Markenbeschwerdeverfahren: Anwendung der Verspätungsvorschriften der Zivilprozessordnung; Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch Schriftsätze nur bei richterlicher Anordnung - Malteserkreuz III
Leitsatz
Malteserkreuz III
1. Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht sind - soweit der Beibringungsgrundsatz gilt - die Verspätungsvorschriften der Zivilprozessordnung für das Verfahren erster Instanz einschlägig .
2. Eine Anwendung des § 282 Abs. 2 ZPO im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht kommt nur in Betracht, wenn den Parteien durch richterliche Anordnung aufgegeben worden ist, die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze oder durch zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugebende Erklärungen nach § 129 Abs. 2 ZPO vorzubereiten .
Gesetze: § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, § 43 Abs 1 MarkenG, § 82 Abs 1 S 1 MarkenG, § 129 Abs 2 ZPO, § 282 Abs 2 ZPO, § 296 Abs 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 25 W (pat) 85/02 Beschluss
Gründe
1I. Für den Markeninhaber ist die am angemeldete farbige (grün und weiß) Wort-/Bildmarke Nr. 398 48 701
am für
eingetragen worden. Gegen die Eintragung hat der Widersprechende aus seiner am unter anderem für die Dienstleistungen
eingetragenen schwarz-weißen Bildmarke Nr. 20 69 437
Widerspruch erhoben.
2Der Markeninhaber hat die Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Die Einrede hat er bezogen auf die vorstehend angeführten Dienstleistungen im weiteren Verfahrensverlauf fallen lassen.
3Das Deutsche Patent- und Markenamt hat eine Verwechslungsgefahr der Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben (BPatG GRUR 2005, 343). Auf die Rechtsbeschwerde des Widersprechenden hat der Senat die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache an das Bundespatentgericht zurückverwiesen (, Mitt. 2007, 27).
4Im Verfahren vor dem Bundespatentgericht hat der Widersprechende seinen Löschungsantrag weiterverfolgt. Der Markeninhaber ist dem entgegengetreten und hat erneut die Einrede der mangelnden Benutzung erhoben.
5Das Bundespatentgericht hat auf die Beschwerde des Widersprechenden die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben und die Löschung der Marke angeordnet (Beschl. v. - 25 W (pat) 85/02, juris).
6Hiergegen wendet sich der Markeninhaber mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde. Der Widersprechende beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
7II. Das Bundespatentgericht hat den Widerspruch wegen Verwechslungsgefahr für begründet erachtet (§ 43 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Dazu hat es ausgeführt:
8Die erneut erhobene Nichtbenutzungseinrede greife nicht durch. Es sei bereits zweifelhaft, ob sich die Einrede auch auf den Teil der Dienstleistungen beziehe, für die der Markeninhaber sie zuvor habe fallen lassen. Jedenfalls sei die erst eine Woche vor der mündlichen Verhandlung erneut erhobene Einrede mangelnder Benutzung gemäß § 82 Abs. 1 MarkenG i.V. mit § 282 Abs. 2, § 296 Abs. 2 ZPO verspätet.
9Der Prüfung der Verwechslungsgefahr seien danach diejenigen Dienstleistungen zugrunde zu legen, hinsichtlich deren der Markeninhaber die rechtserhaltende Benutzung nicht wirksam bestritten habe. Zwischen diesen Dienstleistungen der Widerspruchsmarke und den Dienstleistungen, für die die jüngere Marke eingetragen sei, bestehe weitgehend Identität und im Übrigen hochgradige Ähnlichkeit.
10Die Widerspruchsmarke verfüge über zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
11Die Marken seien einander ähnlich. Darauf, ob der Bildbestandteil die angegriffene zusammengesetzte Marke präge, komme es nicht an. Es sei jedenfalls von einer selbständig kennzeichnenden Stellung dieses Bildbestandteils in der jüngeren Marke auszugehen. Vorliegend komme in Betracht, dass nicht nur der Wortbestandteil "LAZARUS", sondern auch das Malteserkreuz der Widerspruchsmarke vom Verkehr als Unternehmenskennzeichen angesehen werde. Durch die Verbindung des als Unternehmenskennzeichen angesehenen Wortbestandteils mit dem Bildbestandteil werde dem Verkehr die Annahme nahegelegt, es bestünden wirtschaftliche und organisatorische Verbindungen zum Widersprechenden. Hierzu brauche die ältere Marke mit dem selbständig kennzeichnenden Bestandteil der jüngeren Marke nicht identisch zu sein; eine Zeichenähnlichkeit reiche aus. Die selbständig kennzeichnende Stellung des Bildbestandteils der jüngeren Marke werde durch die einheitliche Farbgebung nicht aufgehoben.
