BAG Urteil v. - 9 AZR 985/07

Leitsatz

[1] Nach § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST erlischt der Anspruch auf Vorruhestandsgeld "mit Beginn des Monats, von dem ab die/der ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann". Diese Regelung verstößt für Handlungen, die bei Inkrafttreten des AGG am bereits abgeschlossen waren, gegen das Benachteiligungsverbot des § 81 Abs. 2 SGB IX in der bis geltenden Fassung vom .

Gesetze: EG Art. 139; Richtlinie 2000/78/EG Art. 1; Richtlinie 2000/78/EG Art. 2; Richtlinie 2000/78/EG Art. 3; Richtlinie 2000/78/EG Art. 16; GG Art. 3; GG Art. 9; AGG § 1; AGG § 2; AGG § 7; AGG § 33; AltTZG § 4; AltTZG § 5; AltTZG § 15e; BGB § 133; BGB § 134; BGB § 139; BGB § 157; BGB § 611a; BGB § 611b; BGB § 612; SGB VI § 3; SGB VI § 77; SGB VI § 236a; SGB VI § 237a; SGB IX § 81; TVG § 4; VRG § 14; ZPO § 256; ZPO § 263; ZPO § 264; Vorruhestand-TV/FST in den Fassungen vom und § 1; Vorruhestand-TV/FST in den Fassungen vom und § 2; Vorruhestand-TV/FST in den Fassungen vom und § 4; Vorruhestand-TV/FST in den Fassungen vom und § 7; Vorruhestand-TV/FST in den Fassungen vom und § 9

Instanzenzug: LAG Bremen, 2 Sa 239/06 vom LAG Bremen, 2 Sa 249/06 vom ArbG Bremen-Bremerhaven, 5 Ca 5283/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand von Ansprüchen auf Vorruhestandsgeld.

Der am geborene Kläger war seit August 1975 als beamteter, seit November 1993 als angestellter Flugsicherungsingenieur für die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin tätig. Die Beklagte ist ein aus der ehemaligen Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS) hervorgegangenes privates Flugsicherungsunternehmen. Sie nimmt die operativen Flugsicherungsaufgaben für den gesamten deutschen Luftraum wahr.

Der Kläger trat nach Vollendung des 55. Lebensjahres am in den Vorruhestand. Der Vorruhestandsvertrag der Parteien vom lautet auszugsweise:

"§ 1

Beginn des Vorruhestandes

Herr K tritt mit Wirkung vom in den Vorruhestand ein. Dieser bestimmt sich - im Rahmen einer Einzelfallentscheidung - vorzeitig nach dem Tarifvertrag über den Vorruhestand für die bei der D GmbH beschäftigten Ingenieure und Techniker (Vorruhestand-TV/FST) vom .

§ 5

Betriebliche Altersversorgung

1. Der Vorruhestand endet zu dem Zeitpunkt, zu dem frühestens eine gesetzliche Altersrente oder vergleichbare Versorgungsleistungen beansprucht werden können (§ 7 Vorruhestand-TV/FST).

...

§ 6

Sonstiges

...

2. Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ungültig sein oder werden, berührt dies die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht. Anstelle der unwirksamen Vorschrift(en) ist eine Regelung zu vereinbaren, die dem Vertragszweck am nächsten kommt.

..."

Der von der Beklagten und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) geschlossene Vorruhestand-TV/FST vom idF des Änderungs- und Ergänzungstarifvertrags vom lautet in Teilen:

"§ 1

Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für alle Ingenieure und Techniker, die in einem Arbeitsverhältnis mit der DFS stehen und unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung fallen und bei Abschluss dieses Tarifvertrages das 56. Lebensjahr vollendet haben.

§ 2

Allgemeine Voraussetzungen

(1) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DFS erhalten vorbehaltlich der Regelungen in Abs. 2 Vorruhestandsgeld, wenn

a) sie das 59. Lebensjahr vollendet haben und

b) sie mindestens 25 Jahre eine erlaubnis- und berechtigungspflichtige Tätigkeit ausgeübt haben und in den letzten zehn Dienstjahren überwiegend im operativen Bereich tätig waren,

c) sie ihre Erwerbstätigkeit bei der DFS beendet haben und

d) bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres kein Anspruch auf Versorgungsleistungen besteht.

...

§ 4

Arbeitslosigkeit

Für die Zeit des Bezugs von Vorruhestandsgeld nach Ausscheiden aus den Diensten der DFS verpflichten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich nicht arbeitslos zu melden.

§ 7

Erlöschen und Ruhen des Anspruchs

(1) Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld erlischt

a) mit Beginn des Monats, von dem ab die/der ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann;

...

c) spätestens mit Ablauf des Monats, in dem die/der ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet;

...

§ 9

Mitwirkungs- und Erstattungspflichten

(1) Die/der ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter ist verpflichtet, frühestmöglich Antrag auf Altersrente oder vergleichbare Leistungen zu stellen, die zum Erlöschen des Anspruchs auf Vorruhestandsgeld führen, und die DFS hierüber unverzüglich zu unterrichten.

...

