NWB Nr. 12 vom Seite 945

BFH-Grundsatzurteile zum Vorsteuerabzug

Klaus Korn | Steuerberater, Köln, und Mitherausgeber der NWB

Überraschende Erkenntnisse zum Vorsteuerabzug

Das Umsatzsteuerrecht trägt nicht zuletzt wegen fortbestehender Unabgestimmtheiten zwischen der Richtlinie 2006/112/EG (sog. MwStSystRL, vormals Richtlinie 77/388/EWG) und dem nationalen Umsatzsteuergesetz signifikant zur Komplizierung des Steuerrechts bei. Einerseits eröffnen sich steuerbürgerfreundliche Wahlrechte zwischen der Anwendung der MwStSystRL und des UStG. Andererseits entstehen Rechtsunsicherheiten, weil die Gerichte das UStG – z. T. losgelöst vom Wortlaut – unionsrechtskonform auslegen. Drei aktuelle Urteile des BFH zum Vorsteuerabzug und zur Unternehmereigenschaft verdeutlichen das. § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG knüpft den Vorsteuerabzug an die in § 2 UStG definierte Unternehmereigenschaft. Die MwStSystRL verwendet den Unternehmerbegriff nicht, sondern stellt den „Steuerpflichtigen” als denjenigen in den Mittelpunkt, der eine steuerbare wirtschaftliche Tätigkeit ausübt (Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL). Nach Art. 168 MwStSystRL entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, soweit der Steuerpflichtige Leistungsbezüge „für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet”. Es muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu der steuerpflichtigen Tätigkeit entstehen. Weil es daran fehlt, soll der Vorsteuerabzug entgegen der bisherigen Rechtsprechung für Leistungsbezüge unzulässig sein, die unmittelbar und ausschließlich im Zusammenhang mit unentgeltlichen Leistungen an eigene Mitarbeiter oder an Gesellschafter stehen, selbst wenn sie unternehmerischen (betrieblichen) Zielen dienen. Mit hat der BFH den Vorsteuerabzug aus den wegen Überschreitung der lohnsteuerlichen 110-€-Aufmerksamkeitsgrenze lohnsteuerpflichtigen Aufwendungen für einen Betriebsausflug versagt, weil es sich um eine „unentgeltliche Entnahme” für das Personal (i. S. von § 3 Abs. 9a UStG) handele, und mit Urteil v. - V R 12/08 aus der unentgeltlichen Erstellung einer Erschließungsanlage für die Gemeinde als Gesellschafterin („Entnahme” i. S. von § 3 Abs. 1b UStG) mit dem Ziel, umsatzsteuerpflichtig Grundstücke an Dritte zu liefern. Es wäre nicht abwegig (und im Ergebnis sachgerechter) gewesen, die im Interesse der unternehmerischen Gesamttätigkeit entstandenen Vorsteuern ebenso der Gesamttätigkeit zuzuordnen, wie dies bei Gemeinkosten geschieht (dies wäre im Betriebsausflugsfall auch geschehen, wenn die 110-€-Freigrenze eingehalten worden wäre). Kreativ hat der zum Vorsteuerabzug aus Aufwendungen für den Beteiligungsverkauf durch einen Konzern die Intentionen des EuGH umgesetzt. Die Anteilsveräußerung ist danach eine nach § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbare Geschäftsveräußerung, wenn hinter der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, eine unternehmerische Tätigkeit steht und es sich entweder um eine 100-%-Beteiligung handelt oder aber um die Mehrheit an einer Organgesellschaft, die auch beim Anteilserwerber umsatzsteuerrechtlich Organtochter werden soll.

Klaus Korn

Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 945
NWB KAAAD-73201