Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer eines Kapitalanlegers; Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung; Abzugsbeschränkung verstößt nicht gegen das objektive Nettoprinzip
Leitsatz
1. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für ein häusliches Arbeitszimmer sind nicht deshalb bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in voller Höhe abzuziehen, weil der Steuerpflichtige Anlageentscheidungen ausschließlich im Arbeitszimmer trifft.
2. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 2006 geltenden Fassung ist gemäß § 9 Abs. 5 EStG auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass bei der Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit auf die gesamte der Erzielung von Einkünften dienende Tätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen ist.
Gesetze: EStG § 3 Nr. 9EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6bEStG § 9 Abs. 1 Satz 1EStG § 9 Abs. 5EStG § 34 Abs. 1EStG § 52 Abs. 4aFGO § 115 Abs. 2 Nr. 1FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Instanzenzug:
Gründe
I.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehren den Abzug der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sowie den Freibetrag nach § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die tarifbegünstigte Besteuerung einer Abfindungszahlung.
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Arbeitszimmer
Die Rechtssache hat insoweit keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Den Klägern ist zuzugeben, dass über die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist. Die Frage hat aber gleichwohl keine grundsätzliche Bedeutung, da sie nicht klärungsbedürftig ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder wenn —wie im Streitfall— die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom X B 38/06, BFH/NV 2007, 757, und vom III B 109/06, BFH/NV 2007, 1867; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28).
a) Nach der Grundregel in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG können die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer durch die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen veranlasst und deshalb Werbungskosten sein. Voraussetzung ist, dass der Arbeitsraum so gut wie ausschließlich zur Einkünfteerzielung und nicht privat genutzt wird (vgl. , BFHE 85, 18, BStBl III 1966, 219). Trotzdem sind die Aufwendungen für ein solches Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG grundsätzlich nur beschränkt abziehbar. Nur wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet, können die Aufwendungen in vollem Umfang abgezogen werden. Diese Regelung gilt nach § 9 Abs. 5 EStG sinngemäß auch für alle Überschusseinkunftsarten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nrn. 4 bis 7 EStG). Die Abzugsbeschränkung verstößt nicht gegen das objektive Nettoprinzip; sie ist verfassungsgemäß (vgl. , BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68).
b) Die Verweisung in § 9 Abs. 5 EStG („gilt sinngemäß”) bedeutet, dass § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzuwenden ist. Die von den Klägern offenbar beabsichtigte Nichtanwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG auf Einkunftsarten, bei denen nicht die Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sondern die „Nutzenziehung” im Vordergrund steht (Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie —teilweise— sonstige Einkünfte), kommt daher nicht in Betracht. Dem steht nicht entgegen, dass § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG seinem Wortlaut nach auf den Mittelpunkt der gesamten „betrieblichen und beruflichen Tätigkeit” abstellt und dass im natürlichen Sprachgebrauch durchaus zwischen der Ausübung eines Berufs und der Verwaltung des privaten Vermögens unterschieden wird. Für eine nach den Einkunftsarten unterschiedliche steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer spricht nichts. Vielmehr ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen —ebenso wie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. dazu Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 21 Rz 100 Stichwort „Arbeitszimmer”)— mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass nicht im Wortsinne auf die betriebliche oder berufliche Tätigkeit, sondern in einem umfassenden Sinne auf die gesamte der Erzielung von Einkünften dienende Tätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen ist.
c) Damit ist der Streitfall nicht anders zu beurteilen als andere Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger seine der Einkünfteerzielung dienende Tätigkeit nicht nur im häuslichen Arbeitszimmer, sondern auch an anderen Orten ausübt oder bei denen der Steuerpflichtige verschiedene (auch verschiedenen Einkunftsarten zuzurechnende) Tätigkeiten ausübt und dafür (ganz oder teilweise) ein häusliches Arbeitszimmer nutzt. Die sich in diesem Zusammenhang stellenden Rechtsfragen zur Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten Tätigkeit sind höchstrichterlich geklärt.
aa) Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG), ist höchstrichterlich hinreichend geklärt. Hierzu liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des BFH vor (vgl. die Nachweise in den Beschlüssen vom VI B 62/05, BFH/NV 2006, 737, und vom VI B 112/05, BFH/NV 2006, 2071). Danach bestimmt sich der Mittelpunkt der Berufstätigkeit nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Diese Rechtsprechung ist auf alle Berufsgruppen anzuwenden (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 87/05, BFH/NV 2006, 2045, und vom XI B 12/07, BFH/NV 2008, 47).
bb) Auch die Frage nach der Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen, der neben einer Vollzeitbeschäftigung aufgrund eines Dienstverhältnisses einer weiteren Tätigkeit nachgeht, ist nicht mehr klärungsbedürftig, seit der BFH mit Urteilen vom IV R 33/02 (BFH/NV 2005, 174) und vom IV R 19/03 (BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212) entschieden hat, dass der Haupttätigkeit indizielle Bedeutung für die Beurteilung des qualitativen Schwerpunkts der Gesamttätigkeit zukommt. Insofern besteht auch kein Bedarf für eine weitere Rechtsfortbildung durch den BFH (vgl. Beschluss vom IV B 10/05, BFH/NV 2006, 1088).
d) Das FG ist ersichtlich von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat keine davon abweichenden Grundsätze aufgestellt. In der Sache hat das FG darauf abgestellt, dass der Kläger im Streitjahr außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers anderen Haupttätigkeiten (als Geschäftsführer und Steuerberater) nachgegangen ist. Es hat deshalb den unbeschränkten Abzug der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Kapitalvermögen —im Ergebnis zu Recht— verneint.