(3) Erfüllt die/der ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter ihre/seine Mitteilungspflichten nicht oder besteht die begründete Vermutung, dass sie/er Altersruhegeld oder andere Leistungen, die zum Erlöschen des Anspruchs auf Vorruhestandsgeld führen, in Anspruch nehmen kann, kann die DFS das Vorruhestandsgeld zurückbehalten.

..."

Der Vorruhestand-TV/FST vom idF vom wurde in der Folge geändert. §§ 4, 7 Abs. 1 Buchst. a und c sowie § 9 Abs. 1 und 3 der Neufassung sind wortgleich mit der früheren Fassung. In §§ 1 und 2 der Neufassung des Änderungstarifvertrags vom heißt es ua.:

"§ 1

Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für alle Ingenieure und Techniker, die zum Zeitpunkt des Übertritts zur DFS den Laufbahnen des gehobenen oder mittleren technischen Dienstes (BFS/LBA) angehört haben, sowie für vergleichbare technische Angestellte, die in einem Arbeitsverhältnis mit der DFS stehen und unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung fallen und bis zum das 50. Lebensjahr vollendet haben. Er gilt nicht für beurlaubte Soldaten.

§ 2

Allgemeine Voraussetzungen

(1) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DFS erhalten vorbehaltlich der Regelungen in Abs. 2 Vorruhestandsgeld, wenn

a) sie das 56. Lebensjahr vollendet haben und

b) sie über eine mindestens 15-jährige Beschäftigungszeit (§ 17 Manteltarifvertrag) verfügen und

c) sie ihre Erwerbstätigkeit bei der DFS beendet haben.

..."

Die Beklagte schloss - ebenfalls am - einen Änderungstarifvertrag zu dem Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der D GmbH beschäftigten Fluglotsen (Ü-VersTV-Lotsen). § 7 Ü-VersTV-Lotsen sieht einen Rentenverlustausgleich für Lotsinnen vor, solange sie früher als männliche Lotsen vorzeitig Altersrente in Anspruch nehmen können. Lotsinnen werden in ihrer Gesamtversorgung aus Altersrente und betrieblichem Altersruhegeld so gestellt, wie ein vergleichbarer männlicher Lotse gestellt ist, der zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus der Übergangsversorgung ausscheidet.

Der Kläger war bei Abschluss des Vorruhestandsvertrags vom Mitglied der Gewerkschaft DAG. Er bezog ab Vorruhestandsgeld von zuletzt monatlich 4.957,74 Euro brutto. Nach Eintritt in den Vorruhestand erlitt er einen schweren Unfall und ist seit mit einem Grad der Behinderung von 100 schwerbehindert.

Die Beklagte teilte dem Kläger im November 2004 sinngemäß mit, er habe nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht länger Anspruch auf Vorruhestandsgeld, weil er ab diesem Zeitpunkt zum Bezug von Altersrente für schwerbehinderte Menschen berechtigt sei. Der Kläger beantragte daraufhin Altersrente bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Er erhält seit Altersrente für schwerbehinderte Menschen von 1.503,71 Euro monatlich. Der Rentenzugangsfaktor ist um 10,8 % gemindert, weil der Kläger die Rente 36 Kalendermonate vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch nahm. Von der Beklagten erhält der Kläger seit ein vorzeitiges betriebliches Altersruhegeld von monatlich 1.928,03 Euro. Die Summe seiner Bezüge beläuft sich auf 3.431,74 Euro brutto. Die Nettoeinbuße des Klägers gegenüber einem nicht behinderten vergleichbaren Arbeitnehmer betrug bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres monatlich 461,03 Euro. Seit Vollendung des 63. Lebensjahres beläuft sich die Rentenminderung gegenüber einem vergleichbaren nicht behinderten Arbeitnehmer auf 216,65 Euro netto. Nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer des Jahrgangs des Klägers haben nach Vollendung des 63. Lebensjahres Abschläge von 7,2 % hinzunehmen.

Der Kläger meint, die entsprechend dem Vorruhestand-TV/FST vereinbarte Verpflichtung zur frühestmöglichen Inanspruchnahme der Altersrente verstoße gegen das Verbot der Benachteiligung schwerbehinderter Menschen aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und § 81 Abs. 2 SGB IX iVm. §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 1 AGG. Für die Ungleichbehandlung gegenüber nicht Behinderten bestehe kein sachlicher Grund. Das gelte umso mehr, als der Ü-VersTV-Lotsen seit November 2002 einen Rentenverlustausgleich für Lotsinnen vorsehe, die vorzeitig zum Bezug von Altersrente berechtigt seien.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres, also für die Zeit vom bis zum , Vorruhestandsgeld nach dem Tarifvertrag über den Vorruhestand für die bei der D GmbH beschäftigten Ingenieure und Techniker vom in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen;

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die finanziellen Nachteile, die er durch die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente gemäß § 7 Abs. 1 Buchst. a iVm. § 9 Abs. 1 des Tarifvertrags über den Vorruhestand für die bei der D GmbH beschäftigten Ingenieure und Techniker vom gegenüber einem nicht behinderten Beschäftigten in der gleichen Situation erleidet, auszugleichen;

die Beklagte höchst hilfsweise zu verurteilen, dem Kläger zum Ausgleich seiner finanziellen Nachteile durch die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit vom bis einen Einmalbetrag in Höhe von 18.742,41 Euro netto sowie ab einen Rentenverlustausgleich in Höhe von 406,69 Euro monatlich brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Vereinbarung des tariflichen Erlöschenstatbestands für den Anspruch auf Vorruhestandsgeld bei Berechtigung zur vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente für wirksam. Der in Bezug genommene § 7 Vorruhestand-TV/FST knüpfe an verfassungsrechtlich unbedenkliche rentenrechtliche Vorgaben an. Die Tarifvertragsparteien hätten die Regelung in Ausübung der Tarifautonomie getroffen und die Grenzen ihrer Regelungsmacht gewahrt.

