OFD Niedersachsen - S 2240 - 160 - St 221/St 222

Einkommensteuerrechtliche Beurteilung von Photovoltaikanlagen

Bezug:

Allgemeines

Nach dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom (BGBl I 2004 S. 1918) – Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2004) – sind Netzbetreiber verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien unverzüglich vorrangig an ihr Netz anzuschließen und den gesamten aus diesen Anlagen angebotenen Strom aus Erneuerbaren Energien vorrangig abzunehmen und zu übertragen (§ 4 Abs. 1 EEG 2004). Gleichzeitig sind die Netzbetreiber verpflichtet, den von ihnen übernommenen Strom zu vergüten (§ 5 EEG 2004). Die Höhe der Vergütung für Strom aus Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie (sog. Solaranlagen) regelt § 11 EEG 2004. Sie ist vor allem abhängig von der Leistung der Anlage, im Allgemeinen aber so hoch, dass die Betreiber regelmäßig nicht nur den überschüssigen, privat nicht benötigten, sondern den gesamten Strom an den Netzbetreiber veräußern. Das EEG 2004 (a. a. O.) gilt für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie, die nach dem und vor dem in Betrieb genommen worden sind.

Für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie, die nach dem in Betrieb genommen werden, gilt das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom (BGBl 2008 I S. 2074) – Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2009). Auch nach diesem Gesetz sind die Netzbetreiber weiterhin verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien anzuschließen (§ 5 EEG 2009), den daraus erzeugten Strom abzunehmen (§ 8 EEG 2009) und mindestens in der gesetzlich festgelegten Höhe zu vergüten (§ 16 Abs. 1 EEG 2009). Mit dem Inkrafttreten des EEG 2009 am ist das EEG 2004 außer Kraft gesetzt worden.

Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie, die bis zum in Betrieb genommen worden sind, unterfallen weiterhin dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vom (BGBl. 2000 I S. 305), zuletzt geändert durch das Gesetz vom (BGBl. 2003 I S. 3074), unter Beachtung der Übergangsbestimmungen in § 21 EEG 2004.

Zu den Solaranlagen gehören neben den Solarkollektoranlagen die Photovoltaikanlagen. Photovoltaikanlagen sind Anlagen, in denen mittels Solarzellen ein Teil der Sonnenstrahlung unmittelbar in elektrische Energie umgewandelt wird. Dagegen dienen Solarkollektoranlagen – oder auch thermische Solaranlagen – ausschließlich der Wärmerzeugung. Sie können lediglich über weitere Zwischenschritte – und damit nur indirekt – die erzeugte Wärme in elektrische Energie umwandeln.

Einkunftsart, Betriebseinnahmen

Steuerpflichtige, die Photovoltaikanlagen betreiben und damit Strom erzeugen, erzielen hieraus Einnahmen aus einer gewerblichen Betätigung im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Einkunftserzielungsabsicht gegeben ist. Lediglich in den Fällen, in denen eine Fremdfinanzierung vorliegt, ist im Einzelfall die Einkunftserzielungsabsicht nach den allgemeinen Grundsätzen unter Berücksichtigung der individuellen Leistungsdaten der Anlage, der erhaltenen Fördermittel, der vorgenommenen Investitionen und der Finanzierung zu prüfen. Dabei bitte ich zu berücksichtigen, dass die Vergütungen abhängig vom jeweiligen Jahr der Inbetriebnahme der Anlage sinken (vgl. § 11 Abs. 5 EEG 2004, § 20 EEG 2009).

Im Geltungsbereich des EEG 2009 sind Vergütungen für Strom aus Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie, die ausschließlich an oder auf einem Gebäude oder einer Lärmschutzwand angebracht sind, in § 33 EEG 2009 gesondert geregelt. Die Höhe der Vergütungen ist abhängig vom Jahr der Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage (sog. Degression, vgl. § 20 EEG 2009). So wird zum Beispiel für eine im Jahre 2008 in Betrieb genommene Dachanlage mit einer Leistung von höchstens 30 kW eine Vergütung von 46,75 ct/kWh gewährt. Bei Inbetriebnahme einer solchen Anlage im Jahre 2010 sinkt die Vergütung dagegen auf 39,57 ct/kWh. Zusätzlich sieht das EEG 2009 für Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von höchstens 30 kW erstmals einen gegenüber dem normalen Einspeisetarif (im Jahre 2009: 43,01 ct/kWh) reduzierten Vergütungssatz (im Jahre 2009: 25,01 ct/kWh) vor, soweit der erzeugte Strom nachweislich in unmittelbarer Nähe zur Anlage selbst verbraucht und nicht in das Netz eingespeist wird (vgl. § 33 Abs. 2 EEG 2009). Auch der reduzierte Vergütungssatz unterliegt der Degression nach § 20 EEG 2009. Nimmt der Betreiber der Photovoltaikanlage den reduzierten Vergütungssatz in Anspruch, so entfällt für ihn das Erfordernis, selbst benötigten Strom von einem anderen Energieversorger zu erwerben. Neben dem reduzierten Vergütungssatz wird folglich eine Ersparnis in Höhe des ortsüblichen Strompreises generiert. Darüber hinaus hat der Betreiber – unter der Voraussetzung des Verbrauchs in unmittelbarer Nähe der Anlage – die Möglichkeit, den Strom an einen Dritten zu veräußern. Nicht selbst verbrauchter und in das Netz eingespeister Strom – z. B. in Zeiten geringen eigenen Strombedarfs – wird daneben weiterhin mit dem normalen Einspeisetarif vergütet.