2. Abfindung
Für die vom Kläger im Streitjahr bezogene Abfindung begehren die Kläger für einen erstrangigen Teilbetrag den Freibetrag von 24 000 DM gemäß § 3 Nr. 9 EStG sowie nachrangig —für den, den Freibetrag übersteigenden Teil der Abfindung— die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG.
a) Freibetrag (§ 3 Nr. 9 EStG)
Hinsichtlich der Versagung des Freibetrags durch das FG liegen Gründe für die Zulassung der Revision nicht vor.
aa) Das Urteil des FG weicht von der Rechtsprechung des BFH nicht ab. Der BFH hat entschieden, dass eine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung des Dienstverhältnisses beim Auslaufen eines befristeten Dienstverhältnisses nicht vorliegt (vgl. , BFHE 165, 285, BStBl II 1992, 34, und vom XI R 9/02, BFHE 204, 65, BStBl II 2004, 349). In diesen Fällen sei die Auflösung nicht vom Arbeitgeber veranlasst, sondern beruhe auf der früheren Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das FG hat keinen davon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Es hat vielmehr festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers durch Zeitablauf gemäß der Vereinbarung im Dienstvertrag vom am beendet worden ist.
bb) Soweit die Kläger dagegen einwenden, der Dienstvertrag des Klägers vom habe nur den ursprünglichen Dienstvertrag vom ersetzt, nach welchem der Kläger —entsprechende Vertragsverlängerungen vorausgesetzt— bis zum Erreichen der Altersgrenze am hätte weiterbeschäftigt werden müssen, machen sie sinngemäß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Rechtssache hat jedoch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung. Zwar ist der Gedanke des Klägers nachvollziehbar, dass der Anlass für die Verkürzung seiner Gesamtbeschäftigungsdauer um drei Monate zumindest mittelbar der Sphäre seines Arbeitgebers entstammte, der den Vertrag vom auf genau 10 Jahre begrenzen wollte. Dadurch ergab sich im Vergleich zu dem bis dahin mit dem Kläger Vereinbarten eine Verkürzung seiner gesamten Beschäftigungsdauer um drei Monate und für den Arbeitgeber die Notwendigkeit der Vereinbarung einer Abfindungsregelung, was im Vertrag vom auch geschehen ist. Die danach von den Klägern sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung des Dienstverhältnisses auch dann vorliegt, wenn das Dienstverhältnis zwar durch Zeitablauf entsprechend einer einvernehmlichen Befristung endet, diese (einvernehmliche) Befristung aber ursprünglich einem Wunsch des Arbeitgebers entsprach, bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung mehr, denn sie betrifft auslaufendes Recht. § 3 Nr. 9 EStG ist mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben worden und nach der Übergangsregel in § 52 Abs. 4a EStG nur noch auf Altfälle weiterhin anwendbar. Betrifft die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, müssen besondere Gründe geltend gemacht werden und vorliegen, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt (, BFH/NV 2006, 587; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 98 ff. und § 116 FGO Rz 178, jeweils m.w.N.). Entsprechende Gründe (vgl. etwa , BFH/NV 2007, 1099) haben die Kläger nicht dargelegt; sie sind für den beschließenden Senat auch nicht ersichtlich.
b) Tarifermäßigung (§ 34 Abs. 1 EStG)
Die Revision ist auch nicht zuzulassen, soweit das FG die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 1 EStG abgelehnt hat. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass es im Streitfall an einer Zusammenballung von Einkünften fehle. Die Abfindung habe etwa drei Monatsgehältern entsprochen. Da die Zahlung auch im hypothetischen Fall der Weiterbeschäftigung in demselben Veranlagungszeitraum geleistet worden wäre, sei den Klägern durch die Einmalzahlung keine steuerliche Mehrbelastung entstanden.
Mit dieser Begründung weicht das FG nicht von der Rechtsprechung des BFH ab. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 EStG grundsätzlich nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (, BFH/NV 2001, 431; vom XI R 24/04, BFH/NV 2006, 928; vgl. auch Schmidt/Seeger, a.a.O., § 34 Rz 17 ff.). Das war nach den auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde für den BFH bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) des FG nicht der Fall.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 850
BFH/NV 2009 S. 1026 Nr. 6
BFH/PR 2009 S. 247 Nr. 7
BStBl II 2009 S. 850 Nr. 21
DB 2009 S. 936 Nr. 18
DStRE 2009 S. 578 Nr. 10
DStZ 2009 S. 382 Nr. 11
EStB 2009 S. 158 Nr. 5
FR 2009 S. 869 Nr. 18
GStB 2009 S. 26 Nr. 7
HFR 2009 S. 657 Nr. 7
KÖSDI 2009 S. 16553 Nr. 7
NJW 2009 S. 2765 Nr. 37
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2009 S. 1314
SJ 2009 S. 7 Nr. 11
StB 2009 S. 177 Nr. 6
StBW 2009 S. 2 Nr. 9
StC 2009 S. 12 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2009 S. 360
IAAAD-19286