Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug; Option und Vorsteuerabzug
Gesetze: FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, AO § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, UStG § 4 Nr. 12a, UStG § 9 Abs. 1, UStG § 15
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erfordert die Entscheidung des Streitfalls nicht die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) oder eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) hinsichtlich der Frage, welches Verhältnis zwischen der Verwendungsabsicht und der tatsächlichen Verwendung eines Wirtschaftsguts im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) besteht.
Nach der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist entscheidend, ob der Steuerpflichtige im Jahr des Leistungsbezugs mit den Investitionsausgaben tatsächlich Umsätze ausführt, für die der Vorsteuerabzug zugelassen ist, bzw. wenn die tatsächliche Verwendung noch aussteht, die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, mit den Investitionsausgaben Umsätze auszuführen, für die der Vorsteuerabzug zugelassen ist (vgl. Urteil vom V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729, unter II.2.a der Gründe). Ein weiterer abstrakter Klärungsbedarf ist insoweit nicht ersichtlich.
Ob das Finanzgericht (FG) von dieser Rechtsprechung dadurch abgewichen ist, dass es seine Entscheidung unter beiden Gesichtspunkten begründet hat, oder ob das Bestehen oder Fehlen der Absicht einer steuerpflichtigen Vermietung während des Zeitraums der Herstellung des Gebäudes in Zweifelsfällen auch eine Indizwirkung für oder gegen die Annahme einer Steuerpflicht im Rahmen der tatsächlichen Verwendung haben kann, kann offenbleiben. Denn jedenfalls würde das Urteil nicht auf der Abweichung beruhen, weil es unter beiden Gesichtspunkten zu dem übereinstimmenden Ergebnis gelangt ist, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nicht vorliegen.
2. Im Zusammenhang mit dem Begriff der „Sofortentscheidung” hat die Klägerin eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht schlüssig dargelegt. Den von der Klägerin zitierten angeblichen Divergenzentscheidungen lässt sich nicht der Rechtssatz entnehmen, dass die tatsächliche Verwendung oder die Verwendungsabsicht hinsichtlich des mit den Leistungsbezügen erstellten Wirtschaftsguts zwingend und ausschließlich der Umsatzsteuervoranmeldung oder der Umsatzsteuererklärung zu entnehmen ist. Dass der Voranmeldung oder Steuererklärung insoweit regelmäßig eine gewichtige Bedeutung beizumessen ist, schließt das Vorliegen von Ausnahmefällen nicht aus.
3. Abweichend von der Rüge der Klägerin begründet die Annahme des FG, dass die Umsatzsteuervoranmeldung „keinen durchschlagenden Einfluss” habe, auch keine Divergenz zu der Rechtsprechung des (BFHE 176, 491, BStBl II 1995, 426). Das FG hat damit nicht —auch nicht konkludent— in Frage gestellt, dass eine Option gemäß § 9 Abs. 1 UStG auch dadurch erklärt werden kann, dass ein Umsatz in einer Steuererklärung als steuerpflichtig behandelt wird. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob und ggf. welche Auswirkungen eine in einer Steuererklärung für zurückliegende Zeiträume erklärte Option auf den Vorsteuerabzug hat (vgl. dazu Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 9 Rz 68).
4. Auch das Vorbringen der Klägerin zur Fehlerhaftigkeit der Ausführungen des FG zu § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die Klägerin macht zwar zu Recht geltend, dass der Umsatzsteuerbescheid für 1988 vom , der durch den mit der vorliegenden Klage angefochtenen Bescheid vom geändert wurde, entgegen der Auffassung des FG formell bestandskräftig war. Denn der Bescheid vom war von der Klägerin nicht angefochten worden. Dass er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) stand, steht seiner formellen Bestandskraft nicht entgegen.
Das angefochtene Urteil, das die Klage auch unter dem Gesichtspunkt des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO abgewiesen hat, beruht aber nicht auf diesem Rechtsfehler. Zwar hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage der Maßgeblichkeit der tatsächlichen erstmaligen Verwendung der bezogenen Leistung für den Vorsteuerabzug nach Erlass des Umsatzsteuerbescheids vom geändert (vgl. , BFHE 194, 498, BStBl II 2003, 426). Es ist aber zu berücksichtigen, dass das FG sein Urteil sowohl auf die fehlende Verwendungsabsicht der Klägerin im Zeitpunkt des jeweiligen Leistungsbezugs im Laufe des Jahres 1988 als auch unter dem Gesichtspunkt der tatsächlichen erstmaligen Verwendung im Dezember 1988 begründet hat (Seite 20 4. Absatz und Seite 36 letzter Satz des Urteils). Es hat damit die Klage auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung in dem (BFHE 149, 307, BStBl II 1987, 521) und damit auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BFH abgewiesen, sodass die geänderte Rechtsprechung für die Klageabweisung nicht ursächlich war.
5. Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der Frage der tatsächlichen Verwendung der Werkstatt im Dezember 1988 das Fehlen von Gründen (§ 119 Nr. 6 FGO) und eine willkürliche Entscheidung des FG geltend macht, hat die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg.
Bei Vermietungsumsätzen ist wegen § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ein Vorsteuerabzug nur zulässig, wenn auf die Steuerfreiheit (vgl. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG) verzichtet wurde (§ 9 Abs. 1 UStG). Es reicht für die Gewährung des Vorsteuerabzugs im Streitfall deshalb nicht aus, dass die Werkstatt im Dezember 1988 vermietet wurde. Erforderlich für die Annahme einer tatsächlichen Verwendung für Zwecke, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, ist darüber hinaus die positive Feststellung einer steuerpflichtigen Vermietung ab Dezember 1988. Zu einer derartigen Feststellung hat sich das FG nicht in der Lage gesehen (vgl. Seite 20 4. Absatz des Urteils). Die insoweit bestehenden Zweifel des FG gehen zu Lasten der Klägerin, weil sie die Feststellungslast (objektive Beweislast) für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs trägt (vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 2368, m.w.N.).
Das FG hat seine Entscheidung entgegen der Rüge der Klägerin insoweit auch mit Gründen versehen (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO). Denn es hat ausgeführt, weshalb eine Rückdatierung des Mietvertrags vom nicht auszuschließen sei (Seite 26 bis 29 des Urteils), und darauf verwiesen, dass tatsächlich für den Monat Dezember 1988 zunächst eine Miete ohne Umsatzsteuer gezahlt worden sei (Seite 31 des Urteils). Die Annahme des FG, eine Mietzahlung ohne Umsatzsteuer sei ein Indiz dafür, dass eine Steuerpflicht tatsächlich nicht vereinbart gewesen sei, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nachvollziehbar und nicht willkürlich. Diese Annahme beruht auf dem Erfahrungssatz, dass ein Mieter dann, wenn eine Umsatzsteuerpflicht tatsächlich vereinbart worden ist und daher Umsatzsteuer geschuldet wird, diese in der Regel auch gleichzeitig mit dem Nettobetrag zahlt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 2010 Nr. 12
RAAAD-30561