BGH Beschluss v. - V ZR 145/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Aachen, 11 O 252/06 vom OLG Köln, 4 U 5/07 vom

Gründe

I. Mit notariellem Vertrag vom verkaufte der Beklagte ein Grundstück zum Preis von 105.000 EUR an die Klägerin. In einer weiteren notariellen Urkunde desselben Tages bestellten die Parteien an dem verkauften Grundstück eine Grundschuld über 68.000 EUR zugunsten des Beklagten. Der Kaufpreis von 105.000 EUR wurde bezahlt.

Der Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld. Die Klägerin wendet mit der dagegen erhobenen Vollstreckungsgegenklage ein, die Grundschuld habe einen Teil der Kaufpreisforderung sichern sollen. Da diese erfüllt sei, sei die Vollstreckung unzulässig.

Die Klage ist in erster Instanz abgewiesen worden, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

In dem neuen Berufungsverfahren ist unter anderem der beurkundende Notar als Zeuge vernommen worden. Der ebenfalls geladene ehemalige Bürovorsteher des Notars (Zeuge K. ) hat sich wegen Krankheit entschuldigt und eine schriftliche Stellungnahme zu dem Beweisthema übersandt. In dem Sitzungsprotokoll der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht heißt es: "Sie <die Anwälte> erklären, dass sie zu der heutigen Beweisaufnahme noch schriftlich Stellung nehmen wollen. Insoweit werden sie sich auch dazu äußern, ob der Zeuge K. noch persönlich vernommen werden muss". Anschließend ist eine Schriftsatzfrist und ein Verkündungstermin bestimmt worden. Innerhalb der eingeräumten Frist hat die Klägerin wie folgt Stellung genommen: "Sofern nicht ohnehin gem. dem Antrag der Klägerin zu entscheiden sein sollte, wird angeregt, den Zeugen K. noch ergänzend zu vernehmen".

In dem Verkündungstermin hat das Oberlandesgericht ein die Berufung der Klägerin zurückweisendes Urteil verkündet. In dem Tatbestand dieses Urteils heißt es, die Parteien hätten auf die Vernehmung des Zeugen K. verzichtet. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

II. Das Berufungsgericht meint, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld zu Recht betreibe. Die Grundschuld habe nicht der teilweisen Sicherung des in dem notariellen Grundstückskaufvertrag vereinbarten Kaufpreises gedient. Die erneute Vernehmung des Notars sowie die schriftliche Stellungnahme des Zeugen K. hätten ergeben, dass die der Bestellung der Grundschuld zugrunde liegenden Vereinbarungen in wesentlichen Punkten von den Vereinbarungen über die Bestellung der - ursprünglich vorgesehenen und der Kaufpreissicherung dienenden - Hypothek über 68.000 EUR abgewichen seien, was nur den Schluss zulasse, dass die Grundschuld nicht der Sicherung eines Restbetrages des Kaufpreises habe dienen sollen. Insgesamt erscheine der Vortrag des Beklagten plausibel, er habe 193.000 EUR von der Klägerin erhalten wollen, und zwar als Ausgleich für den Verkauf des Hofgrundstücks, für darlehensweise hingegebene Gelder und für die Reparatur des Dachs. Jedenfalls stehe fest, dass die Grundschuld eine andere Forderung sichere als die beurkundete Kaufpreisforderung. Letztere habe die Klägerin getilgt; weitere Zahlungen seien nicht erfolgt. Unter diesen Umständen bedürfe es nicht mehr der Vernehmung des Zeugen K. .

III. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

1. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG NJW 2003, 1655). So liegt es hier in Bezug auf den von der Klägerin angebotenen Beweis durch Vernehmung des Bürovorstehers K. .

a) Die Klägerin hat nicht auf die Vernehmung des Zeugen verzichtet. Die gegenteilige Feststellung im angefochtenen Urteil ist durch das Sitzungsprotokoll entkräftet und nimmt daher nicht an der Tatbestandswirkung des Urteils teil (§ 314 Satz 2 ZPO). Ausweislich des Sitzungsprotokolls der letzten mündlichen Verhandlung vom wollten sich die Parteien erst in einer (späteren) schriftlichen Stellungnahme zu der Frage äußern, ob auf den Zeugen K. verzichtet werden könne. Das steht im offenen Widerspruch zu der Feststellung im Urteil, die Parteien hätten, nachdem ihnen die schriftliche Aussage des Zeugen K. im Termin überreicht worden sei, auf dessen Vernehmung verzichtet. In dem nachgelassenen Schriftsatz hat die Klägerin an ihrem Beweisantritt festgehalten.

b) Das Berufungsgericht konnte von der Vernehmung des Zeugen auch nicht mit der Begründung absehen, aufgrund der Aussage des Notars stehe fest, dass die Grundschuld eine andere Forderung als den beurkundeten Kaufpreis sichere. Die dahinter stehende Annahme, die Aussage des zu demselben Beweisthema benannten Zeugen K. werde keine anderen Erkenntnisse erbringen, ist eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung und verletzt ebenfalls Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. , WM 2004, 2365, 2366).

c) Das Berufungsgericht durfte schließlich nicht im Hinblick auf die schriftliche Erklärung des Zeugen K. von dessen Vernehmung absehen, da es keine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage (§ 377 Abs. 3 ZPO) angeordnet, sondern den Zeugen zum Termin geladen hatte.

2. Das übergangene Beweisangebot ist entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat sein Urteil maßgeblich auf die Aussage des Notars gestützt, wonach die in Aussicht genommenen Vereinbarungen von den Parteien vor der Beurkundung in wesentlichen Punkten geändert worden seien, und aus diesen Änderungen gefolgert, die Grundschuld sichere nicht dieselbe Forderung wie die ursprünglich vorgesehene Restkaufpreishypothek. Die Änderungen des Vertragstextes sind von der Klägerin auch oder in erster Linie mit dem Zeugen K. als Bürovorsteher besprochen worden. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass durch seine Vernehmung ihr Vortrag bestätigt worden wäre, sie habe ihm seinerzeit telefonisch mitgeteilt, dass die Grundschuld trotz der Vertragsänderungen weiterhin der Sicherung der Kaufpreiszahlung dienen solle, und dass diese Aussage zu einem anderen Beweisergebnis geführt hätte.

3. Angesichts der übrigen Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde weist der Senat für das weitere Verfahren vorsorglich darauf hin, dass das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler annehmen konnte, der Beklagte habe hinsichtlich des Sicherungszwecks der Grundschuld seiner sekundären Darlegungslast genügt.

Fundstelle(n):
QAAAD-39928