Objektbezogene Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht bei nicht zu Wohnzwecken vermietetem Gebäude
Leitsatz
1. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist bei § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht grundstücksbezogen, sondern für jede einzelne vermietete Immobilie gesondert zu prüfen, wenn sich die Vermietungstätigkeit nicht auf das gesamte Grundstück bezieht, sondern auf darauf befindliche Gebäude oder Gebäudeteile.
2. Ist die Vermietung eines Gebäudes oder Gebäudeteils auf Dauer angelegt, so ist auch dann grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, wenn der Mieter oder Pächter das Objekt nicht zu Wohnzwecken nutzt.
Gesetze: EStG § 2 Abs. 1 Nr. 6EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Instanzenzug: (EFG 2009, 252) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren (1996, 1998 und 1999) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Die Klägerin hatte im Jahr 1986 ein Grundstück erworben, das mit einem Wohnhaus, einem Stall und Nebengebäude sowie einem Stadel (Scheune) bebaut war. In den Streitjahren nutzte die Klägerin das Grundstück, indem sie den Stall und einen Nebenraum zum Einstellen von Pferden und einer Kutsche (Pferde durften im Garten auslaufen) zu einer Jahrespacht von 800 DM und den Stadel zum Unterstellen eines Wohnmobils zu einer Jahrespacht von 600 DM verpachtete.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre stellte sie den Einnahmen (1 400 DM) die Aufwendungen auf das gesamte Grundstück (Absetzungen für Abnutzung in Höhe von 2 240 DM, Schuldzinsen, Erschließungsbeiträge von 45 011 DM im Jahr 1998, Grundsteuer von jeweils 100 DM) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gegenüber. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erkannte (bis auf die Erschließungskosten, deren Abzug er in vollem Umfang ablehnte) zunächst Werbungskosten für das jeweilige Streitjahr nur insoweit an, als die Klägerin ihr Grundstück vermietete (also etwa zur Hälfte). Im Einspruchsverfahren verböserte das FA und lehnte es mangels Einkünfteerzielungsabsicht ab, (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Die Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte die gesamten Aufwendungen. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 252 veröffentlichten Urteil führte es aus, die Klägerin habe mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt. Diese sei wegen ihrer gesetzlichen Typisierung nicht zu prüfen, weil kein Ausnahmefall vorliege. Die Klägerin habe das Grundstück dauerhaft vermietet, zwar nur Stall und Stadel, doch habe der Pächter des Stalls Teile des Wohngebäudes nutzen dürfen (Küche direkt am Stall), so dass von einer auf Dauer ausgerichteten Vermietung des Grundstücks ausgegangen werden könne. Die Kosten der Erschließungsmaßnahme seien als Werbungskosten absetzbar. Es handele sich nicht um eine erstmalige Erschließung. Das Grundstück sei durch eine Straßenführung vorher bereits erschlossen gewesen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf die Verletzung von § 21 i.V.m. § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stützt. Im Streitfall liege eine Ausnahme vor, die es rechtfertige, die Einkünfteerzielungsabsicht zu prüfen. Einerseits sei nur ein Teil des Grundstücks vermietet, während der andere Teil dauerhaft leer stehe. Andererseits handele es sich nicht um eine Vermietung zu Wohnzwecken. Bei dem Verhältnis der Einnahmen von 1 400 DM zu den Ausgaben in Höhe von jeweils mindestens 2 540 DM könne sich kein Überschuss ergeben.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat die Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin unzutreffend auf das ganze Grundstück bezogen.
1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG), wer sein Grundstück, Gebäude oder Gebäudeteil in der Absicht vermietet, daraus auf Dauer ein positives Ergebnis zu erreichen.
a) Den objektiven Tatbestand verwirklicht, wer unbewegliches Vermögen vermietet. Neben einem Rechtsverhältnis (vgl. § 24 Nr. 2 EStG, hier: Miet- oder Pachtvertrag) verlangt das Gesetz ein bestimmtes Objekt (z.B. Grundstück, Gebäude oder Gebäudeteil), auf das sich die Vermietungstätigkeit des Steuerpflichtigen beziehen muss. Die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbare Tätigkeit ist stets objektbezogen. Maßgebend ist die auf eine bestimmte Immobilie ausgerichtete Tätigkeit des Steuerpflichtigen (, BStBl II 2009, 370, und vom IX R 23/03, BFHE 211, 143, BStBl II 2006, 248, m.w.N. auf die Rechtsprechung zu anderen Überschusseinkunftsarten). Vermietet er mehrere Objekte, also z.B. —wie hier— zwei Gebäude und Gebäudeteile, so ist jede Tätigkeit grundsätzlich je für sich zu beurteilen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Objekte auf einem Grundstück befinden.
b) Wie der objektive Tatbestand ist auch die Einkünfteerzielungsabsicht objektbezogen. Sie ist nur dann in Bezug auf das gesamte Grundstück zu prüfen, wenn sich auch die Vermietungstätigkeit auf das gesamte Grundstück richtet (vgl. zur Abgrenzung , BFH/NV 2008, 1111, m.w.N.). Wird aber nur ein auf einem Grundstück gelegenes Gebäude oder ein Gebäudeteil vermietet oder verpachtet, bezieht sich die Einkünfteerzielungsabsicht nur auf dieses Objekt.