Das Arbeitsgericht hat die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dem Kläger die finanziellen Nachteile auszugleichen, die er durch die Inanspruchnahme seiner Altersrente gemäß § 7 Abs. 1 Buchst. a iVm. § 9 Abs. 1 Vorruhestand-TV/FST vor Vollendung seines 61. Lebensjahres gegenüber einem vergleichbaren nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer erleidet. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Klägers unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten abgeändert. Es hat dem in zweiter Instanz von einem Leistungs- auf einen Feststellungsantrag umgestellten Hauptantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag zu Recht stattgeben. Über die Hilfsanträge hat der Senat deshalb nicht zu entscheiden.

A. Der Hauptantrag ist zulässig.

I. Der Kläger hat den Hauptantrag in der Berufungsinstanz zulässig auf einen Feststellungsantrag beschränkt (§ 264 Nr. 2 ZPO). Der Wechsel von der Leistungs- zur Feststellungsklage ist bei unverändertem Sachverhalt keine Klageänderung iSv. § 263 ZPO. Eine solche Antragsbeschränkung ist in der Rechtsmittelinstanz zulässig (vgl. Senat - 9 AZR 207/06 - Rn. 11, BAGE 121, 182).

II. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt.

1. Aus der vom Kläger angenommenen Zahlungspflicht der Beklagten in dem vergangenen Zeitraum vom bis ergeben sich noch Rechtsfolgen für die Gegenwart (zu diesem Erfordernis Senat - 9 AZR 104/04 - zu I 2 der Gründe, BAGE 114, 70). Folgewirkung ist eine erst später eintretende Berechtigung zum Bezug einer höheren Altersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung. Hinzu kommen Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung.

2. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Zahlungspflicht der Beklagten. Die Feststellungsklage ist nicht wegen Vorrangs der Leistungsklage unzulässig.

a) Der Vorrang der Leistungsklage gilt nicht uneingeschränkt. Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. nur Senat - 9 AZR 815/07 - Rn. 18; - Rn. 15, AP UmwG § 131 Nr. 1 = EzA BetrAVG § 4 Nr. 7).

b) Diese Erfordernisse sind gewahrt. Das der Vollstreckung nicht zugängliche Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt endgültig zu lösen und weitere Prozesse zu vermeiden. Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit über das "Ob" der Pflicht zur Zahlung von Vorruhestandsgeld in der Zeit zwischen der Vollendung des 60. und des 63. Lebensjahres des Klägers, nicht über die Ausgestaltung der Leistungspflicht.

B. Der Hauptantrag ist begründet. Der Kläger hatte bis zum Ende des Monats April 2008, in dem er sein 63. Lebensjahr vollendete, aus § 1 des Vorruhestandsvertrags Anspruch auf Vorruhestandsgeld nach dem Vorruhestand-TV/FST in der jeweils geltenden Fassung.

I. Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob der VorruhestandTV/FST zwischen den Parteien zu einem Zeitpunkt nach Eintritt des Klägers in den Vorruhestand aufgrund originärer Tarifbindung unmittelbar und zwingend zu gelten begann (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Die Ansprüche des Klägers auf Vorruhestandsgeld bestanden bis zur Vollendung seines 63. Lebensjahres jedenfalls auf einzelvertraglicher Grundlage.

II. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, die Ansprüche des Klägers auf Vorruhestandsgeld hätten bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres auf dem Vorruhestandsvertrag iVm. dem Vorruhestand-TV/FST in der jeweils gültigen Fassung beruht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die Bezugnahmeklausel in § 1 des Vorruhestandsvertrags ist eine individuelle Vertragsabrede. Der Kläger sollte vorzeitig - im Rahmen einer Einzelfallentscheidung - in den Vorruhestand treten.

2. Die Auslegung einer sog. atypischen Vereinbarung darf der Senat nur eingeschränkt überprüfen. Die Auslegung nichttypischer Verträge und Willenserklärungen ist in erster Linie Sache der Tatsachengerichte. Sie ist lediglich beschränkt revisibel. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt wurden, ob dabei gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen und der Tatsachenstoff vollständig verwertet wurde (für die st. Rspr. Senat - 9 AZR 819/06 - Rn. 19, AP ZPO § 50 Nr. 17 = EzA TzBfG § 8 Nr. 17).

