Widerruf der Bestellung zum Steuerberater wegen Vermögensverfalls; keine Berufung auf Dienstleistungsfreiheit
Gesetze: AO § 80 Abs. 5, StBerG § 3a, StBerG § 50 Abs. 1, StBerG § 55, EG Art. 49, EG Art. 50
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine in Großbritannien registrierte Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Ltd., legte unter der Adresse eines Büros in den Niederlanden durch ihren „Direktor” X Einspruch in der Steuerangelegenheit einer weiteren Direktorin beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) ein. Mit Verfügung vom wies das FA die Klägerin gemäß § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung als Bevollmächtigte zurück, da sie geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leiste, ohne dazu befugt zu sein. Bei X handelt es sich um einen ehemals in Deutschland zugelassenen Steuerberater, dessen Zulassung jedoch wegen Vermögensverfalls widerrufen wurde.
Gegen die Zurückweisungsverfügung wandte sich die Klägerin unter Berufung auf § 3 Nr. 4 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) i.d.F. (a.F.) vor Inkrafttreten des Achten Änderungsgesetzes zum Steuerberatungsgesetz vom (BGBl I 2008, 666) und machte geltend, sie sei nur vorübergehend und gelegentlich zur geschäftlichen Hilfeleistung in Steuersachen auf deutschem Gebiet tätig. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte unter Anwendung des § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG n.F. aus, die Klägerin sei nicht nur vorübergehend in Deutschland tätig gewesen. Vielmehr habe sie „mehrere Steuerpflichtige an verschiedenen Orten beraten und vor verschiedenen Finanzämtern und -gerichten in einer Vielzahl von Verfahren vertreten” und damit in „stabiler und kontinuierlicher Weise” Dienstleistungen in Deutschland erbracht. „Ob die Vertreter der Klägerin den überwiegenden Teil dieser steuerberatenden Tätigkeit in den ausländischen Niederlassungen ausführen und sich nur selten zur Wahrnehmung von Terminen in Deutschland” aufhielten sei unerheblich und könne zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Entscheidend sei nämlich, „dass die —auf Dauer angelegte— steuerliche Beratung durch die Klägerin als gegenüber den inländischen Mandanten zu erbringende Gesamtleistung auf die Regelung von deren steuerlichen Belangen im Inland gerichtet” sei „und immer wieder ein Auftreten . im Inland” erfordere, und zwar „durch Wahrnehmung von Terminen oder aus dem Niederlassungsstaat heraus”. Die mit der Betreuung von Dauermandanten zwangsläufig verbundene Häufigkeit und regelmäßige Wiederkehr des Tätigwerdens im Inland „kennzeichne” die Tätigkeit als nicht vorübergehend i.S. des Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG). Dabei müssten die Vertreter der Klägerin zwangsläufig immer wieder auch körperlich in Deutschland anwesend sein und für ihre Mandanten tätig werden. Das physische Element des Grenzübertritts sei damit vorhanden.
In der mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin eine Reihe von Anträgen zur Vorlage des Streitfalls an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sowie zur Einholung von Gutachten und zur Erhebung weiterer Beweise gestellt (S. 3 bis 6 der Sitzungsniederschrift vom ), denen das FG nicht nachgekommen ist.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob von einer geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen auf deutschem Gebiet i.S. des § 3 Nr. 4 StBerG a.F. bzw. nunmehr § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG n.F. nur gesprochen werden kann, soweit die Tätigkeit physisch auf deutschem Boden stattfindet und nur physisch in Deutschland stattfindende Tätigkeiten herangezogen werden dürfen, um zu entscheiden, ob die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen noch lediglich vorübergehend und gelegentlich stattfindet, ist in dieser Zuspitzung auf einen Teilaspekt des Streitfalls nicht klärungsfähig. Die Klägerin misst dabei nämlich dem zweiten Teilaspekt des Streitfalls nicht die ihm zukommende Bedeutung zu. Er besteht darin, dass der für die Klägerin handelnden Person, dem Direktor X, in Deutschland die Bestellung zum Steuerberater wegen Vermögensverfalls und der damit einhergehenden Gefährdung der Vermögensinteressen seiner Mandanten entzogen worden ist. Auf diesen Aspekt hat schon das FA in seiner Einspruchsentscheidung hingewiesen. Das FG hat die Erheblichkeit dieses Aspekts ausdrücklich dahingestellt sein lassen (vgl. auch , BFH/NV 2007, 1928). Der Gesichtspunkt des Widerrufs der Bestellung des X wird aber in dem Augenblick rechtserheblich, in dem der Aspekt des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit in Deutschland die Entscheidung des FG allein nicht mehr tragen sollte. Daher hätte sich die Klägerin, die dieses Ergebnis anstrebt, zu dem bislang offen gebliebenen Teilaspekt äußern müssen, um die Klärungsfähigkeit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage darzutun. Dies ist mit dem Hinweis auf die oben unter I. zitierten BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 261 und IV B 18/06 (n.v.) nur unzureichend geschehen.
