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FG Berlin-Brandenburg Urteil v. - 9 K 9091/10 EFG 2011 S. 2096 Nr. 23

Gesetze: AO § 191, AO § 91 Abs. 1 S. 1, AO § 91 Abs. 2, AO § 5, AO § 126 Abs. 2, FGO § 68 S. 1

Anwendung des § 68 FGO bei Änderung des angefochtenen Haftungsbescheids während des Klageverfahrens

Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts

Nachholung im Klageverfahren nicht durch das Gericht, sondern allenfalls durch die Behörde

Leitsatz

1. Die Voraussetzungen des § 68 FGO sind gegeben, wenn der mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt partiell oder seinem ganzen Inhalt nach durch Erlass eines anderen Verwaltungsakts geändert oder aus formellen Gründen aufgehoben und durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird. Ausreichend hierfür ist, wenn beide Bescheide „dieselbe Steuersache”, d. h. dieselben Beteiligten und denselben Besteuerungsgegenstand betreffen, so dass die beiden Verwaltungsakte lediglich einen (zumindest teilweise) identischen Regelungsbereich haben müssen, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstands kommen kann.

2. § 68 S. 1 FGO ist bei Ermessensverwaltungsakten ohne Einschränkungen anzuwenden.

3. Ist der Gegenstand eines Haftungsbescheids, mit dem der Haftungsschuldner für eine Jahressteuerschuld des Steuerschuldners in Anspruch genommen werden soll, stets der gesamte zum 31.12. des Kalenderjahrs entstandene Steueranspruch und nicht ein Teilanspruch, so kann der zumindest teilidentische Regelungsbereich zwischen ursprünglicher und geänderter Haftungsfestsetzung nicht damit in Abrede gestellt werden, dass der für den gleichen Besteuerungszeitraum erlassene weitere Haftungsbescheid durch einen weiteren gesonderten Haftungstatbestand begründet wird.

4. Die Sollvorschrift des § 91 Abs. 1 S. 1 AO verpflichtet zur Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts im Regelfall, so dass hiervon nur in atypischen Fallkonstellationen abgewichen werden kann. Solche müssen den in § 91 Abs. 2 AO aufgezählten Sachverhaltsgestaltungen vergleichbar sein.

5. Wenn und soweit die nachträgliche Anhörung zu einer bereits getroffenen Ermessensentscheidung auch noch während des gerichtlichen Verfahrens zulässig sein sollte, hätte diese jedenfalls nicht durch das Gericht, sondern durch die Behörde selbst zu erfolgen.

Fundstelle(n):
EFG 2011 S. 2096 Nr. 23
QAAAD-85424

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