3. Die Auslegung der vertraglichen Regelung durch das Landesarbeitsgericht hält dieser eingeschränkten Überprüfung stand. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht den Auslegungsvorgang nicht erläutert hat. Seine Annahme, die Parteien hätten in § 1 des Vorruhestandsvertrags - bis auf die Anspruchsvoraussetzungen - Bezug auf den Vorruhestand-TV/FST in der jeweiligen Fassung genommen, lässt im Ergebnis keinen Rechtsfehler erkennen. Die Auslegungstatsachen sind bindend festgestellt.

a) Auf eine sog. dynamische Verweisung deutet hin, dass der in § 1 des Vorruhestandsvertrags zitierte Tarifvertrag vom bei Vertragsschluss am bereits durch die Neufassung vom abgelöst war. Aus Sicht eines objektiven Dritten ist nicht davon auszugehen, dass sich die Vertragsparteien ohne entsprechende Anhaltspunkte auf eine Altfassung beziehen wollten.

b) Der Charakter des durch den Vorruhestandsvertrag begründeten Dauerschuldverhältnisses spricht entscheidend für eine Dynamisierung. Eine statische Verweisung hätte wegen des in die Zukunft gerichteten Vertragszwecks und der übereinstimmenden Interessenlage klar aus dem Vertragstext hervorgehen müssen. Das Landesarbeitsgericht hat daher im Ergebnis zutreffend angenommen, die Parteien hätten das Dauerschuldverhältnis mit Ausnahme der Anspruchsvoraussetzungen dem jeweils aktuellen "Normenregime" des Vorruhestand-TV/FST unterstellt. Auch die Revision rügt das Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgerichts nicht.

III. Die Ansprüche des Klägers auf Vorruhestandsgeld gingen nicht mit Beginn des Monats Mai 2005 nach Vollendung des 60. Lebensjahres im April 2005 unter. Sie bestanden bis zum Ende des Monats April 2008, in dem der Kläger sein 63. Lebensjahr vollendete, fort. Das von § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags iVm. § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST in den insoweit wortgleichen Fassungen vom und vorgesehene Erlöschen der Ansprüche des Klägers auf Vorruhestandsgeld bei Berechtigung zum vorzeitigen Bezug von Altersrente mit Abschlägen verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der bis geltenden Fassung vom (aF).

1. Nach § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags endet der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt, zu dem frühestens eine gesetzliche Altersrente oder vergleichbare Versorgungsleistungen in Anspruch genommen werden können. Der im Klammerzusatz in Bezug genommene § 7 Vorruhestand-TV/FST in den wortgleichen Fassungen vom und sieht in Abs. 1 Buchst. a vor, dass der Anspruch auf Vorruhestandsgeld mit Beginn des Monats erlischt, "von dem ab die/der ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann". § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags und § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST unterscheiden nicht zwischen einer abschlagsfreien Rentenberechtigung und einer Berechtigung mit Abschlägen.

2. Der im Zusammenspiel von Einzel- und Tarifvertrag geregelte Untergang der Ansprüche auf Vorruhestandsgeld verletzt im Fall einer Berechtigung zum Bezug vorzeitiger Altersrente mit Abschlägen nach § 236a Satz 2 bis 4 SGB VI idF vom (aF), § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI idF vom (aF) das in § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF geregelte Verbot der Benachteiligung schwerbehinderter Menschen. Der Verstoß gegen dieses Verbotsgesetz führt zur Nichtigkeit des Erlöschenstatbestands (§ 134 1. Alt. BGB; vgl. zu der für spätere Sachverhalte in § 7 Abs. 2 AGG angeordneten Unwirksamkeitsfolge zB ErfK/Schlachter 9. Aufl. § 7 AGG Rn. 3). § 134 BGB gilt nicht nur für Individualverträge, sondern auch für Tarifverträge (vgl. schon - zu IV und VII der Gründe, BAGE 4, 240). Die Ansprüche des Klägers auf Vorruhestandsgeld bestanden deswegen bis zum Ende des Monats April 2008, in dem er das 63. Lebensjahr vollendete, fort. Die übrigen Bestimmungen des Vorruhestandsvertrags blieben nach § 6 Nr. 2 Satz 1 des Vertrags wirksam (vgl. § 139 2. Alt. BGB).

a) Der Prüfungsmaßstab für eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung ist § 81 Abs. 2 SGB IX aF und noch nicht §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3, 7 Abs. 1 AGG zu entnehmen.

aa) Die Übergangsvorschrift des § 33 Abs. 1 AGG bezieht sich nach ihrem Wortlaut nur auf Benachteiligungen nach §§ 611a, 611b, 612 Abs. 3 BGB und sexuelle Belästigungen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz. § 33 Abs. 1 AGG soll aber nicht rückwirkend Sachverhalte regeln, die bei Inkrafttreten des AGG am bereits abgeschlossen waren. Neues Recht ist nur anzuwenden, wenn nach dem Tatsachen entstehen, die für die Benachteiligungsverbote des AGG erheblich sind. Die Übergangsregelung des § 33 Abs. 1 AGG meint daher alle unerlaubten Benachteiligungen, die zeitlich vor Inkrafttreten des AGG liegen, auch Benachteiligungen wegen Behinderungen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs findet auf solche - schon vor dem abgeschlossenen - Benachteiligungen die alte Rechtslage einschließlich des § 81 Abs. 2 SGB IX Anwendung (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 53). Es kommt auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an. IdR ist die zugrunde liegende Entscheidung des Arbeitgebers maßgeblich (Senat - 9 AZR 791/07 - Rn. 22 mwN, NZA 2009, 79).

