BFH Urteil v. - IV R 66/07

Keine gewinnmindernde Abspaltung des Werts für bereits in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte vom Wert des Grund und Bodens im Wege einer Bilanzberichtigung

Leitsatz

Der BFH hält es nicht für vertretbar, nachträglich für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte im Wege der Bilanzberichtigung einen Buchwert von dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten Pauschalwert des Grund und Bodens abzuspalten und damit den Anwendungsbereich der Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung über die bisher entschiedenen Fallgruppen hinaus weiter auszudehnen.
Die Grundsätze des Bilanzenzusammenhangs gelten auch für eine Personengesellschaft, in die ein Einzelunternehmen eingebracht wurde, wenn sie die Buchwerte des übernommen Betriebsvermögens nach § 24 Abs. 2 UmwStG in ihrer Bilanz fortführt.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 1, EStG § 4 Abs. 2, EStG § 13, EStG § 55 Abs. 1, EStG § 55 Abs. 2, EStG § 55 Abs. 6, UmwStG § 24 Abs. 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt Land- und Forstwirtschaft in der Rechtsform einer KG. Kommanditist ist X, der Beigeladene. Dieser hatte zum seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu Buchwerten nach § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) in die KG eingebracht, wobei der Grund und Boden als Sonderbetriebsvermögen behandelt wurde. Den Betrieb hatte der Beigeladene ab dem von seinen Eltern gepachtet und zum im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erworben. Bis zur Verpachtung hatten die Eltern den Betrieb selbst bewirtschaftet. 1997 hatte der Beigeladene die Rindviehhaltung aufgegeben und die Milchlieferrechte (Milchreferenzmenge) an verschiedene Käufer veräußert.

2 Im Wirtschaftsjahr 2001/2002 spaltete der Beigeladene im Rahmen seines Sonderbetriebsvermögens ein Wirtschaftsgut Milchlieferrechte vom Wirtschaftsgut Grund und Boden ab. Den von ihm errechneten Buchwert für die Milchlieferrechte zog er im Rahmen der Gewinnermittlung für das Sonderbetriebsvermögen als Betriebsausgabe ab.

3 Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nach einer Betriebsprüfung nicht mehr, wodurch sich die Einkünfte in den Streitjahren (2001 und 2002) entsprechend erhöhten. Die Abspaltung und Ausbuchung eines Milchlieferrechts sei nicht möglich, weil das Wirtschaftsgut nicht mehr vorhanden gewesen sei. Da eine Versteuerung der Erlöse aus dessen Verkauf bereits bestandskräftig erfolgt sei, komme zwar eine erfolgsneutrale Verminderung des Buchwerts des Grund und Bodens in Betracht. Hiervon könne jedoch aus Billigkeitsgründen abgesehen werden.

4 Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, eine Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) komme nicht in Betracht, weil die ursprüngliche Bilanz unter Berücksichtigung des subjektiven Fehlerbegriffs als richtig anzusehen sei. Die Milchlieferrechte seien bereits 1997 verkauft worden. Damals sei eine Buchwertabspaltung sowohl nach der Rechtsprechung als auch nach der Verwaltungspraxis nicht erforderlich gewesen. Selbst wenn man jedoch von einem fehlerhaften Bilanzansatz ausgehe, sei eine gewinnwirksame Bilanzberichtigung nicht zulässig, weil sie ein Wirtschaftsgut betreffe, das zu keinem Zeitpunkt im Betriebsvermögen der Klägerin gewesen sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 528 veröffentlicht.

5 Mit der Revision macht die Klägerin einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG geltend.

6 Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung für die Jahre 2000 und 2001, jeweils vom , dahingehend zu ändern, dass jeweils der Betriebsausgabenabzug in Höhe des Buchwertabgangs Milchlieferungsrechte in Höhe von 26.063 € anerkannt wird.

7 Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8 Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

9 II. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Klägerin kann den für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 ermittelten Gewinn nicht um einen aus dem Pauschalwert des Grund und Bodens (§ 55 Abs. 1 EStG) abgespaltenen Buchwert der 1997 veräußerten Milchlieferrechte vermindern.

10 1. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Senats von dem zum ermittelten pauschalen Buchwert des Grund und Bodens (§ 55 Abs. 1 EStG) nach Verfestigung der Milchlieferrechte zu einem selbstständigen Wirtschaftsgut grundsätzlich ein anteiliger Buchwert abzuspalten (vgl. u.a. Urteil vom IV R 11/00, BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64, unter 1.b und 4. der Gründe, m.w.N.). Die Finanzverwaltung ist dem nach anfänglichen Bedenken gefolgt (, BStBl I 2003, 78).