Die reduzierte Vergütung für selbst erzeugten und sofort verbrauchten Strom stellt neben dem normalen Tarif für eingespeisten Strom Betriebseinnahmen im Rahmen des Gewerbebetriebes Stromerzeugung dar. Sie wird dem Steuerpflichtigen vom Netzbetreiber für die Stromerzeugung gewährt. Soweit Steuerpflichtige selbst erzeugten und vom Netzbetreiber vergüteten Strom unmittelbar nach der Erzeugung für private Zwecke – z. B. im eigengenutzten Wohneigentum – selbst verbrauchen, liegt gleichzeitig eine Entnahme dieses Stroms vor. Die Entnahme ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit dem Teilwert anzusetzen, der bei selbsthergestellten Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens grundsätzlich den Wiederherstellungskosten (Reproduktionskosten) entspricht. Allerdings hat der BStBl 1986 II S. 17) auch entschieden, dass bei Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betrieb der Teilwert durch den Marktpreis bestimmt wird. Ich habe daher keine Bedenken, den Entnahmewert aus Vereinfachungsgründen in Anlehnung an den Strompreis für aus dem Netz des Energieversorgers bezogenen Strom zu schätzen. Hierbei ist auf den unter Berücksichtigung des allgemeinen Strom-Mixes – und nicht etwa eines besonderen Öko-Tarifes – angebotenen Stromtarif abzustellen. Wird der Strom an einen Dritten veräußert, so ist neben der reduzierten Vergütung des Netzbetreibers der vom tatsächlichen Stromabnehmer vereinnahmte Strompreis als Betriebseinnahme zu erfassen.

Selbständiges Wirtschaftsgut oder unselbständiger Gebäudebestandteil

Photovoltaikanlagen können als Anlagen mit auf der vorhandenen Dacheindeckung aufgesetzten Photovoltaikmodulen (sog. Aufdachanlage) oder mit in der Dacheindeckung integrierten Photovoltaikmodulen (sog. dachintegrierte Photovoltaikanlage, z. B. in der Form von Solardachsteinen, Solardachfolien oder Indach-Solarmodulen) betrieben werden.

Aufdachanlagen dienen unmittelbar dem Gewerbebetrieb der Stromerzeugung und sind daher regelmäßig als Betriebsvorrichtung anzusehen. Sie rechnen zu den selbständigen, beweglichen und abnutzbaren Wirtschaftsgütern, die als notwendiges Betriebsvermögen dem Gewerbebetrieb Stromerzeugung zuzurechnen sind.

Auch dachintegrierte Photovoltaikanlagen sind – entgegen der von mir in der Bezugsverfügung vertretenen Rechtsauffassung – nunmehr aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses der Einkommensteuer-Referatsleiter des Bundes und der Länder als selbständige, vom Gebäude losgelöste bewegliche Wirtschaftsgüter und damit nicht als unselbständige Gebäudebestandteile zu behandeln. Dabei ist unbeachtlich, ob die Anlagen im Zuge einer Neuerrichtung eines Gebäudes oder einer Sanierungsmaßnahme angeschafft bzw. hergestellt worden sind.

Dachintegrierte Photovoltaikanlagen sind daher im Ergebnis ertragsteuerrechtlich wie Aufdachanlagen zu behandeln.

Steuerliche Auswirkungen

  • Absetzungen für Abnutzung sind nach § 7 Abs. 1 bis 3 EStG zu gewähren. Dabei ist für Photovoltaikanlagen von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 20 Jahren auszugehen (vgl. lfd. Nr. 3.1.6 der AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter vom , BStBl 2000 I S. 1532).