bb) Die Handlungen der Beklagten waren hier vor Inkrafttreten des AGG am abgeschlossen. Der Vorruhestandsvertrag wurde am geschlossen. Die Beklagte teilte dem Kläger im November 2004 mit, er habe nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht länger Anspruch auf Vorruhestandsgeld. Die Zahlung des Vorruhestandsgelds endete am , dem Ende des Monats, in dem der Kläger sein 60. Lebensjahr vollendete. Der Vorruhestandsvertrag begründet infolge der Nichtigkeit des Erlöschenstatbestands für die Zeit nach dem Ansprüche auf Vorruhestandsgeld. Das AGG war zum Zeitpunkt des vorzeitigen Bezugs der Altersrente ab jedoch noch nicht anwendbar.

cc) Auf den Streitfall ist die bereits vor Inkrafttreten des AGG geltende Vorschrift des § 81 Abs. 2 SGB IX aF anzuwenden. Dem steht nicht entgegen, dass diese Bestimmung in Umsetzung von Art. 1, 2 und 16 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (sog. Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie, ABl. EG Nr. L 303 vom S. 16) erstmals am in Kraft trat (vgl. BT-Drucks. 14/5074 S. 113). Zuvor war das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen - seit - nicht im einfachen Gesetzesrecht enthalten, sondern "nur" verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verbürgt.

(1) Die Parteien schlossen den Vorruhestandsvertrag schon vor Inkrafttreten des SGB IX am . Das dadurch begründete Vorruhestandsverhältnis war ein Dauerschuldverhältnis. Der von den Parteien vereinbarte Erlöschenstatbestand wirkte sich erst nach Inkrafttreten des § 81 Abs. 2 SGB IX aF in den Jahren 2004 und 2005 aus.

(2) Der Altvertrag muss sich dennoch an § 81 Abs. 2 SGB IX aF messen lassen, weil diese Bestimmung zu den Zeitpunkten galt, in denen die letzten Benachteiligungshandlungen vorgenommen wurden. Das Mitteilungsschreiben der Beklagten stammt von November 2004. Sie stellte die Zahlung des Vorruhestandsgelds mit Wirkung von Mai 2005 ein.

(a) Die Wirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung richtet sich grundsätzlich nach dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Recht. Verbotsgesetze können bereits wirksam begründete Dauerschuldverhältnisse jedoch in der Weise erfassen, dass diese für die Zukunft ("ex nunc") nichtig werden. Das setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes die für die Zukunft eintretende Nichtigkeit erfordern ( - zu III 3 a der Gründe mwN, BGHZ 154, 21). Gilt ein Verbotsgesetz - wie § 81 Abs. 2 SGB IX aF - ohne Übergangsregelung, erstreckt sich das Verbot auf alle Sachverhalte, die sich seit seinem Inkrafttreten in seinem Geltungsbereich verwirklichen. Der zeitliche Geltungsbereich wird nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. zu Tarifverträgen im Geltungsbereich des § 4 TzBfG - zu II 8 b der Gründe, BAGE 109, 110; zu einer der früheren Fassungen des § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX mittelbar auch Senat - 9 AZR 122/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 108, 333).

(b) Das Benachteiligungsverbot in § 81 Abs. 2 SGB IX aF erfasst den in § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags iVm. § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST geregelten Erlöschenstatbestand für die Ansprüche des Klägers auf Vorruhestandsgeld. Die Umsetzung des in Art. 1 und 2 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG enthaltenen Diskriminierungsverbots verlangt nach dem Zweck des Verbots, behinderte Beschäftigte umfassend vor Benachteiligungen bei einer Vereinbarung und ihrer Durchführung zu schützen. Vertrauensschutzaspekte hindern die Geltung des Benachteiligungsverbots nicht. Das seit November 1994 ausdrücklich in der Verfassung verankerte Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG wirkte über die Generalklauseln des einfachen Rechts schon mittelbar auf den Privatrechtsverkehr ein.

b) Der Erlöschenstatbestand für Ansprüche auf Vorruhestandsgeld in § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags iVm. § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 81 Abs. 2 SGB IX aF.

aa) Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF durfte der Arbeitgeber einen schwerbehinderten Beschäftigten nicht wegen seiner Behinderung benachteiligen. Dieses Benachteiligungsverbot war sowohl bei einer Vereinbarung als auch bei einer Maßnahme zu beachten (§ 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 SGB IX aF).

bb) Die Regelung in § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags iVm. § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST verstößt gegen dieses Verbot. Sie benachteiligt den Kläger in unzulässiger Weise mittelbar wegen seiner Behinderung.

(1) Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger bei Abschluss des Vorruhestandsvertrags am noch nicht schwerbehindert war. Er erlitt erst während des Vorruhestands einen Unfall, der mit Wirkung vom zu seiner Schwerbehinderung führte. Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes verlangen bei dem hier durch den Vorruhestandsvertrag begründeten Dauerschuldverhältnis, dass die benachteiligende Wirkung der Abrede bei der Durchführung des Dauerschuldverhältnisses zur Nichtigkeit der Vereinbarung führt.

