„Retten statt ruinieren”
Wenn die Ausnahme zur Regel wird,
dann gibt es auf dem Weg dahin einiges zu klären. Das gilt auch für den vom VI. Senat des Bundesfinanzhofs vollzogenen Rechtsprechungswandel im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen. Entgegen seiner früheren Rechtsansicht begreift der VI. Senat den Tatbestand der außergewöhnlichen Belastungen nicht mehr als Billigkeitsregelung, sondern als Steuerermäßigung, auf die der Steuerpflichtige – ungeachtet der unbestimmten Rechtsbegriffe – einen Rechtsanspruch hat (s. Kanzler, Gast-Editorial zu NWB 4/2011). In der Literatur führte seine Ende des Jahres 2009 veröffentlichte Entscheidung, wonach Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein können, wenn sie so stark unter dem Gebot der Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwerts in den Hintergrund tritt, zu einigen Spekulationen. Dem Sachverhalt der damaligen Entscheidung geschuldet, ging man als Voraussetzung von einem unvorhersehbaren Ereignis, der Erforderlichkeit schnellen Handelns und unzumutbaren Handlungsalternativen aus. Dass all dies nicht erforderlich ist, konnte der Bundesfinanzhof nun in einer aktuellen Entscheidung darlegen, die Geserich auf Seite 1526 kommentiert.
Auf dem Weg befindet sich auch die Insolvenzordnung. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen – kurz ESUG genannt – sollen zahlreiche im derzeitigen Recht bestehende Hindernisse einer frühzeitigen Sanierung insolvenzbedrohter Unternehmen beseitigt werden. „Retten statt ruinieren” soll von der Ausnahme zur Regel werden. Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist daher die Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch einen stärkeren Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters, durch Ausbau und Straffung des Insolvenzplanverfahrens, durch die Vereinfachung des Zugangs zur Eigenverwaltung und eine größere Konzentration der Zuständigkeit der Insolvenzgerichte. Dieses neue Beratungsfeld sollten Steuerberater frühzeitig besetzen, empfiehlt Ehlers auf Seite 1543.
Bei Vermögensübergabeverträgen gegen Versorgungsleistungen sollten Ausnahmen vom Vereinbarten besser nicht die Regel werden. Bergen sie doch die Gefahr der Nichtanerkennung des Versorgungsvertrags wegen fehlenden Rechtsbindungswillens. So hatte der Bundesfinanzhof gleich in vier Sachverhalten zu entscheiden, ob die vorübergehende Aus- oder Herabsetzung der Zahlungen auf einen fehlenden Rechtsbindungswillen schließen lassen. Dies festzustellen, ist nicht immer einfach. Zukünftig, urteilte deshalb das höchste deutsche Finanzgericht, können Änderungen eines Versorgungsvertrags nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie von den Vertragsparteien schriftlich fixiert worden sind. Ein Hinweis, den es zu beherzigen gilt, rät Schuster auf Seite 1533.
Beste Grüße
Reinhild Foitzik
Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 1505
GAAAD-81700