Ist die Vermietungstätigkeit auf Dauer angelegt, so ist grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 218, 160, BStBl II 2007, 873, m.w.N.). Dies gilt nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich für alle dort genannten Vermietungstätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um die Verpachtung unbebauten Grundbesitzes (, BFHE 220, 63, BStBl II 2008, 515). Nicht entscheidend ist, in welcher Art und Weise der Mieter oder Pächter das Objekt nutzt. Deshalb ist die Einkünfteerzielungsabsicht des Vermieters auch dann zu typisieren, wenn der Mieter die Immobilien zu anderen als Wohnzwecken verwendet.
2. Nach diesen Grundsätzen ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Denn das FG hat die Einkünfteerzielungsabsicht auf das gesamte Grundstück bezogen, obwohl nur bestimmte Teile davon an verschiedene Personen vermietet worden sind. So vermietete die Klägerin den Stall einschließlich einiger offenbar im Wohnhaus befindlicher Nebenräume an X zur Einstellung von Pferden, die auch im Garten auslaufen durften. Den Stadel vermietete sie an Y zur Unterstellung eines Wohnmobils. Den Rest des Grundstücks, also z.B. das Wohnhaus, abgesehen von den Nebenräumen, hatte sie nicht vermietet. Deshalb bezieht sich die Vermietungstätigkeit der Klägerin nur auf Stall und Stadel. Nur insoweit konnte das FG wegen der auf Dauer ausgerichteten Vermietungstätigkeit ungeprüft von der Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin ausgehen. Allerdings sind auch nur solche Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen, die (gegebenenfalls anteilsmäßig) auf diese Vermietungsobjekte entfallen.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seinem Standpunkt folgerichtig nicht geprüft, ob die Klägerin, wie sie behauptet, auch in Bezug auf den nicht vermieteten Grundstücksteil Vermietungsabsicht hatte. Darauf entfallende Aufwendungen können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn die Klägerin sich endgültig entschlossen hat, daraus durch Vermieten Einkünfte zu erzielen (vgl. , BFHE 223, 186). Bei dieser Prüfung kommt es entgegen der Auffassung des FG nicht unbedingt darauf an, ob die im Wohnhaus befindlichen Räumlichkeiten eine oder mehrere abgeschlossene Wohnung/Wohnungen bilden (vgl. , BFH/NV 2006, 525, zugleich zu Besonderheiten historischer Bausubstanz), wohl aber darauf, ob das Gebäude z.B. aus baulichen Gründen ungeeignet war, vermietet zu werden (vgl. dazu , BFH/NV 2008, 1300). Die Klägerin trifft im Zweifel die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen ihrer Einkünfteerzielungsabsicht (vgl. die ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2006, 720).
Das FG wird in einer weiteren Verhandlung und Entscheidung den Sachverhalt nach den oben dargestellten Maßstäben neu zu prüfen haben. Im Hinblick auf die Erschließungskosten ist nach den Feststellungen des FG (vgl. zur Maßgeblichkeit der Sachverhaltsfeststellung durch das FG , BFH/NV 2008, 1524) von einer nachträglichen Erschließung auszugehen, so dass es die damit zusammenhängenden Aufwendungen zutreffend als Werbungskosten beurteilt hat (vgl. hierzu eingehend Spiegelberger/Spindler/Wälzholz, Die Immobilie im Zivil- und Steuerrecht, 2008, S. 699 ff., m.w.N. aus der Rechtsprechung), die es gegebenenfalls —wenn sich nach erneuter Verhandlung herausstellt, dass sich die Vermietungstätigkeit nicht auf das gesamte Grundstück bezieht— auf die Vermietungsobjekte aufzuteilen hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 776
BFH/NV 2009 S. 1301 Nr. 8
BFH/PR 2009 S. 321 Nr. 9
BStBl II 2009 S. 776 Nr. 18
DB 2009 S. 1570 Nr. 30
DStR 2009 S. 1360 Nr. 27
DStRE 2009 S. 885 Nr. 14
DStZ 2009 S. 585 Nr. 16
EStB 2009 S. 267 Nr. 8
FR 2009 S. 1067 Nr. 22
HFR 2009 S. 885 Nr. 9
KÖSDI 2009 S. 16591 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 28/2009 S. 2122
SJ 2009 S. 6 Nr. 15
StBW 2009 S. 2 Nr. 14
StuB-Bilanzreport Nr. 14/2009 S. 546
WPg 2009 S. 836 Nr. 16
PAAAD-24102