(2) § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 1. Alt. SGB IX aF räumt für benachteiligende Handlungen nur den Rechtfertigungsgrund der nicht auf die Behinderung bezogenen, sachlichen Gründe ein. Daran wird deutlich, dass das Benachteiligungsverbot des § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF auch die in § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 SGB IX aF nicht genannten Fälle der mittelbaren Benachteiligung erfassen soll. § 81 Abs. 2 SGB IX aF entspricht insoweit den Vorgaben der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie, die mit der nationalen Vorschrift umgesetzt werden sollten (Senat - 9 AZR 122/03 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 108, 333).

(a) Der Kläger wurde aufgrund der getroffenen Vereinbarung anders als nicht schwerbehinderte Vorruheständler behandelt. Im Unterschied zu ihnen hatte er nach § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags iVm. § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST nach dem Ende des Monats, in dem er sein 60. Lebensjahr vollendete, nicht länger Anspruch auf Vorruhestandsgeld. Er war seit nach § 236a Satz 2 bis 4 SGB VI aF zur vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente berechtigt. Ungeminderte Rente hätte er nach Anlage 22 zum SGB VI idF vom erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch nehmen können. Die mit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente nach § 236a SGB VI aF verbundenen Abschläge betragen für den Kläger gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI aF 10,8 %. Für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer und Vorruheständler des Jahrgangs des Klägers, die mit Vollendung des 63. Lebensjahres vorzeitige Altersrente beziehen, belaufen sie sich auf 7,2 %. Über die Rentenabschläge hinaus konnte der Kläger nach dem Ende des Monats der Vollendung seines 60. Lebensjahres keine höheren Rentenansprüche erwerben (vgl. näher Senat - 9 AZR 122/03 - zu B I 2 b der Gründe, BAGE 108, 333).

(b) Die Ansprüche des Klägers auf Vorruhestandsgeld erloschen nach der getroffenen Vereinbarung mit Wirkung von Mai 2005 mittelbar wegen seiner Schwerbehinderung. Die Regelung in § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags iVm. § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST knüpft an die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer gesetzlichen Altersrente an. Sie betrifft damit nicht nur schwerbehinderte Menschen, sondern auch nach dem geborene Frauen, die nach § 237a Abs. 2 SGB VI idF vom vorzeitig Altersrente mit Abschlägen in Anspruch nehmen können. Die von den Parteien getroffene Regelung kann gleichwohl dazu führen, dass behinderte Menschen in besonderer Weise benachteiligt werden. Sie ist daher eine mittelbare Diskriminierung iSv. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG.

(c) Der Annahme einer mittelbaren Diskriminierung steht nicht entgegen, dass die Ausgestaltung der gesetzlichen Rentenversicherung nicht den Anforderungen des § 81 Abs. 2 SGB IX aF und der mit ihm teilweise umgesetzten Richtlinie 2000/78/EG unterliegt. Knüpft ein Arbeitgeber durch Bezugnahme auf eine Kollektivvereinbarung an die sozialversicherungsrechtlichen Unterscheidungen an und handelt er deswegen benachteiligend, unterfallen diese Handlungen uneingeschränkt dem sachlichen Geltungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG (vgl. zu der Frage einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Benachteiligung von Roetteken zu D, jurisPR-ArbR 3/2007 Anm. 1 zu - BAGE 118, 196). § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags und § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST überlassen dem schwerbehinderten Vorruheständler abweichend von der gesetzlichen Regelung nicht die Wahl, ob er eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch nimmt oder nicht. Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld erlischt ohne Zutun des Vorruheständlers, sobald die Voraussetzungen einer gesetzlichen Altersrente erfüllt sind.

c) Die mit dem Erlöschenstatbestand in § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags iVm. § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST verbundene mittelbare Diskriminierung ist unzulässig.

aa) Liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, ist sie unzulässig, wenn sie nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Variante i der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG).

bb) Die mittelbare Diskriminierung durch die getroffene Regelung ist nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

(1) Die unterschiedliche Behandlung schwerbehinderter und nicht schwerbehinderter Vorruheständler ist nicht bereits deshalb sachlich gerechtfertigt, weil die Beklagte mit § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST eine Tarifbestimmung durchführt.

(a) Auch die Tarifvertragsparteien sind an das Benachteiligungsverbot in § 81 Abs. 2 SGB IX aF gebunden. Das verlangt der Gesetzeszweck, der die Benachteiligung schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben ausschließen soll. Art. 16 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG verlangt zudem, dass die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen für nichtig erklärt werden (können) oder geändert werden. In die von Art. 139 EG anerkannte und von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie kann jedenfalls dann eingegriffen werden, wenn der Gesetzgeber mit dem Eingriff den Schutz der Grundrechte Dritter bezweckt und der Eingriff den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt ( - zu B 3 der Gründe, BVerfGE 103, 293).