12III. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Markeninhabers hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht.
131. Die Rügen der Rechtsbeschwerde dagegen, dass das Bundespatentgericht das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen der Widerspruchsmarke und der jüngeren Wort-/Bildmarke des Markeninhabers bejaht hat, greifen nicht durch. Das Bundespatentgericht ist zu Recht von einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn zwischen den kollidierenden Marken ausgegangen. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidung in der Parallelsache zur Marke Nr. 395 20 154 ( - Malteserkreuz II). Diese Erwägungen gelten auch für das vorliegende Verfahren, weil die Rechtsbeschwerde die Angriffe gegen die vom Bundespatentgericht bejahte Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG inhaltsgleich begründet hat.
142. Das Bundespatentgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vom Markeninhaber mit dem Schriftsatz vom am und damit eine Woche vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am erneut erhobene Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke wegen Verspätung nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V. mit § 282 Abs. 2, § 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen ist.
15a) Allerdings ist die Anwendung der Verspätungsvorschriften der Zivilprozessordnung im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht im Hinblick auf die Einrede mangelnder Benutzung nach § 43 Abs. 1 MarkenG nicht ausgeschlossen, weil insoweit der Beibringungsgrundsatz gilt (vgl. , GRUR 1998, 938, 939 = WRP 1998, 993 - DRAGON). Entgegen der früheren Entscheidungspraxis sind auf Verfahren vor dem Bundespatentgericht, die wie hier (Einlegung der Beschwerde am ) nach dem begonnen haben, nicht mehr die Verspätungsvorschriften des Berufungsverfahrens anwendbar. Durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (Zivilprozessreformgesetz- ZPO-RG) vom (BGBl. I S. 1887) ist das Rechtsmittelrecht mit dem Ziel einer deutlicheren Funktionsdifferenzierung des Instanzenzuges geändert worden. Die Berufungsinstanz ist in ein Instrument zur Kontrolle und Beseitigung von Fehlern der erstinstanzlichen Entscheidung umgestaltet worden (BGHZ 160, 83, 86). Mit dem Berufungsverfahren des Zivilprozesses ist das Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht, das die erste gerichtliche Tatsacheninstanz ist, nicht mehr vergleichbar. Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht sind deshalb - soweit sie überhaupt entsprechend anwendbar sind - die Verspätungsvorschriften der Zivilprozessordnung für das Verfahren erster Instanz einschlägig (BPatG GRUR 2005, 58, 59; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 43 Rdn. 9; Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 43 Rdn. 30 f.; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, § 82 Rdn. 9; ebenso zum Patentnichtigkeitsverfahren: , GRUR 2005, 888 - Anschlussberufung im Patentnichtigkeitsverfahren). Davon ist im Grundsatz auch das Bundespatentgericht ausgegangen.
16b) Die Voraussetzungen einer Zurückweisung der Einrede mangelnder Benutzung wegen verspäteten Vorbringens nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V. mit § 282 Abs. 2, § 296 Abs. 2 ZPO liegen jedoch nicht vor. Nach § 282 Abs. 2 ZPO sind Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitende Schriftsätze so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einholen kann. Der Gegner soll sich im Verhandlungstermin zu neuen Tatsachenbehauptungen erklären und sachgerecht verteidigen können. Die Vorschrift, die schriftsätzliches Vorbringen vor der mündlichen Verhandlung verlangt, gilt in erster Linie im Anwaltsprozess, in dem die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorzubereiten ist, § 129 Abs. 1 ZPO (Musielak/Foerste, ZPO, 7. Aufl., § 282 Rdn. 8; Prütting/Gehrlein/Geisler, ZPO, § 282 Rdn. 8; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 282 Rdn. 34). Da das Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht kein Anwaltsprozess i.S. von § 78 Abs. 1 ZPO ist, weil die Vertretung durch Rechtsanwälte nicht zwingend geboten ist, kommt eine Anwendung des § 282 Abs. 2 ZPO nur in Betracht, wenn den Parteien durch richterliche Anordnung aufgegeben worden ist, die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugebende Erklärungen gemäß § 129 Abs. 2 ZPO vorzubereiten (BVerfG NJW 1993, 1319). Eine entsprechende Anordnung hat das Bundespatentgericht nicht getroffen. Hierzu reichte die Anfrage des Bundespatentgerichts vom nicht aus, ob der ursprüngliche Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrechterhalten blieb und Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestand. Die Anfrage diente nicht der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch Schriftsätze der Beteiligten, sondern nur der Klärung, ob überhaupt eine mündliche Verhandlung nach § 69 Nr. 1 MarkenG durchzuführen war. Das Bundespatentgericht konnte die Erhebung der Nichtbenutzungseinrede daher nicht als nach § 282 Abs. 2 i.V. mit § 296 Abs. 2 ZPO verspätet zurückweisen.
