BAG Urteil v. - 6 AZR 480/09

Nicht vorbehaltene ordentliche Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses - Klagefrist

Gesetze: § 4 S 1 KSchG, § 15 Abs 3 TzBfG

Instanzenzug: ArbG Mainz Az: 3 Ca 1132/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 11 Sa 616/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage auf Annahmeverzugslohn darüber, ob die Klagefrist des § 4 KSchG auch auf die nicht vorbehaltene ordentliche Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses Anwendung findet.

2Der Kläger war seit dem bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war bis zum befristet. Eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit sah der Arbeitsvertrag nicht vor. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gleichwohl mit der Frist des § 12 Nr. 1.1 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe(BRTV-Bau) von sechs Werktagen durch Schreiben vom zum . Kündigungsschutzklage erhob der Kläger nicht. Er bot lediglich seine Arbeitskraft bis zum an.

3Nach außergerichtlicher schriftlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 6. Mai bzw. begehrt der Kläger zuletzt mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 30. März bis in rechnerisch unstreitiger Höhe. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis sei frühestens zum beendet worden. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist könne er auch außerhalb der Frist des § 4 KSchG geltend machen. Er wehre sich nicht gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst, sondern nur gegen deren Zeitpunkt. Dies sei vergleichbar mit der Klage auf Einhaltung der Kündigungsfrist. Darum seien die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht dazu in der Entscheidung vom (- 2 AZR 148/05 -) aufgestellt habe, auf die vorliegende Konstellation übertragbar.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

5Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass dem Kläger für die Zeit nach dem kein Entgelt mehr zustehe, weil er die Kündigung nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG angegriffen habe.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat durch Beschluss vom zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

7I. Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis hat aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG mit dem geendet, weil der Kläger nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG Klage gegen die Kündigung vom erhoben hat. Ihm stehen deshalb keine Entgeltansprüche für die Zeit seit dem zu. Die Vorinstanzen haben darum zu Recht die Klage abgewiesen.

81. Die Klagefrist des § 4 KSchG ist auch einzuhalten, wenn die ordentliche Kündigung gegen das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 TzBfG verstößt, weil der befristete Vertrag weder die Möglichkeit vorsieht, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen noch die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags vereinbart ist, der ein solches Kündigungsrecht enthält(KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 15; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 4; BBDK/Kriebel KSchG Stand April 2010 § 4 Rn. 20; Fornasier/Werner NJW 2007, 2729, 2733; vgl. für den tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung allgemein  - Rn. 17, BAGE 124, 367). Das folgt aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Der Gesetzgeber wollte im Interesse einer raschen Klärung der Frage, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat oder nicht, für die Geltendmachung aller Unwirksamkeitsgründe eine einheitliche Klagefrist von drei Wochen vorsehen. Dadurch sollte die Ungewissheit, wann das Recht zur Erhebung der Kündigungsschutzklage im Einzelfall verwirkt ist, beendet werden (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 9 f.).

92. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Geltendmachung des Fortbestands des gekündigten Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der vereinbarten Befristung in den Fällen des § 15 Abs. 3 TzBfG mit der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, die der Arbeitnehmer auch außerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG geltend machen kann, nicht vergleichbar.

10a) Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist kann auch außerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 KSchG noch geltend gemacht werden. Der Arbeitnehmer, der lediglich die Einhaltung der Kündigungsfrist verlangt, stellt nicht in Frage, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung als solche aufgelöst wird. Er strebt nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Zeitpunkt als der Arbeitgeber an( - Rn. 15 ff., BAGE 116, 336; bestätigt durch  - Rn. 12 ff., AP KSchG 1969 § 4 Nr. 57).

11b) Diese Erwägungen greifen bei einer Klage auf Annahmeverzugslohn, mit der die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 15 Abs. 3 TzBfG geltend gemacht wird, nicht. In diesem Fall akzeptiert der Arbeitnehmer gerade nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die erklärte Kündigung. Er hält im Gegenteil die Kündigung unter Berufung auf § 15 Abs. 3 TzBfG für unwirksam. Er nimmt lediglich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die vereinbarte Befristung als nachfolgenden Beendigungstatbestand zu einem späteren Zeitpunkt hin. Im Unterschied zur Geltendmachung einer zu kurzen Kündigungsfrist ist also nicht nur ein einziger Beendigungstatbestand gegeben, der das Arbeitsverhältnis auch nach dem Willen des Arbeitnehmers tatsächlich beenden soll, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt als vom Arbeitgeber gewollt. Ist die Kündigung unwirksam, weil das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 TzBfG missachtet worden ist, und macht der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Befristung geltend, liegen vielmehr zwei unterschiedliche Beendigungstatbestände vor, wobei die Kündigung als erster Tatbestand das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitnehmers gerade nicht beenden kann und soll. Erst der Auslauf der Befristung soll als zweiter, nachgeschalteter Beendigungstatbestand zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Es geht also nicht bloß um die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, sondern um den Ausschluss der ordentlichen Kündigung im befristeten Arbeitsverhältnis. Auf diesen Fall ist § 4 KSchG anwendbar(KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 15).

12II. Auch der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfiel, entband den Kläger nicht von der Verpflichtung, die Klagefrist des § 4 KSchG einzuhalten(Senat - 6 AZR 283/05 - Rn. 17 f., BAGE 117, 68).

13III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtlich zutreffend ausgeführt, dass der Ausspruch einer nach § 15 Abs. 3 TzBfG ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung mit einer mündlichen Kündigung nicht vergleichbar ist, dass auch eine etwaige Treuwidrigkeit der Kündigung in der Frist des § 4 KSchG hätte geltend gemacht werden müssen und die Kündigungserklärung nicht in eine Kündigung zum umgedeutet werden kann. Gegen diese Ausführungen erhebt die Revision keine Angriffe.

14IV. Da wegen der Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG die Kündigung der Beklagten vom aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG als wirksam gilt und das Arbeitsverhältnis zum als beendet anzusehen ist, fehlt es an dem für den begehrten Annahmeverzug erforderlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses für den streitgegenständlichen Vergütungszeitraum(vgl. APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 7 KSchG Rn. 10).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2367 Nr. 39
DB 2010 S. 2172 Nr. 39
DB 2010 S. 2285 Nr. 41
NJW 2010 S. 3258 Nr. 44
YAAAD-52657