(b) § 81 Abs. 2 SGB IX aF diente der Verwirklichung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (Senat - 9 AZR 122/03 - zu B I 2 c aa der Gründe, BAGE 108, 333). Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet die Rechtsprechung dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu einer Gruppenbildung führen, die grundrechtlich geschützte Belange gleichheits- oder sachwidrig außer Acht lässt (zu Art. 6 GG - Rn. 14 f., NZA 2009, 214; allgemein zu den Gleichheitsgrundrechten ErfK/Dieterich Einl. GG Rn. 57 f.).

(c) § 81 Abs. 2 SGB IX aF war verhältnismäßig. Den Tarifvertragsparteien stand bei der Beurteilung, welche der in § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 und 3 SGB IX aF genannten Gründe eine unterschiedliche Benachteiligung rechtfertigten, trotz der Bindung an das Benachteiligungsverbot ein Spielraum zu (Senat - 9 AZR 122/03 - zu B I 2 c aa der Gründe, BAGE 108, 333). Die gerichtliche Kontrolle von Tarifbestimmungen wird durch die von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie begrenzt. Den Tarifvertragsparteien steht als selbständigen Grundrechtsträgern eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung des tatsächlichen Regelungsbedarfs im Hinblick auf die betroffenen Interessen und die Rechtsfolgen geht. Sie sind nicht dazu verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn es für die getroffene Regelung einen sachlich vertretbaren Grund gibt (st. Rspr., vgl. zB - Rn. 15, NZA 2009, 214; Senat - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien ist jedoch durch die von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und § 81 Abs. 2 SGB IX aF getroffenen Wertentscheidungen eingeengt.

(2) Die Tarifvertragsparteien haben die anhand objektiver Merkmale zu bestimmenden Grenzen ihres Gestaltungsspielraums hier nicht gewahrt (zu der erforderlichen objektiven Prüfung der sachlichen Rechtfertigung einer Tarifregelung näher Senat - 9 AZR 378/04 - zu B II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Aus dem Zweck des tariflichen Vorruhestandsgelds lässt sich kein sachlich vertretbarer Grund für die Ungleichbehandlung schwerbehinderter Vorruheständler herleiten.

(3) Die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung von schwerbehinderten und nicht schwerbehinderten Personengruppen lässt sich nicht allein mit der Bezugnahme auf sozialversicherungsrechtliche Regelungen begründen. Entscheidend ist, ob zwischen der vom Arbeitgeber geschuldeten Leistung und der in Bezug genommenen Rentenberechtigung ein sachlicher Zusammenhang besteht. Ob das zutrifft, beurteilt sich nach dem mit der Arbeitgeberleistung verfolgten Ziel. Welches Ziel erreicht werden soll, richtet sich bei tariflichen Regelungen nach den Vorgaben der Tarifvertragsparteien, die sich aus den anspruchsbegründenden Merkmalen ergeben. Ausschluss- und Kürzungsregelungen, die auf sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen verweisen, müssen sich an den tariflichen Regelungszielen messen lassen (zu einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung bei vergüteter Altersfreistellung Senat - 9 AZR 750/00 - zu I 4 c aa der Gründe, BAGE 102, 260).

(4) Das Vorruhestandsgeld nach § 2 Vorruhestand-TV/FST dient dazu, Versorgungslücken zu überbrücken, die dadurch entstehen, dass der Anspruchsberechtigte seine Erwerbstätigkeit bei der Beklagten beendet. Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung stehen den Berechtigten noch nicht zu. Die Betroffenen scheiden nominell nicht aus dem Berufsleben aus. Nach § 4 Vorruhestand-TV/FST sind die Berechtigten verpflichtet, sich für die Zeit des Bezugs von Vorruhestandsgeld nicht arbeitslos zu melden. Die Übergangsversorgung hat damit den Charakter einer sozialen Absicherung bis zum Erreichen des Alters, in dem Altersversorgungsleistungen erbracht werden. Derartige Leistungen zur Überbrückung einer erwarteten Arbeitslosigkeit gehören nicht zur betrieblichen Altersversorgung (vgl. zu der Übergangsversorgung für das Bordpersonal eines Luftfahrtunternehmens Senat - 9 AZR 678/02 - zu A II 5 der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 31). Die Flugsicherungsingenieure und Flugsicherungstechniker der Beklagten sollen wirtschaftlich so lange abgesichert werden, bis sie das Alter erreichen, in dem Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden.

(5) Mit diesem tariflichen Regelungszweck ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Anknüpfung an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht dazu führt, dass schwerbehinderte und nicht schwerbehinderte Menschen sowie Frauen und Männer nicht in gleicher Weise wirtschaftlich abgesichert werden.

(a) Die Zielsetzung des Tarifvertrags rechtfertigt die mittelbare Benachteiligung schwerbehinderter Berechtigter vor dem Hintergrund des Vorruhestandsgesetzes nicht. Dieses Gesetz ist nach § 14 VRG nur noch anzuwenden, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch erstmals vor dem vorgelegen haben. Soweit § 3 Satz 1 Nr. 4 SGB VI auf Vorschriften des VRG verweist, dient diese Bezugnahme lediglich der sozialversicherungsrechtlichen Charakterisierung von Vorruhestandsleistungen.