  • Nichtzulässig sind Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG, erhöhte Absetzungen nach § 7h EStG und die Übertragung von stillen Reserven nach § 6b Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 EStG.

  • Bemessungsgrundlage für die Absetzungen für Abnutzung sind die nachgewiesenen Aufwendungen für die Aufdachanlage oder das Photovoltaikmodul bei dachintegrierten Anlagen. Kann der Steuerpflichtige die Aufwendungen für das Photovoltaikmodul der dachintegrierten Anlage im Einzelfall nicht nachweisen, so habe ich keine Bedenken, bei der erforderlichen Abgrenzung der sowohl auf das Gebäude als auch auf den Gewerbebetrieb entfallenden Aufwendungen, aus Vereinfachungsgründen den auf das Gebäude entfallenden Anteil in Höhe der Kosten für eine Dacheindeckung ohne integrierte Photovoltaikanlage (in Anlehnung an die übrige Dacheindeckung) zu schätzen. Der übersteigende Betrag ist dem Photovoltaikmodul zuzuordnen und stellt die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der AfA dar. Dieser Aufteilungsmaßstab ist auf die durch eine eventuelle Fremdfinanzierung der dachintegrierten Photovoltaikanlage entstehenden Aufwendungen entsprechend anzuwenden.

  • Liegen die Anspruchsvoraussetzungen des § 7g EStG n. F. – insbesondere die verbindliche Bestellung bei Bildung eines Investitionsabzugsbetrages in einem Jahr vor der Betriebseröffnung (vgl. Rdnrn. 18, 28 bis 33 des BStBl 2009 I S. 633) – vor, so kann für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage der Investionsabzugsbetrag und nach Anschaffung/Herstellung die Sonderabschreibung in Anspruch genommen werden. Ich weise darauf hin, dass in den Fällen, in denen der selbst erzeugte Strom unmittelbar nach Erzeugung zu privaten Zwecken verbraucht und nur der nicht selbst verbrauchte Strom in das Netz eingespeist wird, Investitionsabzugsbetrag und Sonderabschreibung regelmäßig nicht zu gewähren sind, weil eine private Nutzung von mehr als 10 % vorliegt (vgl. Rdnr. 46 des a. a. O.).

Förderprogramme für Photovoltaikanlagen

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat in der Vergangenheit durch ihr Programm Nr. 140 „Solarstrom Erzeugen” durch langfristige, zinsgünstige Darlehen mit Festzinssätzen und tilgungsfreien Anlaufjahren u. a. die Investitionskosten für die Errichtung, die Erweiterung oder den Erwerb einer Photovoltaikanlage gefördert. Gegenwärtig fördert die KfW Photovoltaikanlagen mit ihrem Programm Nr. 270 „Erneuerbare Energien – Standard” ebenfalls durch langfristige, zinsgünstige Darlehen mit tilgungsfreien Anlaufjahren. Eine Gewährung von Zuschüssen sehen die Programme der KfW zurzeit nicht vor. Die jeweils aktuellen Förderprogramme der KfW bitte ich dem Internetportal der KfW Bankengruppe (www.kfw.de) zu entnehmen.

Neben dem Programm der KfW gibt es auch Förderprogramme der einzelnen Bundesländer, die jeweils unterschiedlich ausgestaltet sind. Niedersachsen hat jedoch kein eigenes Förderprogramm für Privatpersonen aufgelegt, sodass die Förderung von Photovoltaikanlagen hier lediglich durch das EEG sowie eventuelle zinsgünstige KfW-Darlehen erfolgt. Vorhaben im Bereich der Forschung und Entwicklung werden dagegen durch das Niedersächsische Innovationsförderprogramm für bestimmte Personenkreise gefördert.

Verfahrensrechtliche Hinweise

In den Fällen, in denen im Hinblick auf die in der Bezugsverfügung vertretenen Rechtsauffassung dachintegrierte Photovoltaikanlagen als unselbständiger Gebäudebestandteil behandelt und bei einer Dachrenovierung im Wege der Aufwandeinlage anteilige Erhaltunsaufwendungen bestandkräftig als Betriebsausgaben anerkannt worden sind, bitte ich im Rahmen nachfolgender Veranlagungen keine zusätzlichen Absetzungen für Abnutzung für ein selbständiges Wirtschaftsgut zuzulassen.

OFD Niedersachsen v. - S 2240 - 160 - St 221/St 222

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
BB 2011 S. 177 Nr. 3
DStR 2010 S. 2305 Nr. 45
DStZ 2011 S. 5 Nr. 1
EStB 2010 S. 457 Nr. 12
PAAAD-54027