11 a) Der Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung liegt die Ansicht zu Grunde, dass die Möglichkeit, Milch zu erzeugen und zu vermarkten, als Teil der natürlichen Ertragsbedingungen des Bodens durch die Bezugnahme auf die Ertragsmesszahlen in dem mit dem Zweifachen des Ausgangswerts angesetzten Wirtschaftsgut Grund und Boden (§ 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 EStG) mitbewertet worden sei (, BFHE 185, 435, BStBl II 2003, 56, unter 3. der Gründe; vom IV R 33/98, BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58, unter 4.a der Gründe unter Hinweis auf § 2 des Bodenschätzungsgesetzes vom , RGBl I 1934, 1050, § 4 der Durchführungsbestimmungen zum Bodenschätzungsgesetz vom , RGBl I 1935, 198). Diese Möglichkeit habe sich dann aber durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom (BGBl I 1984, 720) als Milchreferenzmenge (Milchlieferrecht) zu einem immateriellen Wirtschaftsgut verselbstständigt (Senatsurteil vom IV R 64/98, BFHE 190, 214, BStBl II 2003, 61, unter 1.b der Gründe).

12 Dadurch habe der Grund und Boden an Wert verloren (, BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54, unter 1. der Gründe; in BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64, unter 1.b der Gründe). Das entnommene oder veräußerte Wirtschaftsgut „Grund und Boden” sei nicht identisch mit dem Wirtschaftsgut, das mit dem Zweifachen des Ausgangswerts (§ 55 Abs. 1 Satz 1 EStG, entsprechend dem Achtfachen der Ertragsmesszahl, vgl. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 EStG) angesetzt worden sei; denn dieser Wert sei nur teilweise auf den „nackten” Grund und Boden entfallen (Senatsurteil in BFHE 190, 214, BStBl II 2003, 61, unter 2. der Gründe).

13 b) Der Senat ist deshalb zu der Auffassung gelangt, dass nur die Einbeziehung des auf die Milchreferenzmengen entfallenden Teils des Veräußerungspreises in die Ermittlung des nicht abziehbaren Verlusts gemäß § 55 Abs. 6 Satz 1 EStG dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift entspreche. Soweit dies nicht gewährleistet sei, enthalte § 55 Abs. 6 EStG eine verdeckte Regelungslücke (Senatsurteil in BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54, unter 3. der Gründe). Denn § 55 Abs. 6 EStG sei lediglich eine konsequente Ergänzung zur pauschalen Wertermittlung des Grund und Bodens nach § 55 Abs. 1 EStG und solle verhindern, dass es zur Berücksichtigung von Verlusten komme, die sich allein deshalb ergäben, weil der Teilwert des Grund und Bodens nicht konkret, sondern pauschal ermittelt und deshalb zu hoch angesetzt worden sei (Senatsurteil in BFHE 190, 214, BStBl II 2003, 61, unter 1.c der Gründe).

14 Wertminderungen des Grund und Bodens, die eindeutig auf die rechtliche Verselbstständigung bodengebundener Befugnisse wie der Milchreferenzmengen zurückzuführen seien, seien daher bei Anwendung des § 55 Abs. 6 EStG zu berücksichtigen (Senatsurteil in BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64, unter 2.b der Gründe). Dazu sei der zum festgestellte Wert des Grund und Bodens im selben Verhältnis aufzuteilen, in dem sich die Marktpreise für die Milchreferenzmengen einerseits und den „nackten” Grund und Boden andererseits nach Entstehung des Wirtschaftsguts Milchreferenzmenge gegenüberstünden (Senatsurteil in BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64, unter 4. der Gründe; BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 78, Rz 8).

15 2. Diese Rechtsprechung ist auf erhebliche Kritik gestoßen (vgl. u.a. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A Rz 1477 ff.). Zwar sieht der Senat von einer Änderung der Rechtsprechung ab. Gleichwohl ist es nicht zulässig, nachträglich für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte im Wege der Bilanzberichtigung einen Buchwert von dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten Pauschalwert des Grund und Bodens abzuspalten.