(b) Der Vorruhestand-TV/FST verfolgt entgegen der Auffassung der Revision keinen ähnlichen Zweck wie die Altersteilzeittarifverträge, die den Entscheidungen des Senats vom (- 9 AZR 18/03 - BAGE 110, 208) und (- 9 AZR 122/03 - BAGE 108, 333) zugrunde lagen.

(aa) Ein grundlegender Unterschied von Vorruhestand und Altersteilzeit besteht darin, dass das Arbeitsverhältnis bei Eintritt in den Vorruhestand endet, während es beim Übergang in die Altersteilzeit fortdauert.

(bb) Das Erlöschen des Anspruchs auf Vorruhestandsgeld nach § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST orientiert sich zudem nicht an einer staatlichen Förderung. Das VRG war bei Abschluss des Vorruhestand-TV/FST in seinen beiden Fassungen vom und für den Kläger außer Kraft. In der Entscheidung des Senats vom war die tarifliche Regelung dagegen an die Fördervoraussetzungen des § 5 AltTZG angelehnt (- 9 AZR 122/03 - zu A I 1 der Gründe, BAGE 108, 333). Die öffentlich-rechtliche Förderung bestand im konkreten Fall fort. Aus der Übergangsregelung des § 15e AltTZG ergibt sich, dass der Anspruch des Arbeitgebers auf die Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit nach § 4 AltTZG aufrechterhalten bleibt, wenn mit der Altersteilzeit vor dem begonnen worden ist und Anspruch auf eine "ungeminderte" Rente wegen Alters besteht, weil die Voraussetzungen nach § 236a Satz 5 Nr. 1 SGB VI vorliegen.

(cc) Dem Urteil des Senats vom lag im Unterschied zum Streitfall wegen des Lebensalters des dortigen Klägers und des Zeitpunkts des Eintritts seiner Schwerbehinderung eine Altersrente ohne Abschläge zugrunde (- 9 AZR 122/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 108, 333).

(c) Das Regelungsziel des § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST unterscheidet sich ferner von dem Zweck einer tariflichen Überbrückungsbeihilfe, wie sie die Entscheidung des behandelt (- 6 AZR 631/05 - BAGE 118, 196). Es weicht auch von den Zielen ab, die Sozialplanleistungen verfolgen.

(aa) Der Sechste Senat hat für eine tarifliche Überbrückungsbeihilfe einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und das Entgeltbenachteiligungsverbot des § 612 Abs. 3 BGB in der bis geltenden Fassung hinsichtlich eines Erlöschenstatbestands abgelehnt, der an die "Voraussetzungen zum Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes" anknüpfte ( - 6 AZR 631/05 - Rn. 11 und 21 ff., BAGE 118, 196). Für Sozialplanleistungen ist anerkannt, dass den Betriebsparteien ein weiter Gestaltungsspielraum in den Fragen zukommt, ob, in welchem Umfang und wie sie die prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder abmildern. Die Betriebsparteien können in Sozialplänen für Arbeitnehmer, die im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf vorzeitige Altersrente haben, geringere Abfindungen vorsehen (vgl. nur - Rn. 23 und 28, DB 2009, 347; - 1 AZR 684/07 - Rn. 32 und 38).

(bb) Derartige Überbrückungsbeihilfen und Sozialplanleistungen unterscheiden sich von dem hier umstrittenen Anspruch auf Vorruhestandsgeld. Die tarifliche Überbrückungsbeihilfe in dem vom Sechsten Senat entschiedenen Fall diente dazu, den Arbeitnehmer in den Arbeitsprozess wiedereinzugliedern ( - 6 AZR 631/05 - Rn. 24, BAGE 118, 196). Bei Eintritt in den Vorruhestand steht dagegen von vornherein fest, dass der - schwerbehinderte oder nicht schwerbehinderte - Vorruheständler nicht in den Arbeitsprozess wiedereingegliedert werden soll. Mit dieser tatsächlichen Grundlage des tariflichen Regelungszwecks ist die vorgenommene Gruppenbildung nicht zu vereinbaren. Für die mittelbar benachteiligende Ungleichbehandlung besteht mit Blick auf das Ausscheiden beider Personengruppen aus dem Arbeitsprozess kein sachlich vertretbarer Grund. Die Anknüpfung an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht darf deshalb nicht dazu führen, dass schwerbehinderte Vorruheständler ua. wegen der nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI aF hinzunehmenden Rentenabschläge wirtschaftlich schlechter abgesichert sind als nicht schwerbehinderte Vorruheständler.

IV. Die mit dem Erlöschenstatbestand in § 5 Nr. 1 des Vorruhestandsvertrags iVm. § 7 Abs. 1 Buchst. a Vorruhestand-TV/FST verbundene unzulässige mittelbare Benachteiligung führt nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF, § 134 1. Alt. BGB zur Nichtigkeit der Individualabrede und der Tarifregelung. Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob aus der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung eine rentenrechtliche Besserstellung folgt und ob der Kläger wegen des Fortbestands seiner Ansprüche auf Vorruhestandsgeld zur Rückzahlung der in der Zeit vom bis erhaltenen vorzeitigen Altersrente verpflichtet ist.

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
NAAAD-21019

1Für die amtliche Sammlung: ja