Außerhalb eines Kraftfahrzeugs belegene Flächen gehören nicht zum Wohnteil eines Fahrzeugs
Gesetze: KraftStG § 2 Abs. 2b, KraftStG § 18 Abs. 5, FGO § 76 Abs. 1, FGO § 76 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Halterin eines Fahrzeugs der Marke VW T4, welches sie im März 2006 dergestalt umbaute, dass sie einen Kühlschrank mit Spülbecken und Wasserablauf sowie eine seitlich klappbare Halterung für einen Kochtisch einbaute. Seither verfügt das Fahrzeug zudem über eine Schlafgelegenheit (umbaubare hintere Sitzbank). Am hinteren Teil des Fahrzeugs lässt sich bei geöffneter Heckklappe ein Vorzelt anbringen, welches es erlaubt, die im Fahrzeugheck eingebaute Spüle und Kochgelegenheit zu nutzen. Das Fahrzeug hat nach dem Umbau ein zulässiges Gesamtgewicht von 2 805 kg und weist im Wohnteil eine geringere Stehhöhe als 170 cm auf.
2 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) besteuerte das Fahrzeug mit Wirkung ab dem als „sonstiges Fahrzeug” und setzte die Kraftfahrzeugsteuer nach dem zulässigen Gesamtgewicht auf 172 € fest.
3 Mit Kraftfahrzeugsteuer-Änderungsbescheid vom stufte das FA das Fahrzeug rückwirkend ab dem als PKW ein und setzte die Kraftfahrzeugsteuer nach Maßgabe des Hubraums auf 401 € fest. Zur Erläuterung gab es an, dass sich die Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug nach § 9 Abs. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) i.d.F. des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom —3. KraftStÄndG— (BGBl I 2006, 3344) i.V.m. § 2 Abs. 2a KraftStG rückwirkend geändert habe.
4 Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat entschieden, dass das Fahrzeug der Klägerin kein Wohnmobil i.S. des § 2 Abs. 2b KraftStG sei, weil es die erforderliche Stehhöhe von 170 cm an der Kochgelegenheit und an der Spüle nicht erreiche. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liege nicht vor, weil das klägerische Fahrzeug auch ohne die gesetzliche Neuregelung als PKW zu besteuern gewesen wäre.
5 Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) sowie das Vorliegen eines Verfahrensmangels, auf dem die Vorentscheidung beruhe (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), geltend.
6 II. Die Beschwerde ist unbegründet. Es liegen keine Revisionszulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 FGO vor.
7 1. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob unter den Begriff des „Wohnteils” in § 2 Abs. 2b KraftStG auch eine Fläche zu fassen ist, die außerhalb des Fahrzeugs im Bereich eines angebauten Vorzelts belegen ist, ist nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO klärungsbedürftig, weil sich die Antwort ohne Weiteres aus dem Wortlaut und dem Sinngehalt des Gesetzes ergibt und die Rechtslage daher eindeutig ist.
8 a) Nach § 2 Abs. 2b KraftStG gelten als Wohnmobile Fahrzeuge der Klasse M mit besonderer grundsätzlich fest eingebauter Ausrüstung nach Anhang II Abschnitt A Nr. 5.1 der Richtlinie 70/156/EWG, wenn sie auch zum vorübergehenden Wohnen ausgelegt und gebaut sind, die Bodenfläche des Wohnteils den überwiegenden Teil der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs einnimmt und der Wohnteil eine Stehhöhe von mindestens 170 cm sowohl an der Kochgelegenheit als auch an der Spüle aufweist. Bereits aus diesem Wortlaut ergibt sich in Übereinstimmung mit der Einschätzung des FG, dass sich der Begriff des Wohnteils auf die Fläche des Fahrzeugs selbst beziehen muss. Dies folgt bereits aus der Formulierung, dass „die Bodenfläche des Wohnteils den überwiegenden Teil der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs” einnehmen muss. Dadurch, dass der Gesetzgeber auf die Nutzfläche „des Fahrzeugs” abstellt, macht er deutlich, dass außerhalb des Fahrzeugs belegene Flächen nicht in die Betrachtung mit einbezogen werden dürfen.
9 b) Die vorgenannte Auslegung ist auch durch den Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2b KraftStG gedeckt. Denn der Gesetzgeber wollte durch die Vorschrift die dort genannten echten Wohnmobile von kleineren, sog. unechten Wohnmobilen abgrenzen. Dies beruht auf der Erwägung, dass Fahrzeuge, die etwa auf den Fahrzeugkonzepten von Kleinbussen, Geländewagen oder Mehrzweck- und Kombinationskraftfahrzeugen basieren, regelmäßig nur einzelne Beschaffenheitskriterien eines Wohnmobils erfüllen, weshalb sie der Besteuerung als PKW unterworfen werden sollten, soweit sie nicht die in § 2 Abs. 2b KraftStG genannten Tatbestandsmerkmale erfüllen (vgl. zur Gesetzesbegründung die Nachweise bei Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 2 Rz 7e). Würde man bezogen auf die danach erforderliche Stehhöhe auch Flächen einbeziehen, die außerhalb des Fahrzeugs belegen und nur durch ein Vorzelt mit diesem verbunden sind, so würde der genannte Abgrenzungszweck des § 2 Abs. 2b KraftStG verfehlt.
10 c) Soweit die Klägerin im Übrigen die Frage aufgeworfen hat, ob die durch das 3. KraftStÄndG mit Rückwirkung auf den geschaffenen Neuregelungen für die Wohnmobilbesteuerung (§ 2 Abs. 2b i.V.m. § 18 Abs. 5 KraftStG) gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen, ist diese Frage durch (BStBl II 2010, 649, BFH/NV 2010, 1204) geklärt. Der BFH hat eine unzulässige Rückwirkung verneint, weil die genannten Änderungen ausschließlich begünstigende Wirkung haben. Damit fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage (vgl. , BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587).
11 2. Angesichts der Tatsache, dass die Rechtslage somit eindeutig bzw. geklärt ist, fehlt es auch i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO an der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts.
12 3. Soweit die Klägerin rügt, das FG habe unter Verstoß gegen § 76 Abs. 1 FGO ihren Vortrag nicht berücksichtigt, dass die Fahrzeugausrüstung Einrichtungen zur Unterbringung von Gepäck und sonstigen Gegenständen umfasste, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit. Bei der Prüfung, ob ein erheblicher Verfahrensfehler vorliegt, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 96). Das FG hat seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass die nach § 2 Abs. 2b KraftStG im Fahrzeug erforderliche Stehhöhe nicht erreicht werde. Danach hätte das Urteil des FG auch dann nicht anders ausfallen können, wenn es den Vortrag der Klägerin berücksichtigt hätte.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 2121 Nr. 11
UVR 2011 S. 10 Nr. 1
VAAAD-52029