16 a) Ausschlaggebend für das Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung ist, dass sie über einen längeren Zeitraum bestanden hat und sich die beteiligten Kreise —einschließlich der Finanzverwaltung (vgl. das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 78)— darauf eingestellt haben. Sie bezieht sich auf Grundstücksflächen, die am der Milcherzeugung dienten. Die Bindung an den Betrieb und damit die Flächenbindung besteht bereits seit dem nicht mehr (29. Verordnung zur Änderung der Milch-Garantiemengen-Verordnung vom , BGBl I 1993, 1659). Die Rechtsprechung betrifft daher —von Folgefragen abgesehen— weit zurückliegende, in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte. Zwischenzeitlich hat die Finanzverwaltung mit den Milcherzeugern in einer aufwändigen Verwaltungsaktion die Buchwertabspaltung durchgeführt (Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 10. Aufl., Rz 88b). Hinzu kommt, dass die MGV nach derzeitigem Stand zum auslaufen wird (vgl. Verordnung [EG] Nr. 1788/2003 des Rates vom über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor, Amtsblatt der Europäischen Union 2003, Nr. L 270, 123, 125).

17 b) Allerdings hält es der Senat nicht für vertretbar, nachträglich für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte im Wege der Bilanzberichtigung einen Buchwert von dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten Pauschalwert des Grund und Bodens abzuspalten und damit den Anwendungsbereich der Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung über die bisher entschiedenen Fallgruppen hinaus weiter auszudehnen. Denn in diesen Fällen bietet das Verlustabzugsverbot des § 55 Abs. 6 EStG keinen Anlass, wegen der in der Vergangenheit realisierten Gewinne aus der Veräußerung von Milchlieferrechten nachträglich einen abgespaltenen Buchwert auszubuchen. Insoweit fehlt es an dem für die Begründung der Rechtsprechung maßgeblichen Zusammenhang der Veräußerung der Milchlieferrechte mit der Anwendung des Verlustabzugsverbots des § 55 Abs. 6 EStG auf den Pauschalwert des Grund und Bodens. Hinzu kommt, dass, wenn —wie zu erwarten— die Kontingentierung der Milchlieferrechte aus rechtlichen oder aus tatsächlichen Gründen (durch weitere Erhöhung der Milchquoten) endet, der ursprüngliche Zustand wieder eintritt. Zu einer Benachteiligung der Grundstückseigentümer bei der Anwendung des § 55 Abs. 6 EStG infolge der Verfestigung der Milchlieferrechte zu selbstständigen Wirtschaftsgütern kann es dann nicht mehr kommen. Damit entfällt zugleich die Rechtfertigung für die der Buchwertabspaltung zu Grunde liegenden Auslegung des § 55 Abs. 6 EStG durch die Senatsrechtsprechung.

18 3. Die angefochtene Entscheidung ist danach im Ergebnis nicht zu beanstanden.

19 a) Zwar ist dem FG nicht zu folgen, soweit es nach Veröffentlichung der Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Buchwertabspaltung für Milchlieferrechte auch für die Streitjahre von einem subjektiv richtigen Bilanzansatz des Grund und Bodens ausgegangen ist. Auch kommt es nicht darauf an, dass sich die vor der Einbringung veräußerten Milchlieferrechte zu keinem Zeitpunkt im Betriebsvermögen der Klägerin befunden haben. Denn die Grundsätze des Bilanzenzusammenhangs gelten auch für eine Personengesellschaft, in die ein Einzelunternehmen eingebracht wurde, wenn sie die Buchwerte des übernommenen Betriebsvermögens nach § 24 Abs. 2 UmwStG in ihrer Bilanz fortführt (Senatsurteil vom IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407, unter 3. der Gründe; , BFHE 153, 407, BStBl II 1988, 886, unter 2.b der Gründe).

20 b) Das FA hat den Abgang des abgespaltenen Buchwerts der Milchlieferrechte im Jahr 1997 jedoch zu Recht nicht erfolgswirksam nachgeholt und —ebenfalls zutreffend— im Billigkeitswege von einer Minderung des Buchwerts des Grund und Bodens abgesehen. Das FG hat die Klage daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

21 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet (§ 139 Abs. 4 FGO), weil er keine Anträge gestellt hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BBK-Kurznachricht Nr. 1/2011 S. 13
BFH/NV 2011 S. 211 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2010 S. 4154
StuB-Bilanzreport Nr. 1/2011 S. 31
VAAAD-57515