a) Bereits in Art. 50 EG ist die Wahrnehmung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG außer an das Erfordernis einer bloß vorübergehenden Tätigkeit zusätzlich an die Voraussetzungen geknüpft, welche der Staat des Leistungsempfängers für seine eigenen Angehörigen vorschreibt. In Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Anerkennung von Berufsqualifikationen heißt es dazu: Begibt sich der Dienstleister in einen anderen Mitgliedstaat, so unterliegt er im Aufnahmemitgliedstaat unter anderem den Regelungen für schwerwiegende berufliche Fehler in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher (vgl. dazu den von X erwirkten , n.v.).
b) Auf diesen schon vom FA eingeführten Aspekt des Streitfalls ist die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nur mit dem Hinweis eingegangen, sie sei mit X nicht identisch und brauche sich dessen „Fehler” nicht vorhalten zu lassen. Soweit sie sich dabei auf die oben genannten Beschlüsse des BFH beruft, geht dies jedoch fehl. Der BFH weist zwar darauf hin, dass die Klägerin einerseits und ihre Direktoren andererseits unterschiedliche Rechtsträger sind, äußert sich aber zur Rechtserheblichkeit dieses Unterschieds nur unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensrechts und nicht unter dem Gesichtspunkt der Dienstleistungsfreiheit. In Deutschland gehören aber zu den oben genannten Regelungen für schwerwiegende berufliche Fehler im Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher auch die Regelungen in § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StBerG, wonach einer Steuerberatungsgesellschaft die Anerkennung zu entziehen ist, wenn sich nach der Anerkennung ergibt, dass sie hätte versagt werden müssen, oder wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung nachträglich fortfallen. Zu den Voraussetzungen für die Anerkennung zählt nach § 50 Abs. 1 StBerG, dass die Mitglieder des Vorstandes, die Geschäftsführer oder die persönlich haftenden Gesellschafter Steuerberater sind. Demzufolge ist der Steuerberatungsgesellschaft die Anerkennung zu entziehen, wenn die Bestellung bezüglich des für die Anerkennung erforderlichen Steuerberaters widerrufen worden ist (Gehre/von Borstel, Steuerberatungsgesetz, 5. Aufl. 2005, § 55 Rz 5).
c) Übertragen auf die Klägerin bedeutet dies, dass ungeachtet der verschiedenen Berufsbezeichnungen und -qualifikationen jedenfalls eine Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit dann ausscheidet, wenn sie —wie im Streitfall— durch einen „Direktor” handelt, dem in Deutschland aus Verbraucherschutzgründen —nämlich zum Schutz der Vermögensinteressen seiner Mandanten— die Berufsausübung verwehrt worden ist.
2. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung sowie unterlassener Vorlage an das BVerfG und den EuGH greift ebenfalls nicht durch. Das FG hat zu Recht den in der mündlichen Verhandlung vom gestellten Anträgen zu III. 1. bis 9. nicht entsprochen.
3. Die Divergenzrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) ist unzulässig. Das FG hat keinen Rechtssatz dazu aufgestellt, ob der Widerruf der Bestellung des X zum Steuerberater in Deutschland auch der Klägerin entgegengehalten werden kann, sondern diese Frage ausdrücklich offen gelassen. Auch in den von der Klägerin zitierten BFH-Beschlüssen wird nicht der Rechtssatz aufgestellt, die Klägerin brauche sich den Widerruf der Bestellung des X zum Steuerberater nicht entgegenhalten zu lassen. Der BFH hat in den beiden Beschlüssen lediglich beanstandet, dass das damals in der Vorinstanz tätige Gericht die Klägerin einerseits und den X andererseits ohne nähere Begründung gleichgestellt hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1601 Nr. 10
DAAAD-27353