NWB Nr. 1 vom Seite 1

„Griff nach jedem Strohhalm”

Reinhild Foitzik | Verantw. Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

Das Recht der außergewöhnlichen Belastungen ist im Fluss

Seit dem Jahr 2009 ist der VI. Senat des BFH für das Recht der außergewöhnlichen Belastungen zuständig. Mit diesem Zuständigkeitswechsel ist Bewegung in dieses Rechtsgebiet gekommen. Schon im Oktober 2009 stellten die Richter des VI. Senats fest: Aufwendungen für den behinderungsbedingten Umbau eines Hauses können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, wenn sie so stark unter dem Gebot der Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwerts in den Hintergrund tritt (s. hierzu Kanzler, NWB 1/2010 S. 8). Damit distanzierten sie sich deutlich von der Rechtsprechung des III. Senats zur sog. Gegenwertlehre, ohne sie allerdings ausdrücklich abzulehnen. Kaum ein Jahr später, im September 2010, erfolgt nun eine weitere Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, indem der BFH Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen hat, obwohl die objektive Eignung der umstrittenen medizinischen Maßnahme nicht nachgewiesen worden war. Voraussetzung für den Abzug ist allerdings eine Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung, die nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht. Nicht die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme begründe in diesen Fällen die tatsächliche Zwangsläufigkeit, sondern die Ausweglosigkeit der Lebenssituation, die den „Griff nach jedem Strohhalm” gebiete – so die Richter aus München. Geserich informiert auf Seite 20 über die Hintergründe der Entscheidung.

Ein Dorn im Auge des Gesetzgebers sind die in der Praxis entwickelten Modelle zur Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung im Außensteuerrecht, die sich die formale „Normalbesteuerung” der ausländischen Gesellschaften zunutze machen. Denn seiner Ansicht nach liegt – wirtschaftlich betrachtet – trotz der „Normalbesteuerung” der ausländischen Gesellschaft eine niedrige Besteuerung vor, wenn der Staat oder das Gebiet, in dem die ausländische Gesellschaft ihren Sitz oder Geschäftsleitung hat, den Gesellschaftern der ausländischen Gesellschaft weitgehende Ansprüche auf Entlastung von Steuern, die die Gesellschaft getragen hat, gewährt. Eine neue Definition der Niedrigbesteuerung, eingeführt mit dem Jahressteuergesetz 2010, soll dieses Umgehungsmodell nun verhindern (s. hierzu Eismayr/Linn auf Seite 30). – Mit der Einführung der Abgeltungsteuer sind Einkünfte aus Kapitalvermögen ab 2009 grundsätzlich nicht mehr Bestandteil des zu versteuernden Einkommens. Dies hat jedoch Auswirkungen auf die Prüfung der Einkommensgrenzen für die Arbeitnehmer-Sparzulage bzw. Wohnungsbauprämie. Darauf der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2010 jetzt reagiert. Wie sich die Ermittlung der Einkommensgrenze ändert, stellt Jungblut auf Seite 24 dar.

Beste Grüße

Reinhild Foitzik

Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 1
CAAAD-63702