten ausdrücklich im Wege der Rechtsetzung durch einen Akt des höchsten Gesetzgebungsorgans des Mitgliedstaats festgelegt werden, oder lässt sie zu, dass diese Formalitäten nicht im Wege der Rechtsetzung festgelegt werden, sondern eine Verwaltungs- (und Steuerüberprüfungs-)Praxis sowie Rechtsprechung darstellen? - Dürfen Formalitäten durch Rechtsetzungsakte der Verwaltungsbehörden und/oder durch Anweisungen der Verwaltung eingeführt werden?

3. Stellt das "Fehlen einer tatsächlichen Lieferung", falls es sich um einen Begriff handelt, der sich vom "Steuerbetrug" unterscheidet und nicht von dessen Definition umfasst wird, eine Formalität nach Art. 178 Buchst. b oder eine Maßnahme nach dem 59. Erwägungsgrund der Richtlinie dar, deren Einführung die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug zur Folge hat und die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellt, einen wesentlichen Grundsatz des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, der durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht eingeführt wurde?

4. Dürfen Formalitäten für die Steuerpflichtigen vorgeschrieben werden, wonach sie Lieferungen, die der Lieferung zwischen ihnen (dem letzten Empfänger und seinem Lieferer) vorangegangen sind, nachweisen müssen, damit die Lieferung als tatsächlich bewirkt gilt, sofern die Behörde nicht bestreitet, dass die Betreffenden (die letzten Lieferer) nachfolgende Lieferungen mit den gleichen Waren in denselben Mengen an nachfolgende Empfänger bewirkt haben?

5. Ist im Rahmen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und der Bestimmungen der Art. 168 und 178 der Richtlinie 2006/112 das Recht des Händlers auf Anerkennung von Mehrwertsteuerzahlungen für einen bestimmten Umsatz

a) allein in Bezug auf den konkreten Umsatz zu beurteilen, bei dem der Händler Beteiligter ist, unter Einbeziehung der Absicht des Händlers, sich an dem Umsatz zu beteiligen, und/oder

b) unter Berücksichtigung der Gesamtheit von Vorgängen zu beurteilen, einschließlich vorheriger und nachfolgender Umsätze, die eine Lieferkette bilden, zu der der fragliche Umsatz gehört, unter Einbeziehung der Absichten der übrigen Beteiligten der Kette, die der Händler nicht kennt und/oder von denen er nicht erfahren kann, bzw. der Handlungen und/oder Unterlassungen des Rechnungsausstellers und der übrigen Beteiligten der Kette, nämlich dessen Vorlieferer, die der Empfänger der Lieferung nicht kontrollieren kann und von denen er kein bestimmtes Verhalten verlangen kann, und/oder

c) unter Berücksichtigung betrügerischer Handlungen und Absichten anderer Beteiligter der Kette zu beurteilen, von deren Beteiligung der Händler nicht wusste und hinsichtlich deren Handlungen oder Absichten sich nicht feststellen lässt, ob er von ihnen erfahren konnte, und zwar unabhängig davon, ob diese Handlungen und Absichten vor oder nach einem gegebenen Umsatz liegen?

6. Je nach der Antwort auf Frage 5: Sind Umsätze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als entgeltliche Lieferungen im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2006/112 bzw. als Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie anzusehen?

7. Ist es zulässig, dass vom Lieferer ordnungsgemäß für Mehrwertsteuerzwecke dokumentierte und deklarierte Umsätze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, hinsichtlich deren der Empfänger tatsächlich das Eigentumsrecht an der in Rechnung gestellten Ware erlangt hat und keine Angaben dazu vorliegen, ob er die Ware tatsächlich von einer Person, bei der er sich nicht um den Rechnungsaussteller handelt, erhalten hat, nicht als entgeltliche Lieferungen im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2006/112 angesehen werden, nur weil der Lieferer nicht an der angegebenen Adresse gefunden wurde und nicht die im Rahmen der Steuerprüfung angeforderten Dokumente vorgelegt hat oder bei den Steuerbehörden nicht alle Umstände belegt hat, unter denen die Lieferungen bewirkt wurden, darunter die Herkunft der verkauften Ware?

8. Stellt es eine zulässige Maßnahme zur Sicherstellung der Steuererhebung und zur Verhinderung von Steuerbetrug dar, dass das Recht auf Vorsteuerabzug vom Verhalten des Lieferers und/oder seiner Vorlieferer abhängig gemacht wird?

9. Je nach den Antworten auf die Fragen 2, 3 und 4: Verstoßen Maßnahmen der Steuerbehörden wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die zum Ausschluss der Mehrwertsteuerregelung in Bezug auf die von einem gutgläubigen Händler geschlossenen Geschäfte führen, gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit?

10. Je nach den Antworten auf die vorstehenden Fragen: Hat unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens der Empfänger der Lieferungen ein Recht auf Abzug der ihm von den Lieferern in Rechnung gestellten Steuer?

Mehrwertsteuer; Nachweis; Steuerbetrug; tatsächliche Lieferung

Fundstelle(n):
JAAAD-91257

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