173. Die Nichtbenutzungseinrede ist vorliegend auch nicht nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V. mit § 282 Abs. 1, § 296 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.
18Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf das im Rechtszug übergeordnete Gericht die Zurückweisung verspäteten Vorbringens nicht auf eine andere als die von der Vorinstanz angewandte Vorschrift stützen. Ein Wechsel der Präklusionsbegründung durch das Rechtsmittelgericht kommt grundsätzlich nicht in Betracht (BGHZ 166, 227 Tz. 12, m.w.N.). Dies gilt auch für das Verhältnis der Zurückweisung verspäteten Vorbringens nach § 296 Abs. 2 i.V. mit § 282 Abs. 1 ZPO und § 296 Abs. 2 i.V. mit § 282 Abs. 2 ZPO (vgl. , NJW-RR 2005, 1007, 1008), das vorliegend in Rede steht. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die mündliche Verhandlung nach Zurückverweisung durch den Senat als erster Termin aufzufassen ist, in dem ein Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht nach § 282 Abs. 1 ZPO ohnehin ausscheidet, oder ob das Beschwerdeverfahren vor und nach der Entscheidung des Senats eine Einheit bildet und die mündliche Verhandlung vom der zweite Termin war, in dem die Anwendung des § 282 Abs. 1 ZPO nicht grundsätzlich ausgeschlossen war.
194. Die Entscheidung des Bundespatentgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend.
20a) Der Markeninhaber hat die Einrede mangelnder Benutzung mit Schriftsatz vom wirksam erhoben (§ 43 Abs. 1 MarkenG). Der Umstand, dass er von der zunächst uneingeschränkt geltend gemachten Einrede mangelnder Benutzung Ende 2001 eine Reihe von Dienstleistungen ausgenommen und deren Benutzung zugestanden hat, stellt keinen Teilverzicht auf die Erhebung der Einrede dar. Eine derart weitreichende Bedeutung kann der Erklärung nur bei Vorliegen besonderer Umstände entnommen werden (vgl. , GRUR 2000, 886, 887 = WRP 2001, 37 - Bayer/BeiChem). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich und auch nichts festgestellt.
21b) Die mit Schriftsatz vom zulässigerweise erneut geltend gemachte Nichtbenutzungseinrede ist auch nicht eingeschränkt erhoben worden. Der Markeninhaber hat die erstmalig am geltend gemachte Einrede zwar mit Schriftsatz vom wiederum beschränkt. Daraus lässt sich eine Einschränkung der im Oktober 2007 erhobenen Nichtbenutzungseinrede aber nicht entnehmen. Dies folgt aus einer Auslegung der Erklärung des Markeninhabers. Die im Beschwerdeverfahren erhobene Einrede mangelnder Benutzung ist eine Prozesserklärung (Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, Bd. 1, S. 385 Rdn. 556). Prozesserklärungen kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren selbst auslegen (vgl. zum Revisionsverfahren: , GRUR 2009, 845 Tz. 9 = WRP 2009, 1001 - Internet-Videorecorder). In der fraglichen Erklärung hat der Markeninhaber auf den ursprünglichen Schriftsatz Bezug genommen, in dem er die Einrede uneingeschränkt erhoben hatte. Er hat zudem - wenn auch irrtümlich - sich darauf berufen, eine rechtserhaltende Benutzung bislang nicht zugestanden zu haben. Zudem umfasst die Begründung der mangelnden rechtserhaltenden Benutzung sämtliche Dienstleistungen, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist. Denn der Markeninhaber hat in Zweifel gezogen, dass die Benutzung der Widerspruchsmarke in anderer Farbgebung und zusammen mit weiteren Wortbestandteilen eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke darstellt.
22Gegenteiliges folgt auch nicht aus den Ausführungen der Rechtsbeschwerde. Diese hat zwar geltend gemacht, der Markeninhaber habe sich in einem Irrtum darüber befunden, dass er die Nichtbenutzungseinrede zu einem Teil habe fallen lassen. Daraus ergibt sich aber nicht umgekehrt, dass der Markeninhaber die Nichtbenutzungseinrede im Oktober 2007 nur eingeschränkt eingelegt hat.
23IV. Die erforderlichen Feststellungen zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Dienstleistungen, die das Bundespatentgericht seiner Verwechslungsprüfung zugrunde gelegt hat, hat es bislang - von seinem Standpunkt folgerichtig - nicht getroffen. Diese wird es gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG nachzuholen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAD-47294